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dem Heraus, Neukirchen und Günthern, für Proben anführen? Allein ich will nur noch ein paar aus Pietschen, Hersehen. In dem Gefange auf den Eugen finde ich, unter andern die råuberische Zeit, dauerhafte Musen, den belorberren Eugen, imgleichen den unsterblichen Eugen, u. d. gl.

27. §. Bey dem allen fragt es sich, ob es angehenden Poeten zu rathen sen, sich dergleichen schöne Beywörter und, andere poetische Redensarten zu sammlen; oder dieselben in gedruckten Sammlungen nachzuschlagen und zu brauchen? Wir haben eine Menge solcher Handbücher, die ich alle hier namhaft machen wollte, wenn ich ihren Gebrauch für nöthig hielte. Zwar einem solchen Reimschmiede,

Der keine Griffe weis, und mit dem Hübner spielt,
Und keinen Funken Trieb in seinen Adern fühlt.

wie Günther schreibt, thun dergleichen Bücher zuweilen gute Dienste. Allein, das sind eben die Leute nicht, die dem Vaterlande durch ihre Poesie Ehre bringen werden: und also wäre es besser, daß man ihnen den Weg zum Reimen und Sylbenhenken nicht erleichterte. Geistreiche Köpfe brauchen solche Gängelwågen nicht, ihre Muse zu leiten. Poeten zu lesen, und bey ihren schönen Ausdrückungen den Wiş, der darinnen stecket, zu überdenken, das rücket uns freylich den Kopf zurecht. Ein Feuer zündet das andere an, und man wird selber allmählich geschickt, guten Mustern zu folgen. Allein ein Chaos von allerley zusammengestoppelten Blümchen nachzuschlagen, und bey jeder Zeile, die man schreibt, einen poetischen Trichter in Hånden zu haben, daraus man Wörter sucht, Gedanken auszudrücken, die man noch nicht hat; das heißt gewiß schlecht poetisiret. Gemeiniglich bekömmt auch ein Beywort seine ganze Schönheit aus dem Zusammenhange, darinn es steht. In einer solchen Schaß. kammer aber findet man nichts, als

Disjecti membra Poëtæ. Hor.

die verstümmelten Glieder eines zerrissenen Poeten; die nunmehr dasjenige nicht mehr sind, was sie an ihrem rechten Orte gewesen. Wie kann also ein Ausdruck, außer seiner rechten Stelle, seine Anmuth und seinen Nachdruck behalten?

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28. §. Nun muß ich auch auf die Wortspiele kommen, die vorzeiten überall so beliebt gewesen; zu unsern Zeiten aber ganz lächerlich geworden. Wenn ich durch ein Wortspiel eine jede Wiederholung eines Wortes oder einer Sylbe verstehen wollte, so würde ich in der That viele poetische Schön. heiten verwerfen müssen. 3. E. Wenn Flemming auf der 129. S. schreibt:

Wohl dem, der so verdirbt:

Wer eh stirbt, als er stirbt, der stirbt nicht, wenn er stirbt. So kann ich dieses unmöglich ein verwerfliches Wortspiel nennen. Denn der Poet hat lauter wahre und wohlgegründete Gedanken im Kopfe, die er am allerbesten auf diese Art aus, zudrücken dachte. Es ist wahr, daß das Wort sterben hier in dreyerley Bedeutung genommen wird. Denn che sters ben, als man stirbt; das heißt eigentlich, seinen Lüsten abfagen, und die Welt verschmähen, ehe noch die Seele vom Leibe getrennet wird. Und nicht sterben, wenn man stirbt, heißt so viel, als in der Welt in gutem Andenken bleiben, ja auch der Seelen nach ewig leben; wenn man gleich dem Körper nach, entseelet worden. Also könnte man freylich hier sagen, der Poet hätte mit dem Worte sterben gespielet, und es bald in eigentlichem, bald in verblümten Verstande genommen. Allein geseßt, daß man dieses ein Wortspiel heißen wollte, welches denn eine willkührliche Sache ist: so könnte es doch kein verwerfliches Wortspiel heißen. Denn der Gedanken in der ganzen Zeile ist richtig, deutlich und auf eine sinnreiche Art ausgedrückt. Man hätte ihn weder fürzer fassen, noch dem Leser in so wenigen Sylben mehr gute Betrachtungen veranlassen können. Alle Bedeutungen, die endlich das Wort stirbt, bekömmt, sind gewöhnlich; und der Leser darf sich also keine Gewalt thun, einen unerhörten Sinn desselben zu errathen.

29. §.

29. §. Ganz anders wird es sich, meines Erachtens, ben folgenden Proben von Wortspielen verhalten, die ich aus eben dem Poeten nehmen will. Er sezt z. E.

367. S. Schaffet, daß sich selbsten müssen
Die geküßten Küsse küssen.

386. S. Frey ist freyen, wie es heißt,
Frey will seyn ein freyer Geist,
Freyt denn! freyer nach Belieben 20.

393. S. Als der gute Tityrus

Denen kaum erwachten Schläfern,
Seinen treuen dreyen Schäfern,
Brachte seinen lieben Gruß.

Hier glaube ich nun, wird wohl ein jeder begreifen, daß diese Wortspiele nichts als leere Schellen sind, die nur im Gehöre klingen, dem Verstande aber keinen neuen Gedanken ver. anlassen. Denn was soll es heißen, daß sich die geküßten Küsse küssen? Ein Kuß kann ja nicht gefüßt werden, weil er im Küssen erst entsteht, und sogleich aufhört zu seyn. Vielweniger kann er selber küssen. Dieses sind also Tône ohne Sinn. Und was hat das Freyseyn mit dem freyen zu thun? Wenn gleich das eine Wort von dem andern abstammete; so wåre es doch noch kein Grund, das Freyen aller Kinder ihrer Willkühr zu überlassen. In allen diesen Wiederholungen ähnlicher Worte steckt weiter nichts, als die Gleichheit des Tones, die so leicht einen Ekel, als Wohlklang erwecken kann. Das dritte Erempel ist vollends eine sehr läppische Art des Spieles. Ein Buchstab soll durch seine Aehnlichkeit mit dem andern der ganzen Zeile eine vermeynte Schönheit geben. Die obigen Spiele sind mir also eben so lächerlich, als folgende Misgeburt eines Pegnißschäfers vors gekommen:

Ihr Matten voll Schatten, begrafete Wasen,
Ihr nårbigt und färbigt geblümete Rasen,

Ihr buntlichen Sternen,

Ihr Felderlaternen,

Hört wieder die Lieder von Schäferschalmeyen :c.

Ihr trågen Goldbächlein, ihr hellen Glasquellen,
Ihr schwellende Wällen, ihr Silberfluthzellen,
Ihr Pegnißnajaden

In fumpfigten Pfaden,

Nehmt dieses, nehmt hiesig erneurende Lieder 2c.

30. §. Es giebt noch eine Art der Wortspiele, darauf fich gewisse Leute Wunder was einbilden. Es sind die Anspielungen auf Namen, wo ich so reden darf; dabey sie einen besondern Wig zu bezeigen vermeynen. Flemming hat es uns auch an solchen Erempeln nicht fehlen lassen, welche ich, der Hochachtung unbeschadet, die ich sonst gegen ihn habe, zu dem Ende anführe, damit man sehe: wie sich auch Leute, denen es an Wig und Geist sonst nicht fehlet, in dergleichen Kleinigkeiten verlieben können. Auf der 364. S. steht ein Lied auf eine Hochzeit Johann Weinmanns, mit Magd. Wasserführerinn. Da heißt nun eine Strophe: Schöne Braut, gedenkt zurücke,

Und erwegt des Himmels Gunst,
Der euch, helfe Gott zu Glücke!
Einen Weinmann, eure Brunst,
Einen Weinmann, der euch liebet,
Für den Wasserführer giebet.

Welch eine Wohlthat Gottes! einen Mann zu bekommen, der vom Weine den Namen hat; nachdem man einen verloh ren, der ihn vom Wasser herleitete. Ohne Zweifel wird die gute Frau bey dem ersten lauter Wasser, und beym andern lauter Wein getrunken haben. Die 17te Ode in seinem III. Buche ist auf Nicl. von Höveln und Elis. Niehusens Hochzeit gemacht, und darinnen spielt er so unsauber:

Höfelt euer neues Haus,
Brautgam, aus c.

Dieses läuft nun gar wider die Ehrbarkeit, wird aber von schmußigen Versmachern desto lieber nachgemacht. In der 19ten Ode desselben Buches, auf Dan. Glåsers und Mar. Reimininn Hochzeit, steht folgende lehte Strophe:

Brau,

Braut, gedenket unterdessen,
Daß an euch was gläserns ist,
Bråutgam, thut auch nicht vergessen,
Was ihr nun fort reimen müßt.
Daß ihr mögt nach kurzen Tagen
Neue Reim und Glåser tragen.

31. §. Wer nun in allen dergleichen Kindereyen Schönheiten zu sehen meynet, dem kann man seinen Geschmack wohl lassen: aber wer etwas wahres und gründliches dem scheinbaren vorziehen will und kann, der wird besser thun, wenn er alle diese Klapperwerke sorgfältig vermeidet. Die Erempel großer Leute, die sich zuweilen auf diese Art vergangen haben, machens nicht aus. Man hat freylich in Virgils Schäfergedichten eins gefunden:

Dic, quibus in terris, et eris mihi magnus Apollo, Tres pateat CAELI fpatium, non amplius ulnas? Dieses Räthsel besteht bloß in der Zweydeutigkeit des Wortes cæli, welches entweder von Calius herkommt, und also das Grab eines gewissen Cælii zu verstehen giebt: oder von Cælum ein Abfall ist, und also die Breite des Himmels andeutet. Allein der Poet kann leicht damit entschuldiget werden, daß er sein Räthsel in den Mund eines einfältigen Hirten legt, der auf dem Dorfe leicht etwas für schön halten konnte, was doch Virgil selbst für was schlechtes hielt. Nur wäre es zu wünschen, daß Martial und andere neuere Verfasser von Sinngedichten, als z. E. Oven sich nicht ohne folchen Vorwand, in eben diese Spielwerke verliebet hätten. Ihre Gedichte wimmeln aber von solchen Einfällen, und gefallen mittelmäßigen Köpfen oft darum, warum sie ihnen misfallen sollten. Ja junge Lute ahmen oft diesem falschen Wige desto lieber nach, je leichter er ihnen fällt, wenn sie noch keinen bessern Vorrath guter Gedanken haben.

32. §. Von Opigen und andern Poeten unsers Vater landes, darf man mir also destoweniger einen Einwurf machen. Ich weis wohl, daß sie sich zuweilen von dem verderbten Geschmacke ihrer Zeiten, gleichsam wider ihren

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