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wie der so theilweise umgestaltete Dialect sich über die anderen Dialecte erhebt und Gesammtsprache wird. Ob eine solche Darstellung möglich ist, das hängt freilich von den nothwendigen literärischen Documenten ab.

Auch die englische Schriftsprache hat sich so entwickelt, wahrscheinlich aus dem binnenländischen Dialecte. Auch bei dem Versuche, sie historisch zu begründen, wird man von den Dialecten ausgehen müßen, um Haupt- und Nebencontribuenten mit Sicherheit herausfinden zu können. Allein erst in späterer Zeit wird die reiche Literatur die Durchführung eines solchen Versuchs ermöglichen. Denn noch fließen die historischen Quellen, obgleich die englischen Philologen in der Erforschung ihrer Sprache sehr thätig sind, nicht so reichlich, um eine Geschichte der Hauptdialecte schreiben zu können; noch sind die gegenwärtigen Dialecte nicht ausreichend wißenschaftlich bearbeitet, um die Eigenthümlichkeiten derselben feststellen zu können. Die Behandlung, die sie in den zahlreichen Glossaren erfahren, ist mehr lexikalisch als grammatisch. So lange nicht ein reicheres Material und eine genaue grammatische Darstellung der Dialecte vorliegt, wird eine historische Begründung der Schriftsprache unvollständig sein und es wird kein anderer Weg übrig bleiben, als der, den der Verfaßer eingeschlagen und in der Einleitung dargelegt hat.

Die benutzten Quellen sind besonders angegeben. Grein's ausgezeichnete ags. Arbeiten hat der Verfaßer, obgleich er sein Material sich schon gesammelt hatte, überall benutzt, auch da, wo nach älteren Ausgaben citiert ist. Die Anführung nach diesen, wie Codex Exoniensis und Caedmon von Thorpe, ist nur aus äußeren Gründen beibehalten worden. Der Codex Exon. steht nämlich nur zum Theil in Grein's angelsächsischer Bibliothek und bei der zweckmäßigen Anlage der letzteren kann man sich hier leicht zu recht finden, auch wenn nach den älteren Ausgaben citiert ist; nicht aber in diesen, wenn man nach der ags. Bibliothek citiert. Jedoch Beowulf ist nur in der Lautlehre nach der Ausgabe von Kemble citiert, in der Flexionslehre nach der ags. Bibliothek, weil die Versangabe (Kemble zählt nach halben, Grein nach ganzen Versen) nicht zusammentrifft.

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In graphischer Beziehung hat sich der Verfaßer einige Abweichungen erlauben zu müßen geglaubt.

Grimm hat für den getrübten ags. a-Laut zwei Zeichen eingeführt, ä für die Kürze, æ für die Länge. An sich schon dürfte nicht zu billigen sein, für einen Laut zwei Zeichen einzuführen; so dann aber verstößt es auch gegen das sonst geübte Prinzip der Quantitätsbezeichnung, indem die Kürze unbezeichnet gelaßen (a), die Länge durch ein besonderes Zeichen (â) bezeichnet wird. Da nun die ags. Urkunden für Kürze und Länge das eine Zeichen æ gebrauchen, so glaubt sich der Verfaßer berechtigt, dieses eine Zeichen für den gleichen Laut beizubehalten und die Quantität in gewöhnlicher Weise, also æ und â, zu unterscheiden. Das selbe gilt auch von œ.

Eine zweite Abweichung findet in Bezeichnung der ersten Steigerung des u-Lautes statt. Grimm schreibt io', eo' und diese Be zeichnung könnte leicht die Ansicht veranlaßen, daß i oder e ein leichter Vorschlag zu dem schwereren o sei. Das ist nicht der Fall. Unzweifelhaft liegt diesem io', eo' ein angelsächsisches iu zu Grunde, weil sich dessen Verengerung û neben eo' erhalten hat. Der Gang des Lautes ist daher iu, io, eo. Nun mag wohl u etwas schwerer gewesen sein, weil gotisches au sich zu iu schwächt und weil einige angelsächsische iu zu û werden. Die dann eintretende Verdunklung des u zu o in io, eo läßt aber eine gleichmäßige Aussprache beider Laute vermuthen, und die spätere Vereinfachung des eo zu e läßt keinen Zweifel darüber zu, daß e nach und nach mehr hervorgetreten ist. Diese erste Steigerung des u-Lautes findet demnach in eo eine richtigere Bezeichnung.

Endlich weicht der Verfasser darin ab, daß er für v, das Grimm für die gothische und angelsächsische Rune eingeführt hat, w schreibt. Denn die ags. Rune scheint weicher gelautet zu haben als v, und da, wo sie schwindet, tritt nicht v, sondern w ein, während v im Neuangelsächsischen vielfach mit f wechselt.

Anordnung und Darstellung werden sich selbst rechtfertigen. In der Lautlehre ist die Scheidung des angelsächsischen und altnormannischen Vocalismus geboten und damit der doppelte Ausgangspunkt. Der gleiche Gang der Entwicklung und die gleichen

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Gesetze für die Aussprache rechtfertigen die besondere Behandlung der neuenglischen Laute. Die Uebereinstimmung der Consonanten gestattet die gemeinsame Behandlung. Neben dem Verlauf der Lautzeichen hat der Verfaßer versucht, auch den mit dem Zeichen ausgedrückten Laut festzustellen. Die angelsächsischen Laute sind bestimmt aus der Entwicklung der Zeichen und ihrer gegenwärtigen Aussprache; die Aussprache um 1600 auf Grund der ältesten, Grammatiker, der Schreibung und der Reime bei Spenser und Shakespeare; die gegenwärtige Aussprache nebst den vielfachen Schwankungen nach den englischen Lexikographen. So sind, abgesehen von der gegenwärtigen Lautung, zwei feste Puncte gewonnen und die Zwischenräume laßen sich unschwer ausfüllen.

In der Accentlehre sind die beiden Accentgesetze zu Grunde gelegt, das angelsächsische und das altfranzösische, denen die Hauptbestandtheile des Englischen folgen. Die beiden Gesetze stehen im strengsten Gegensatze; ein Widerstreit erfolgt; das vorübergehende Schwanken, wenigstens bei den alt- und mittelenglischen Dichtern, und die allmäliche Befestigung des deutschen Sprachstoffs, die Uebergriffe, die Verluste und die Umbildung des französischen Stoffes sind die nothwendigen Resultate dieses Widerstreites.

In der Flexionslehre wurde versucht, sowohl die alten angelsächsischen Formen zu begründen, als auch deren Verlauf bis zum Neuenglischen darzulegen.

Der Verfaßer fühlt sich gedrungen, den Herren Bibliothekaren in Göttingen und Weimar, und Herrn Geh. Hofrath Dr. Marshall für ihre bereitwillige und freundliche Unterstützung seinen herzlichen Dank öffentlich auszusprechen.

Eisenach, den 1. October 1863.

Professor Dr. Friedrich Koch.

Einleitung.

Die Ereignisse, welche in frühester Zeit auf den brittischen Inseln §. 1.

statt hatten, zeigen uns die Elemente, aus denen nach und nach die englische Sprache zusammen gefloßen ist.

Die Ureinwohner jener Inseln waren Kelten: im Süden Großbri tanniens saßen die Britten, im Norden die Pichten (von den Römern Caledonier genannt), in Irland die Gälen (Iren, Ersen). Ein Zweig der letzteren, die Scoten, besiegten die Pichten und gaben dem Lande Herren und Namen.

Die Hilfe, welche die Britten den verwandten Galliern gewährt haben sollen, veranlaßte die römische Invasion. Cäsar beginnt (55 vor Chr.), Cn. Julius Agricola (78-85 nach Chr.) fördert, und Kaiser Severus vollendet (209) die Eroberung Großbritanniens. Die Römerherrschaft gewährt zwar Schutz gegen die räuberischen Pichten und Scoten, aber sie führt auch römische Sitte und Sprache ein. Vom Sturme der Völkerwanderung erschüttert ruft Rom seine Legionen zurück (409), die Pichten und Scoten drängen nach und die Britten, ungewohnt und unfähig, sich selbst zu schützen, rufen germanische Stämme herbei. Früher in geringerer Anzahl, auf Vortigern's Bitten in größerer, landen sie (449) auf Thanet, nehmen das Land in Schutz, aber auch in Besitz; die Britten erheben sich; ein langer Kampf erfolgt, der mit ihrer völligen Unterwerfung und der Vernichtung römischer Bildung endigt: Britannien wird germanisch.

Die Stämme, die Vortigern's Ruf nach England zog, sollen Jüten, Angeln und Sachsen gewesen sein. Unter ihnen waren die Sachsen wohl am zahlreichsten, da sie mehrere Staaten bildeten und die Ureinwohner alle Einwanderer Sachsen nannten; die Angeln aber waren Koch, engl. Grammatik. I.

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§. 1. mächtig genug, um Land und Leute nach sich zu benennen, bis später beide Namen zu dem gemeinsamen Namen Angelsachsen verschmolzen. Die Jüten setzten sich in Kent, auf der Insel Wight und der gegenüberliegenden Küste, die Sachsen im Süden Englands, die Angeln nördlich von ihnen. Eine Reihe kleiner Staaten entsteht (Kent jütisch, Sussex, Essex und Wessex sächsisch, Ostangeln, Mercia, Deira und Bernicia anglisch, gegen 586), das Principat schwankt, bis im Anfang des 9. Jahrh. Egbert, König von Wessex, sie alle zu einem Reiche vereinigte, Mercia ausgenommen, und sie gegen die räuberischen Einfälle der Dänen zu schützen wußte. Als aber nach seinem Tode (836) sein schwacher, mönchisch erzogener Sohn Ethelwulf zur Regierung gelangte, mehrten sich die Angriffe der Dänen, so daß selbst der tapfere Ethelred es nicht hindern konnte, dass sie sich festsetzten, ein anglo-dänisches Reich (Northumbria) gründeten und ihre Raubzüge nach dem Süden wiederholten. Glücklicher war sein Bruder Aelfred (871-901). Er befreite sein Land von den Einfällen der Dänen und überließ ihnen, nachdem sie sich unterworfen hatten und Christen geworden waren, Northumberland und Ostangeln zu Wohnsitzen. Im Innern stellte er die altgermanische Verfaßung wieder her und mit derselben Freiheit und Ordnung, gründete und beschenkte Schulen und Kirchen, berief tüchtige Gelehrte an seinen Hof, förderte die Bildung der Geistlichen (Sachsenschule in Rom), sammelte die alten Lieder und war selbst literärisch thätig, überall bemüht, die Bildung der Angelsachsen zu heben. Sein tapferer Enkel Aethelstan († 941) unterwirft durch den glänzenden Sieg von Brunanburg (937) Northumbrien. Als sich unter Ethelred II. die Angriffe der Dänen erneuern, erkauft dieser von dem Dänenkönige Sueno dem Glücklichen eine kurze Ruhe, unterliegt aber im neu ausgebrochenen Kampfe und muß zu seinem Schwager Richard II., dem Herzoge von der Normandie, fliehen (1013). Sueno stirbt schon das nächste Jahr, aber sein Sohn Kanut der Große behauptet seine Herrschaft bis an seinen Tod 1035. Das altnordische Element findet Eingang und Einfluß.

Im Jahre 1042 riefen die englischen Großen Ethelred's Sohn auf den Thron, Edward den Bekenner, und da dieser sie durch seine Vorliebe für die Normannen erbittert hatte, übergiengen sie nach seinem Tode seinen Neffen Edgar (1066) und wählten des dänischen Grafen Godwin Sohn, den mächtigen Harald. Aber Herzog Wilhelm II. von der Normandie behauptete, daß ihn Edward zum

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