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ten ziemlich pindarisch antreffen, und wer es noch höher dar inn treiben wollte, der würde gewiß zu weit gehen. Was aber das Verstümmeln der Sprache betrifft, so ist es leicht zu begreifen: daß Pindarus durch grammatische Schnißer nicht zum Gegenstande der Bewunderung geworden, son. dern durch) edle Gedanken; die aber auch bey der Richtigkeit der Sprachregeln bestehen können. Haben wir nun noch feinen ganzen Pindar in Deutschland gehabt, so kann doch so gar viel eben nicht gefehlet haben. Wenigstens haben Flemming, Gryph und Amthor kein übles Geschick Dazu gehabt. Unser Günther hätte wohl in dieser Art von Oden ein Meisterstück auf den Prinzen Eugen gemacht: wenn er sich nur nicht so tief herunter gelassen hätte, als er vorhin hoch gestiegen war; da er auch Nachbars Hanns in einer Dorfschenke, zum Gegenstande seiner Gedanken genom. men. Im Französischen ist Rousseau glücklich darinn, wie auch aus der Ode auf die Weltbezwinger, die Amthor überseht hat, schon zu sehen ist. Des la Grange drey philippische Oden, auf den verstorbenen Regenten in Frank. reich, sind zwar in einem ganz widrigen Affecte geschrieben; aber eben so feurig, und so zu reden rasend, als eine von den obigen. Und das ist kein Wunder. Er hat es ver muthlich in seinem Schimpfen und Schelten ernstlicher ge meynet, als andere, die im Loben aus dem Schmäucheln ein Handwerk machen. In geistlichen Oden ist Simon Dach dieser Schreibart sehr mächtig gewesen, und insonderheit ist das lied: Ich bin ja, Herr, in deiner Macht; für ein vollkommnes Meisterstück anzusehen. Auch Andreas Gryphius, hat in seiner langen Ode auf den Kirchhof, mehr als eine Probe der pathetischen Schreibart gegeben, die sehr zu loben ist. Zur Probe will ich ein paar Strophen hersehen:

Wie wird mir? Wackelt nicht der Grund,
Auf dem ich steh? rauscht ihr, o Linden?
Wie reißt die Erd auf ihren Schlund,
Und läßt die Wurzel sich entbinden ?

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Hör

Hör ich das Rasseln dürrer Bein?
Hör ich ein heischer menschlich Braufen?
Hör ich der Suden holes Saufen?

Wälzt ihr euch ab, ihr schweren Stein? 2c.
Hilf Gott! die Särger springen auf!
Ich schau die Körper sich bewegen.
Der långst erblaßten Völker Hauf
Beginnt der Glieder Rest zu regen.
Ich finde plötzlich mich umringt
Mit durch den Tod entwehrten Heeren!
Schauspiel! das mir heiße Zähren

Aus den erstarrten Augen dringt!

14. S. Die lustigen Lieder, die beym Trunke oder sonst zum Scherze statt finden, müssen so wohl als die traurigen, zärtlichen und beweglichen, in der natürlichen Schreibärt ge macht werden, die nicht mehr so edel, feurig und verwegen klingt; sondern mit wenigern Zierrathen zufrieden ist. Doch kömmt es auch hier auf den Dichter an, ob er gleichsam in einem halben Rausche, kühne Gedanken und Ausdrücke wagen will, wie Pietsch in einem Trinkliede gethan hat, welches im VII. B. der Beyträge steht. Zum Erempel der Lustigen kann Günthers Tabakslied dienen, nebst verschie denen, die in Flemmings und Opitzens Gedichten vorkommen. 3. E. im ersten Buche der poet. W. des leßern, steht eine an Nüßlern, und da kömmt folgende Strophe vor:

Hola! gebt mir ein Glas Wein,

Wasser hab ich nicht vonnöthen:
Nun es gilt dir, Bruder mein!
Auf Gesundheit des Poeten,
Welcher künftig mich und dich
Weit soll lassen hinter sich!

In dieser Schreibart läßt sich auch bey Hochzeiten und andern fröhlichen Veranlassungen, bequem ein Gedicht verfertigen. Von zärtlichen oder traurigen Liedern habe ich schon oben Ranigens Klagode gelobt, und iho will ich noch Bessers Ode auf denselben Todesfall, und als er vierzig Jahre alt war, hinzusehen. In geistlichen Gesängen müssen die Bußlieder und andere, wo ein trauriges Wesen herrschet, so abgefasset werden, Crit. Dichtk.

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wie.

wie Dach, Rist, Gerhard und Frank; von neuern aber Neumann und Schmolk uns die Muster gewiesen haben.

15. §. Endlich die sinnreiche Schreibart kann in moralischen Oden statt finden, ja auch in allen andern Oden, wo wir anfangen, ernsthafte Betrachtungen anzustellen. Günthers Ode auf Graf Sporken, imgleichen Andr. Gryphii über den Gottesacker, und viele in Amthors Gedichten sind hierinn unvergleichlich. In Ranigens geistlichen Gedichten sind auch einige treffliche Muster davon. In dem liede: Herr, ich denk an jene Zeit, hat Mylius ein Meisterstück einer finnreichen Betrachtung der Sterblichkeit gewiesen; derglei chen auch Simon Dach vom Tode und von der Ewigkeit sehr viele verfertiget hat. Will man mehr neue und wohlgerathene geistliche Lieder bensammen finden; so nehme man M. Gortschaldts Universalgesangbuch zur Hand. Verlangt man aber von weltlichen moralischen, lustigen und galanten Oden, zu erlaubter Ergeßung, etwas beysammen zu haben: so schaffe man sich diejenige Sammlung an, die Herr Gräf neulich in großem Formate, mit neugefeßten sehr schönen Melodien, in drey bis vier Theilen in Halle, ans Licht gestellet hat.

16. §. Aus allen den angeführten Oden aber wird man wahrnehmen, daß darinn durchgehends eine größere lebhaf tigkeit und Munterfeit, als in andern Gedichten, herrschet. Dieses unterscheidet denn die Ode von der gemeinen Schreibart. Sie machet nicht viel Umschweife mit Verbindungs wörtern oder andern weitläuftigen Formeln. Sie fängt jede Strophe, so zu reden mit einem Sprunge an. Sie wagt neue Ausdrückungen und Redensarten; sie verseht in ihrer Hiße zuweilen die Ordnung der Wörter: kurz, alles schmeckt nach einer Begeisterung der Musen. Wer ausführlich‹re Regeln, und gute Erempel davon sehen will, der darf nur die Oden der deutschen Gesellschaft nachschlagen, wo er von allen Gattungen einige antreffen wird. Nur ist noch zu merken, daß man in Oden keine gar zu genaue Ordnung der Zeiten und Derter beobachten müsse. Dieses sieht einer Geschichte zu ähnlich, und macht eine Ode zu matt. Auch hüte man

fich darinnen vor gar zu trocknen Vernunftschlüssen, die einem Weltweisen besser anstehen, als einem Dichter; der gleichsam Orakelsprüche vorbringt, die er nicht beweisen darf, weil sie aus einer höhern Eingebung kommen. Daher kleiten alle die Bindewörter, deņn, weil, darum, daher, hers nach, u. d. gl. eine Ode sehr schlecht; und man pflegt zu sagen, daß eine schöne Unordnung in der Ode die Probe der höchsten Kunst sey. Boileau schreibt:

Chez elle un beau Desordre eft un Effet de l'Art.

17.§. Anstatt der Erempel, rathe ich iso die Meisterstücke unfrer alten Dichter, Opitzens, Flemmings, Dachs, Tschernings, Neukirchs, Günthers und Pietschens zu lesen. Ich halte dieselben nicht nur allesammt für stårker in dem edlen Feuer, das zu einer Ode gehöret, als alles, was wir heute zu Tage schreiben; sondern hoffe auch, daß ich durch die gesunde Hiße dieser Muster, unsren angehenden Dichtern auf die rechte Spur helfen, und sie von dem finstern Geschmacke gewisser heutigen Verführer abziehen werde, die alles, was nicht von Sprachschnißern wimmelt, für Wiegenlieder ausgeben wollen. Nun gestehe ichs zwar, daß in der Reinigkeit der Verse, unfre Alten nicht ganz unverbesserlich sind. Allein wer die Regeln unsrer heutigen Prosodie, und die reine Wortfügung der besten Dichter kennet, der wird sich schon in acht zu nehmen wissen, daß er mit dem Guten der Alten, nicht auch das Tadelhafte nachahme. Zum Beschlusse will ich noch erinnern, daß derjenige, der Oder zum Singen verfertigen will, folgende Regel beobachten muß, um dem Componisten die Arbeit nicht zu verderben, und zu machen, daß alle Strophen fich gleich gut fingen lassen. Diejenigen Oden flingen noch einmal so schön, die am Ende mit einem månnlichen Reime schließen, als die andern, die sich weiblich endigen. Und, da ich es auch an denen, die ich in der gråfischen Sammlung finde, bemerke, daß diejenigen sich in der Musik viel besser hören lassen, die mit einer langen Sylbe schließen: so rathe ich es allen denen an, welche Oden zum Singen machen, keinen weiblichen Reim ans Ende zu bringen.

Ee 2

Des

Des I. Abschnitts II. Hauptstück. Von äsopischen und sybaritischen Fabeln, imgleichen von Erzählungen.

D

I. S.

er Ordnung des Alterthumes zu folgen, muß ich wohl von dieser Art der Dichtkunst, unmittelbar nach den

Liedern handeln. Was eine Fabel überhaupt sey, habe ich oben im I. Theile, im zten Hauptstücke ausführlich erflåret. Sie ist eine erdichtete Begebenheit, welche erfunden worden, eine gewisse Sittenlehre darunter zu verbergen, oder vielmehr durch sie desto sinnlicher zu machen. Wir haben auch schon gewiesen, daß sie zweyerley sey; nachdem man entweder Pflanzen und Thiere, oder vernünftige Wesen darinn redend oder handelnd einführet. Hier aber muß ich noch die dritte Art hinzusehen, darinnen man allegorische Personen dichtet, oder solchen Dingen ein Wesen und Leben giebt, die entweder ganz leblos sind, oder doch nur den Gedanken der Menschen ihr Daseyn zu danken haben: wie sichs hernach deutlicher zeigen wird. Diese Gattung nebst der ersten von Thieren, kann man eigentliche Fabeln oder Mährlein nennen; diejenigen aber, worinn lauter vernünf tige Wesen, denkend, redend, und wirkend aufgeführet werden, pflegt man auch wohl Erzählungen zu heißen. Sie ändern aber darum ihre Natur nicht, und bleiben allemal erdich tete Begebenheiten, die ihre Sittenlehre bey sich führen. Menget man aber Thiere und Menschen, oder leblese und allegorische Personen, mit Geistern oder wirklich denkenden Wefen zusammen: so entstehen daraus vermischte Fabeln.

2. S. Daß indessen die Fabeln noch älter, als die übrigen Arten der Gedichte, sonderlich das Heldengedicht seyn, ist leicht zu erweisen. Ohne Zweifel ist das Buch der Richter,

wenn

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