Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwidelung und die Ideale der Menschheit. Von Moriz Carriere: Fünfter Band. Das Weltalter des Geistes im Aufgange. Seipzig: 1873. V o r w o r t. Im achtzehnten Jahrhundert trat der Verstand als herrschende Macht auf; das mag beigetragen haben daß die Geschichtschreiber desselben den Einfluß der Literatur auf das Leben betonten. Nach dem Villemain und Schlosser die Culturentwickelung Englands und Frankreichs in diesem Sinne geschildert, fügte Gervinus die deutsche hinzu, und Hettner umfaßte das Ganze in einem ausführlichen Werfe, mit dem ich in ästhetischer Hinsicht meistens übereinstimme, wenn ich auch nach dem Organismus meines Buches weit mehr zusammendrängen mußte und das Princip und Ziel der Lebensentwickelung anders ansehe. Wie hier diesen Vorgängern, so fühle ich mich für die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts Hillebrand und Scerr, Julian Schmidt und Gottschall mannichfach verpflichtet; maßgebende Urtheile von ihnen und andern habe ich gern und dankbar angeführt, übrigens selber seit dreißig Jahren an der kritischen Würdigung der Dichtung und Kunst theilgenommen. 3m achtzehnten Jahrhundert sind Philosophie und Kritik vorwaltend, im neunzehnten Naturwissenschaft, geschichtlicher Sinn und Anerkennung des Gewordenen; von diejem Gesichtspunkte aus habe ich die Darstellung entworfen. Deutschland ist nach dem tüchtigen Vorgang Englaiids, dem glänzenden Frankreichs langsam emporgeivadijen, hat aber durch Lessing und Kant, Goethe und Schiller die geistige Führerschaft in Europa übernommen. Es war mir eine rechte Lebensfreude daß was ich aus dem Gang der Entfaltung weisjagen wollte, die endliche Erringung eines gemeinsamen Vaterlandes in einem starken
und einigen Deutschen Reich, bereits zur Erfüllung geworden ist; Ich schließe mit einem Gefühl des Dankes und der Wehmuth München, im Herbst 1873. Moriz Carriere. |