Page images
PDF
EPUB

Erfindung macht die Künstler gross
Und bei der Nachwelt unvergessen.
Der Erbe reisst die Schnüre los,
Umzieht den Hut mit goldnen Tressen,
Verherrlicht ihn durch einen Knopf

Und drückt ihn seitwärts auf den Kopf.

Ihn sieht das Volk und taumelt vor Vergnügen.

'Nun ist die Kunst erst hoch gestiegen!

Ihm', schrie es, 'ihm allein ist Witz und Geist verliehn!

Nichts sind die andern gegen ihn!'

Er starb und liess bei seinem Sterben

Den eingefassten Hut dem Erben;
Und jedesmal ward die erfundne Tracht
Im ganzen Lande nachgemacht.

[Ende des ersten Buches.]

Was mit dem Hute sich noch ferner zugetragen,

Will ich im zweiten Buche sagen.

Der Erbe liess ihm nie die vorige Gestalt,

Das Aussenwerk ward neu; er selbst, der Hut, blieb alt;

Und dass ich's kurz zusammenzieh'—

Es ging dem Hute fast, wie der Philosophie.

2.

DIE GÜTE GOTTES.

Wie gross ist des Allmächtgen Güte! Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt?

Der mit verhärtetem Gemüthe

Den Dank erstickt, der ihm gebührt?
Nein, seine Liebe zu ermessen,

Sey ewig meine grösste Pflicht.

Der Herr hat mein noch nie vergessen ;
Vergiss mein Herz auch seiner nicht.

Wer hat mich wunderbar bereitet?

Der Gott, der meiner nicht bedarf.

Wer hat mit Langmuth mich geleitet ?
Er, dessen Rath ich oft verwarf.

20

30

10

[blocks in formation]

Diess ist mein Dank, diess ist sein Wille, Ich soll vollkommen seyn, wie er.

So lang ich diess Gebot erfülle,

Stell ich sein Bildniss in mir her.

Lebt seine Lieb in meiner Seele :

So treibt sie mich zu jeder Pflicht;
Und ob ich schon aus Schwachheit fehle,
Herrscht doch in mir die Sünde nicht.
O Gott, lass deine Güt und Liebe

Mir immerdar vor Augen seyn!
Sie stärk in mir die guten Triebe,

Mein ganzes Leben dir zu weihn;

Sie tröste mich zur Zeit der Schmerzen ;

Sie leite mich zur Zeit des Glücks;

Und sie besieg in meinem Herzen
Die Furcht des letzten Augenblicks.

20

30

MAGNUS GOTTFRIED lichtwer.

[Scherer D. 447, E. II. 58.]

[ocr errors]

1719 geboren zu Wurzen; Privatdocent in Wittenberg; starb 1783 als Regierungsrath zu Magdeburg. Seine Vier Bücher Äsopischer Fabeln in gebundener Schreib-Art' erschienen 1748.

DIE KATZEN UND DER HAUSHERR.

Thier' und Menschen schliefen feste,
Selbst der Hausprophete schwieg,
Als ein Schwarm geschwanzter Gäste
Von den nächsten Dächern stieg.

In dem Vorsaal eines Reichen
Stimmten sie ihr Liedchen an,
So ein Lied, das Stein' erweichen,
Menschen rasend machen kann.

Hinz, des Murners Schwiegervater,
Schlug den Takt erbärmlich schön,
Und zween abgelebte Kater
Quälten sich, ihm beizustehn.

Endlich tanzten alle Katzen,
Poltern, lärmen, dass es kracht,
Zischen, heulen, sprudeln, kratzen,
Bis der Herr im Haus erwacht.

Dieser springt mit einem Prügel

In dem finstern Saal herum,

Schlägt um sich, zerstösst den Spiegel,
Wirft ein Dutzend Schaalen um.

Stolpert über ein'ge Späne
Stürzt im Fallen auf die Uhr,

Und zerbricht zwo Reihen Zähne ;

Blinder Eifer schadet nur!

ΙΟ

20

als

10

20

GOTTLIEB WILHELM RABENER.

[Scherer D. 405, E. II. 13.]

Geboren 1714 zu Wachau bei Leipzig, gebildet auf der Schule in Meissen und auf der Universität in Leipzig; 1741 wurde er Steuerrevisor in Leipzig; er starb als Obersteuerrath zu Dresden 1771. Er war Mitarbeiter an den 'Bremer Beiträgen und namentlich durch seine satirischen Schriften bekannt, die seit 1751 wiederholentlich in Sammlungen herauskamen.

VERSTAND.

Weil ich hier nicht Willens bin, eine philosophische Abhandlung zu schreiben: So wird man mir nicht zumuthen, von demjenigen Begriffe etwas zu gedenken, welchen man sich auf der Catheder von dem Worte, Verstand, macht.

Ich schreibe nicht für Pedanten, sondern für die grosse Welt, und in der grossen Welt heisst Verstand so viel, als Reichthum. Ein Mensch ohne Verstand, ist nichts anders, als ein armer. Er kann ehrlich, er kann gelehrt, er kann witzig, mit einem Worte, er kann der artigste, und nützlichste Mann in der Stadt seyn, das 10 hilft ihm alles nichts; der Verstand fehlt ihm, denn er hat kein

Geld.

Es ist nicht für einen Dreyer Verstand darinnen! spricht mein Wirth, wenn er ein vernünftiges Gedicht liest. Warum? Mein Wirth ist ein Wechsler, welcher in der Welt nichts gelernt hat, als addiren, und er glaubt, wenn er die schönste Ode auf die Börse trüge, so würde er doch nicht einen Dreyer dafür

bekommen.

Das Mädchen hat Verstand, sagt ein Liebhaber, der nur aufs Geld sieht, wenn gleich sein Mädchen weiter nichts thut, als dass 20 es Caffee trinkt, Lomber spielt, Knötchen macht, zum Fenster hinaus sieht, und wenn es hoch kömmt, über das Nachtzeug ihrer Nachbarinn spottet. In Gesellschaften, wo sie keines von diesem allen thun kann, ist sie nicht im Stande, etwas weiter zu sagen, als ein trockenes Ja und Nein; und spielte sie nicht mit ihrem Fächer: So würde man sie für eine schöne Statue ansehen. Aber, das thut alles nichts; für ihren Liebhaber hat sie doch viel Ver

stand, denn ihre Mutter hat ihr ein sehr schönes Vermögen hinterlassen.

Der Mensch hat einen sehr guten natürlichen Verstand, heisst so viel Er hat von seinen Ältern eine reiche Erbschaft überkommen, und nicht nöthig gehabt, selbst Geld zu verdienen. Was also dieses heisse: Er wuchert mit seinem Verstande, das darf ich niemanden erklären ; es versteht sich von sich selbst. Ich bin der dümmste eben nicht, denn ich habe auch etwas weniges von Vermögen, und dieses hat mir Gelegenheit gegeben, durch eine dreyssigjährige Erfahrung die verschiedenen Grade des 10 Verstandes kennen zu lernen. Nach gegenwärtigem Cours kann ich von dem Verstande meiner Landsleute ohngefähr folgenden Tariff machen:

1000 Thaler, nicht ganz ohne Verstand; 6000 Thaler, ein ziemlicher Verstand; 12000 Thaler, ein feiner Verstand;

30000 Thaler, ein grosser Verstand;

50000 Thaler, ein durchdringender Verstand:

100000 Thaler, ein englischer Verstand;

und auf solche Weise steigt es mit jedem Tausend Thalern.

Ich habe den Sohn eines reichen Kaufmanns gekannt, welcher kaum so klug war, als sein Reitpferd. Er besass aber 400000 Thaler, und um deswillen versicherte mich mein Correspondente, dass er in ganz Mecklenburg beinahe der Verständigste wäre.

20

Der Kerl hat seinen Verstand verloren! wird man also von einem bankerutten Kaufmanne sagen, und ich kenne einige davon, welche dieser Vorwurf weit mehr schmerzt, als wenn man sagen wollte, sie hätten ihren. ehrlichen Namen verloren. Dieses ist noch der einzige Trost für dergleichen Männer, dass ihre Weiber, welche durch ihre üble Wirtschaft und durch ihren unsin- 30 nigen Staat an diesem Verluste gemeiniglich die meiste Ursache haben, dennoch ihren eingebrachten Verstand, dass ich mich kunstmässig ausdrücke, oder deutlich zu reden: ihr eignes Vermögen und daher noch allemal so viel übrig behalten, als nöthig ist, sich und ihren unverständigen Mann auf das bequemlichste zu ernähren.

« PreviousContinue »