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Willen haben hinreißen lassen. Ihr Erempel aber, kann uns keine Regel machen: weil es mit keinen guten Gründen unterstüßet ist. Wir folgen vielmehr der Vorschrift des Boileau, der in seiner Dichkunft ausdrücklich die Wortspiele verworfen hat. Denn er erzählt, wie anfänglich die Spigfündigkeiten und zweydeutigen Worte aus Italien gekommen, und erstlich in die Sinngedichte; hernach, da der Pöbel da durch verblendet wurde, in Madrigalen, Tragödien, Elegien, Schäfergedichten, ja gar vor Gerichte und auf der Kanzel eingeführet worden.

On vit tous les Bergers dans leurs Plaintes nouvelles,
Fideles à la Pointe, encor plus qu'à leurs Belles,
Chaque Mot eut toujours deux Vifages divers;
La Profe la reçût auffi-bien que les Vers;
L' Avocat au Palais en herifla fon Stile,
Et le Docteur en Chaire en fema l'Evangile.

Hierauf fagt er, die Vernunft håtte endlich die Augen aufgethan, und sie einmal für allemal aus ernsthaften Schriften verbannet; sie allenthalben, für unehrlich erklåret, und ihnen kaum in Sinngedichten, doch mit dem Bedinge, einen Plag vergönnet, daß sie mit den Gedanken und nicht mit Worten spielen möchten. Darauf hätten zwar allenthalben die Unordnungen aufgehört: doch wären bey Hofe Possenreißer geblieben, abgeschmackte lustigmacher, unselige Pickelheringe, altfränkische Verfechter grober Wortspiele:

La Raison outragée enfin ouvrit les Yeux,
La chaffa pour jamais des Difcours ferieux,
Et dans tous ces Ecrits la declarant infame,
Par Grace lui laiffa l' Entrée en l' Epigramme:
Pourveu que fa Fineffe, éclatant à
propos,
Roulaft fur la Penfée, & non pas fur les Mots.
Ainfi de toutes Parts les Defordres cefferent,
Toutesfois à la Cour les Turlupins resterent,
Infipides Plaifans, Bouffons infortunéz,
D'un Jeu de mot groffier Partisans furannés.

33. S. Was könnte ich nicht aus des Grafen Schaftsbury Schriften, und aus dem Zuschauer für Stellen anziehen, darinn sie über den verderbten Geschmack ihrer Landesleute in diesem Stücke die heftigsten Klagen führen? Siehe von diesem leßten das 58. Blatt des I. Bandes. Allein es ist genug gesagt, wenn ich nur noch die Probe eines guten Gedankens, die von einigen vorgeschlagen wird, werde angemerkt haben. Man sagt: alles, was sich in eine fremde Sprache überseßen läßt, und gleichwohl noch die vorige Schönheit behält, das ist ein gründlicher und richtiger Gedanken; was aber alsdann sich selbst nicht mehr ähnlich sieht, das ist zu verwerfen. Nun trifft dieses zwar nicht allemal ein, indem manche Wortspiele in mehr als einer Sprache angehen: allein, in Ermanglung einer bes sern, will ich mich nicht bemühen, diese Regel umzustoßen. Ein Kopf, der richtig denken gelernt hat, wird auch nicht leicht eine Anweisung dazu brauchen. Das ist endlich noch anzumerken, daß man zum Gelächter, und irgend eines Iuftigen Einfalls wegen, wohl zuweilen ein Wort in andern Verstande nehmen, und zum Scherze brauchen kann; ohne den guten Geschmack dadurch zu verlegen. Boileau selber erlaubt dieses in folgender Stelle:

Ce n'eft pas quelque Fois, qu'une Muse un peu fine,
Sur un Mot en paffant ne joue & ne badine,
Et d'un Sens detourné n'abuse avec Succés:
Mais fuyez fur ce Point un ridicule Excés,
Et n'allez pas toujours d'une Pointe frivole,
Aiguiser par la Queue une Epigramme folle.

Wie viel gezwungene Spißfindigkeiten müßten wir nicht aus unsern meisten Poeten ausmustern; wenn wir des Boileau Vorschrift in diesem Stücke folgen wollten?

Das

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er größte Zierrath poetischer Ausdrückungen besteht freylich in den tropischen, uneigentlichen und verblüm ten Worten und Redensarten. Man seht dieselben dem eigentlichen Ausdrucke entgegen, der alle Wörter in ihrer natürlichsten und einfältigsten Bedeutung braucht. Dieses ist die allergemeinste Art zu reden und zu schreiben, die auch den allerschlechtesten Köpfen nicht schwer ankömmt. So leicht und verständlich sie ist, wenn sie nur nach den Regeln der Sprachkunst richtig bleibt: so trocken, so mager und wässerigt ist sie auch. Sie hat kein Feuer, keinen Geist, kein Leben in sich, und ist sehr geschickt, einen, der sie höret oder liest, einzuschläfern. Diejenigen Poeten unsers Vaterlandes, die sich mehr auf ein fließendes Sylbenmaaß, als auf gute Gedanken beflissen haben, sind in dieser Art des eigentlichen Ausdruckes fast zu tief herunter gesunken. Sie wollten die hochtrabende lohensteinische Schreibart meiden; und fielen in den gemeinen prosaischen Ausdruck: so, daß endlich ihre Gedichte nichts, als eine abgezählte Prose ge worden. Es hat von ihnen geheißen:

Sectantem levia, nervi

Deficiunt animique;

Ich will hieher nur Chr. Weisen, Bessern, Hübnern, Ubsen und Gunolden rechnen, welche gewiß in diesem Stücke vielmals gar zu natürlich geschrieben. Von dem erstern kömmt mir in seinen reifen Gedanken auf der 175. S. ohngefähr folgendes in die Hand:

Wer iso funfzig Jahr in seinem ganzen Leben

Zurücke legen kann, dem scheint es trefflich viel:
Die Welt nimmt täglich ab, und will fast Abschied geben,
Jemehr die Jahrzahl wächst, je kürzer wird das Ziel.

Crit. Dichtk.

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Derhalben welchen Gott mit dieser Gnade segnet,

Daß er in seiner Eh noch funfzig Jahr vollbringt,
Dem ist ein Wunderwerk und solch ein Glück begegnet,
Das unter hunderten kaum einem halb gelingt.

Hier steht dergleichen Mann, ein Priester, greis von Haaren 2c. Aus dem zweyten fällt mir bey, beym Aufschlagen, das Benlagersgedichte von Alexandern und Roranen in die Augen, wo Jupiter im Anfange sich so hören läßt:

Daß Ehen auf Erden

Von Menschen vorgenommen werden,
Kommt nicht von Menschenvorsatz her:
Es ist mein Thun, der ich die Welt regiere,
Es ist ein Werk vom Jupiter.

Lernt, Sterbliche, daß ich die Herzen führe;
Daß Ehen zwar auf Erden

Vollzogen; aber nur von mir beschloßen werden.

2. §. Was ist nun in diesen beyden Stücken poetisches, außer dem Sylbenmaaße und den Reimen? Sind es nicht lauter gemeine Gedanken, gemeine Wörter und Redensarten, und gemeine Bedeutungen derselben? Wie hätte man sich eigentlicher ausdrücken, und den natürlichen Verstand der Worte genauer beybehalten können, als hier geschehen ist? Man darf nur eine kleine Veränderung damit vornehmen, so, daß das Sylbenmaaß verschwindet, und der Reim wegfällt: so bleibt nichts als eine sehr magre Prosa übrig. Wir wollen mit dem ersten die Probe machen :

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Wer iho in seinem ganzen Leben funfzig Jahre zurücke ,, legen kann, dem scheint es trefflich viel zu seyn. Die Welt ,, nimmt alle Tage ab, und will uns fast Abschied geben. Jemehr die Jahrzahl zunimmt, desto kürzer wird auch » das Ziel. Welchen Gott derohalben mit dieser Gnade „segnet, daß er noch funfzig Jahre in seiner Ehe vollbringt, ,, dem ist ein solch Wunderwerk und Glück begegnet, daß ,, faum einem unter hunderten halb zu gelingen pflegt. 2c. Nun möchte ich gern wissen, wo hier das poetische Wesen stecket; worinnen sich der Geist und Wig eines Dichters ge

wiesen

wiesen håtte? Alles dieses hat meines Erachtens ein jeder denken und schreiben können, der niemals einen Poeten gesehen oder gelesen, ja kein Wort von Poesie reden gehöret hat. In der besserischen Stelle redet Jupiter ebenfalls in der gemeinsten Sprache, wenn man nur das klingende Sylbenmaaß und die Reime wegschaffet.

"

,,Daß auf Erden von den Menschen Ehen vorgenommen ,, werden, das kömmt nicht vom Vorsage der Menschen her. Es ist ein Werk Jupiters: es ist nur mein Thun, der ich die Welt regiere. Lernet ihr Sterblichen, daß ich die Herzen ,,lenke, und daß die Ehen auf Erden zwar vollzogen, aber nur von mir beschlossen werden.

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3.S. Vieleicht halten viele dafür, daß dieses eben die rech te Schönheit der vernünftigen Poesie fey, ganz natürlich zu reden, und sich von allen schwülstigen Redensarten zu enthal ten. Allein wir wollen uns erstlich erinnern, daß Horaz uns vor beyden Fehlern gewarnet, und weder zu hoch über allen Wolken nach leerer Luft zu schnappen, noch im Staube zu kriechen; sondern die Mittelstraße zu halten, und auf dem erhabenen Parnaß zu gehen, befohlen hat.

Profeffus grandia, turget;

Serpit humi, tutus nim um timidusque procellæ : In vitium ducit culpæ fuga, fi caret arte. Fürs andere ist es långst, auch von Rednern, angemerket worden, daß der uneigentliche Ausdruck durch verblümte Redensarten, fo gar der ungebundnen Rede eine besondere Anmuth giebt. Cicero z. E. lehrt im dritten Buche vom Redner im 38. Capitel ausdrücklich, daß die uneigentlichen Bedeutungen der Wörter zwar zu allererst aus Mangel und Dürftigkeit der Sprachen aufgekommen; hernach aber auch zur Anmuth und Zierde gebraucht worden: wie man auch die Kleidungen anfänglich zur Bedeckung unsrer Blöße, nachmals aber zur Pracht ausgesonnen und eingeführet hat. Er erweiset es durch verschiedene verblümte Reden, die auch ben den lateinischen Bauern gewöhnlich gewesen; dergleichen etwa bey uns fole

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