Page images
PDF
EPUB

FRIEDRICH WILHELM ZACHARIAE.

[ocr errors]

[Scherer, D. 406, E. II. 14.]

Geboren 1726 zu Frankenhausen, studierte in Leipzig und Göttingen die Rechte; starb als Professor in Braunschweig, 1777. Das älteste seiner komischen Heldengedichte Der Renommiste', das schon 1748 erschien, ist das beste. Eine Sammlung seiner Poetischen Schriften' erschien (Braunschweig, 1763-65) 9 Bde.; Hinterlassene Schriften' (Braunschweig, 1781).

[ocr errors]

AUS DER RENOMMISTE.

Mein Lied besingt den Held, den Degen, Muth und Schlacht
In Jena fürchterlich, in Leipzig frech gemacht.

Der, wenn man ihn erzürnt, ein ganzes Heer bekriegte,

Und wenn er focht, auch schlug, und wenn er schlug, auch siegte.
Ich singe, wie er hat so manchen Feind bekämpft;
Wie sein berühmter Stal des Stutzers Stolz gedämpft,
Den er, als er ihn sah, erst höhnte, dann bestritte,
Und da er ihn bezwang, voll Furcht aus Leipzig ritte.
Wirf einen Blick auf mich, du Geist der Schlägerey,
Damit mein Heldenlied des Helden würdig sey:

So wird die Nachwelt noch auf diesen Blättern lesen:
Wie schön sein letzter Sieg, wer Raufbold einst gewesen.
Da, wo die Pleisse sich mit krummen Fluthen schlingt,
Und durch das ebne Feld und grüne Flächen dringt,
Liegt eine stolze Stadt, die sich wie Tyrus zeiget,

Die durch die Musen prangt und durch den Handel steiget;
Von der nahm man bereits der Thürme Spitzen wahr;
Die Dächer stellten sich erst Raufbolds Augen dar,
Darauf kam ihm die Pracht von einzeln Häusern nahe,
Bis er zuletzt die Stadt in vollem Glanze sahe.
Ein Spornstich und ein Fluch beflügelten sein Ross;
Der grossen Peitsche Knall macht, dass es fliegend schoss;
Er jagt es schäumend fort, und fast im Augenblicke
Legt er den halben Theil des letzten Wegs zurücke.

Es war ein jenisch Pferd. Es flog mehr, als es lief;
Ihm war kein Weg zu schmal, kein Graben war zu tief;

IO

20

Es sprengt ihn muthig durch; im Laufen und im Setzen
Erfüllt es Wink und Ruf, dem Reuter zum Ergetzen
Sechs Meilen war es schon in vollem Lauf gerennt ;

Es rauchte vor Begier, sein Fuss lief noch behend,

Die Mähnen flatterten, als es in seinem Traben

Auf einmal stutzig wird. Es setzt durch Busch und Graben,
Schlägt wiehernd hinten aus; ein weisser dicker Schaum,
Der sein Gebiss bedeckt, fliesst auf den rothen Zaum.
Und schnaubend steht es still. Halt, Raufbold, lass es stehen,
Sein klärers Auge sieht, was deines nicht gesehen.
Ein Kobold steht vor ihm. Ein jeder Renommist

Hat diesen Geist um sich, der ihm zum Schutzgeist ist.
Er war auch Raufbolds Schutz. Auf allen seinen Wegen
Sah man ihn um ihn her die leichten Schwingen regen.
Da er aus Jena wich, hat er die dünne Luft

Um ihn herum verdickt in einen dunkeln Duft.

Ein Nebel war um ihn, der ihm den Blick versteckte,
Damit kein Feind vor ihm den fernen Weg entdeckte.
Nun sah er, doch zu spät, das seltne Leipzig nah ;
Er merkt, dass Raufbolds Blick mit Lust die Thore sah.
'Ha, dacht er bey sich selbst, du denkst daselbst zu bleiben?
'Nein, Feiger, meine List soll diess schon hintertreiben.
'Wie leicht vergässest du den Renommistenstand!

'Wie leicht wärst du verführt, wie leicht wärst du galant!
'Nein, diess erlaub ich nicht!'
Den sonst zu schnellen Fuss.
Sogleich springt Raufbold ab.
'Und du auch fällst mir um?'

Er sagts, und lähmt dem Pferde
Es stürzt und fällt zur Erde.
'Vermaledeytes Thier!
schrie er voll Rachbegier.

Er schwört, er schreyt, er peitscht und schlägts mit eignen

Händen,

Doch es lag, wie es fiel, entkräftet, lahm an Lenden.

ΙΟ

20

30

Diess sah er Unmuths voll. Er flucht auf diesen Fall:

'Wärst du, o Bestie! nur in des Philisters Stall,
'Und hätt ich seiner Hand dich erstlich übergeben;
'So möchtest du hernach verrecken oder leben.'

Indem so sah es ihn mit matten Blicken an,

Als spräch es schone mich, da ich nicht laufen kann!

Sein Finger streichelt es, bis es zu stehn begonnte,
Doch war es so geschwächt, dass es kaum schreiten konnte.
Gespornt geht Raufbolds Fuss mit Unmuth neben her;

Er führt den müden Gaul. Wie wird das Gehn ihm schwer!
Die Stiefeln drücken ihn; doch er muss sich bequehmen,
Bis dicht an Leipzigs Thor den Weg zu Fuss zu nehmen.
Hier flieht zuletzt die Schmach, die ihn begleitet hat;
Hier wendet sich die Noth, kurz vor der grossen Stadt.
Das Schicksal wollte nicht, dass den das Gehn verletzte,
Der wie ein Menzel ritt und Gehn für Schande schätzte.
Er sah kaum, dass sein Ross in etwas wieder sprung,
Als er sich ganz erfreut auf seinen Rücken schwung;
Und da er wieder frey sich in den Sattel wagte,
Frey in den Biegeln stund und durch die Thore jagte,
Mit klatschendem Geräusch ritt er in Leipzig ein.
Die Schatten herrschten schon, doch heller Lampen Schein
War an den Wanden hier, was an den Himmelssphären
Bestralte Sterne sind, die Nacht und Dunst verklären.
Ein Gasthof, dem ein Hecht, ein blauer Zierrath war,
Stellt ihm Wirth, Lagerstatt, ein eignes Zimmer dar.
Er setzte sich und warf mit grimmiger Geberde,
Den Degen auf den Tisch, die Handschuh auf die Erde.
'Armselger! rief er aus: in Leipzig bist du nun.

'Ja hier, wo alles ruht, wird auch dein Degen ruhn.
'Wer wird dich Renommist, allhier zu nennen wagen;
'Hier, wo man fast nicht weis, dass Pursche Degen tragen.
'Ach! Jena, denkt mein Herz an deine Lust zurück:
'O! wie beseufz ich nicht mein widriges Geschick!
'O! Schicksal, war denn diess dein mir geneigter Wille?
'O! Schnurren, o Pedell!' Hier schwieg er plötzlich stille,
Und warf sein schweres Haupt in die gehöhlte Hand;
Die starren Augen sahn verwirret nach der Wand.
Der Huth, den er bald hoch, bald tief, bald anders rückte,
Und jeder Blick verrieth, dass ihn die Schwermuth drückte.
Drauf greift er mit der Faust an den gescharften Stahl,
Der auf dem Tische lag, zieht ihn und wetzt dreymal,
Haut dreymal in die Luft und schleudert ihn im Grimme

10

20

30

Entblösset von sich weg, doch ohne Wort und Stimme.
Indem tritt voller Furcht die Jungemagd herein;
Ihr Angesicht erblasst bey seines Degens Schein ;
Ihr Herz klopft voller Angst vor seinen trotzgen Minen,
Die ihr zum Unglück schnell, zum Tödten willig schienen.
'Geht hin, spricht er zu ihr, hohlt mir von Jena drey;
'Sprecht, dass ein guter Freund hier angekommen sey,
'Der sie zu sehn verlangt; ihr findt sie in der Krone,
'Doch seyd gleich wieder da, sonst geb ich euch zum Lohne.
Sie eilt mit Schrecken fort; die Stimme, die es sprach,
Liess in der Feigen Brust nichts, als Entsetzen, nach;
Die Drohung machte sie, statt ihrer Neigung, fliechtig;
Sie richtet alles aus, zwar voller Furcht, doch richtig.
Diess Kleeblatt, das er schon in Jena wohl gekannt,
Mit welchem er vorlängst sich Brüderchen genannt,
Das ihm die Jungemagd so schleunig rufen sollte,
Und er in seiner Noth am ersten sprechen wollte,
War itzt in Leipzigs Zucht: doch blieb es roh und wild;
Ihr mürrisch Angesicht war der Verzweiflung Bild.
Wer sich nur unterstand, sie kühnlich anzublicken,
Dem drohte schon ihr Zorn von Sterben und Zerstücken.
Ihr Stichblatt, das die Hand an ihrem Degen deckt,
War, wie Medusens Schild, der jede Feinde schreckt.
In Leipzig blieben sie, von Jena treue Glieder;

Bey ihnen fand man nichts, als Bier, Taback und Brüder.
Drey Lasen1 waren stets vom Wurznernasse voll;

2

Bey ihnen hiess vergnügt so viel, als wild und toll.

Sie tranken nicht aus Durst. Ihr Trinken war ein Saufen,

Ihr Spiel war ein Gezänk und ihre Freude Raufen.
Die Dirne traf sie gleich, nach edler jenscher Art,
Auf einem Zimmer an. Die Thüre war verwahrt.

Sie klopft. Man ruft: herein! man macht ihr auf und fraget,
Und jeder zieht sich an, und thut, was sie gesaget.
Doch daucht es ihnen fremd, und jeder fragt und rieth:
Wer nach dem blauen Hecht sie wohl so spät beschied.

1 'die Lase', ein Trinkgefass.

* Bier, das in Wurzen bei Leipzig gebraut wird.

10

20

30

Doch keiner traf den Zweck; sie forschten, doch verdrossen;
Des Schicksals ewigs Buch blieb unerklärt verschlossen.
Sie gehn, und finden bald was erst verborgen war;
Man öffnete die Thür und Raufbold stellt sich dar.

So gleich sprang jeder zu: Herr Bruder! schrie ein jeder;
Und jeder schlug den Arm um seines Freundes Glieder.
'Welch Schicksal führt dich her? rief endlich einer aus;
'Wie bleich, wie blass bist du? kömmst du von einem Schmaus ?
'Du kömmst von Jena? Ja! was machen die Scharmanten?
'Bringst du auch einen Gruss von jeglichen Bekannten?
'Was Teufel, wie verwirrt liegt alles um dich her!
'Warum das Schwerdt entblösst? Was soll diess Mordgewehr?
Doch Raufbold nöthigt sie: lasst euch zusammen nieder.
Sie thatens und er sprach: 'Ihr wisst es, werthen Brüder,
'Ihr wisst, wie oft mein Stal für Jena sich gewagt;
'Wie oft ich ganz allein der Schnurren Heer gejagt;
'Ihr wisst, wie sorgsam ich für eure Freyheit wachte,
'Wenn sie ein neu Edict uns zu entreissen dachte.
'Dafür hab ich den Lohn. Wisst, ich bin relegirt.
'Warum? weil ich mein Amt mit Ehr und Ruhm geführt.
'Dreymal hatt ich mich nun auf offnem Markt geschlagen.
'Und dreymal hatt ich auch den Ruhm davon getragen;
'Ich war bereits berühmt, in Stoss und Hiebe schnell;
'So störte meine Lust Prorector und Pedell,

'Man forderte mich vor; wie, Brüder, musst ich schwitzen!
'Ich both zwölf Thaler an; nichts konnte mich beschützen.
'Ich sollt, ich musste fort; ein Zettel an der Thür
'Und der am schwarzen Brett, die beyde riethens mir.
'Nun bin ich, wie ihr seht, in dieses Nest gekommen;
'Jedoch recht mit Verdruss hab ich den Weg genommen.
'Was ist nunmehr zu thun? Ihr Brüder, rathet mir,
'Verlass ich diesen Ort, wie? oder bleib ich hier?'
Wie, wenn ein grosses Volk von Rednern wird beweget,
Sich der zu der Partey, der zu der andern schläget ;
Ein murmelndes Getöss die stille Luft durcheilt.
Die Zwietracht drauf das Volk in zwo Parteyen theilt,
Davon die eine will, was jener Mann verneint,

ΤΟ

20

30

« PreviousContinue »