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Philosophie schon deshalb preisen, weil ste der Wahrheit nicht gewiß werden zu können versichert.

Auf dem Standpunct der Meinung kommt es da= rauf an, die wahre von der falschen zu unterscheiden. Diesen Unterschied soll die formale Logik bewirken. Sie wird als eine Kunst zu Hülfe genommen, den Irrthum durch die Richtigkeit der Bildung der Begriffe, Urtheile und Schlüsse abzuwehren. Allein der Inhalt dieser Formen bleibt außer ihnen. Der lette Grund der Entscheidung bleibt subjectiv, denn wie Aristoteles fagte, ὁ συλλόγισμος οὐ ποιήσει ἐπιστήμην. Die logische Reinlichkeit und Genauigkeit des Begründens hilft insofern gar nichts, denn zulegt hängt Alles von der Meinung des Subjects ab, welchen Grund es als den nothwendigen annehmen will. Somit haben wir hier nur eine Wiederholung des vorigen Standpunctes mit der Täuschung, welche sich der Dogmatismus der Meinung durch ihn bereitet.

Die geschichtliche Verwirklichung dieses Standpunctes ist die Logik der Stoiker. Sie sollen vier Allgemeinbe• griffe angenommen haben: τὸ ὑποκείμενον, τὸ ποιόν, τὸ πῶς ἔχον, τὸ πρός τί πως ἔχον. Sidjts folte, für wahr gelten, was nicht auf ein voytóv bezogen wäre; allein diese Beziehung blieb eben formal und das Concrete sollte immer ein durch die Körper sinnlich vermittelter Eindruck sein, deffen Wahrheit von der logischen Operation an sich unabhängig ist. Eine sehr reichhaltige Zusammenstellung der wichtigsten Zeugnisse der Alten

über die stoische Logik geben Ritter und Preller in der: Historiae Philosophia Graeco-Romanae ex fontium locis contexta, 1838, p. 357-65. Eine scharfe Kritik der stoischen Logik gibt Sertus Empirikus; unter den Neueren' Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, II. 449-52. Die Uebereinstimmung der Vernunftallgemeinheiten mit dem durch den sinnlichen Eindruck gegebenen Inhalt soll sein, wird aber nicht durch den Inhalt oder die Förm, sondern durch den Weisen bestimmt und bleibt daher in ihrer Wahrheit problematisch, eine bloße Meinung. Eine zusammenhängende Beschreibung der gesammten stoischen Logik findet sich bei Diogenes von Laërte. Sie lautet, Deutsche Uebersehung, Leipzig 1806, S. 273. folgendermaaßen:

„Die Dialektik wird eingetheilt in den Topus der bezeichneten Dinge und in jenen des Zeichens. Der Topus der bezeichneten Dinge wird wieder untergetheilt in die Form der Vorstellungen, und der auf ihnen be= ruhenden durch die Rede ausgedrückten Ariomen, die an fich selbst vollständig sind, und der Kategorien und des Aehnlichen, nach der geraden oder Seitenverwandtschaft der Geschlechter und der Gattungen. Ingleichen in den Topus von den Redensarten, Tropen und Syllogismen, und der falschen Schlüsse aus den Worten und den Sachen; wann die Rede falsch oder wahr oder verneinend ist; und die Kettenschlüsse, und andere von der Art, mangelhafte und zweifelhafte, richtig schließende und ver=

von

borgene, gehörnte, auf das Nichts führende oŭtidas, und abmähende. Es ist noch ein eigener Topus der Dialektik, außer dem vorgenannten, über die Sprache selbst, worin die geschriebene Sprache, ʼn èɣɣpáμμæros pový, und einige Theile der Rede abgehandelt werden, und wo von dem Solöcismus und Barbarismus, den Gedichten, von Wortspielen, von der Singstimme, von der Musik, von den Definitionen (nach Einigen) und von den Eintheilungen und den Redensarten gehan= delt wird. Sie behaupten, daß die Lehre von den Shllogismen von dem größten Nußen sei; denn er äußere eine demonstrative Kraft, trage Vieles zur Berichtigung der Lehrsäge bei, befördere durch die Zusammenstellung der Begriffe die Ordnung und komme dem Gedächtniß zu Hülfe. Die Rede selbst ist die Zusammenstellung der Gedanken- und Schlüsse, daraus auch der Syllogismus oder die schlußförmige Rede besteht. Der Beweis ist eine Rede, welche aus dem Mehrbegreiflichen das Minderbegreifliche in allen Dingen darthut. Die Phantasie aber ist ein Eindruck in der Seele, eigentlich eine Benennung, die von den Figuren hergenommen ist, welche in das Wachs mit dem Ringe eingedrückt werden. Eine Art der Phantaste ist diejenige, welche die Eindrücke aufnimmt, die xaraλyatıný. Die andere Art kann selbst nicht begriffen werden, dxaτáλyrτov. Die aufnehmende, welche bei ihnen ein Kriterium der Dinge ist, äußert sich in einem wirklichen Wesen nach seiner eigenen Beschaffenheit; die nicht begriffen wird ist diejenige, die

nicht in einem wirklichen Wesen besteht; oder nicht aus seiner besondern Beschaffenheit herrührt. Die Dialektik selbst ist nothwendig und eine Fertigkeit, die noch andere Arten von Fertigkeiten und Vorzügen enthält: als die Sicherung gegen Irrthum; die Wissenschaft, wo man einwilligen soll oder nicht; die Entwickelung des Wahrscheinlichen, als ein mächtiger Grund in Beziehung des Wahrscheinlichen, um nicht davon getäuscht zu wer den; die Festigkeit, jene Kraft der Vernunft, um nicht durch sie in das andere Extrem geführt zu werden; Sicherung gegen eitlen Schein, eine Fähigkeit, welche die Phantasien auf die richtige Vernunft zurückführt. Die Wissenschaft, ¿ñiotýun, selbst nennen sie entweder eine gewisse Einsicht, oder einen Zustand, der in der Aufnehmung der Vorstellungen nicht von der Vernunft abweicht. Ohne die dialektische Theorie könne sich auch ein Weiser nicht verwahren, daß er nicht wider die Vernunft anstoße. Denn durch ste lernt man das Wahre und Falsche unterscheiden, und das Wahrscheinliche und das zweideutig Gesagte leicht entdecken. Ohne sie sei es nicht möglich, ordentlich zu fragen und zu antworten. Die Kühnheit der Widersprüche erstrecke sich auch auf geschehene Dinge, so daß diejenigen in Ungereimtheit und Nichtigkeit verfallen, welche keine geübte Phantasie haben. Auch könne auf keine andere Art ein Weiser sein, überlegt und unwiderlegbar in seinen Vorträgen erscheinen. Denn seine Sache ist es, richtig zu reden und zu denken; über jeden vorgelegten Gegenstand zu

disseriren und auf vorgelegte Fragen zu antworten, welches Alles die Sache eines in der Dialektik geübten Mannes ist. Dieses ist nun, was ihnen in den logischen Wissenschaften die Hauptstücke zu sein schienen.“ Einen sehr ähnlichen Standpunct nahmen viele Logiken ein, welche aus dem Wolfischen System weiterstrebten, 3. B. Rüdiger: de sensu veri ac falsi; besonders aber Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverlässigkeit der menschlichen Erkenntniß, Leipzig 1747.

2) Die skeptische Logik.

Der Dogmatismus ist das Prius des Skepticismus. Zwar spricht man nicht selten so, als wär' er das Erste im Erkennen, allein irrig, denn nirgends ist das Nichts das Erste. Das System der Wissenschaft kann nicht mit dem Begriff des Nichts, nur mit dem des Seins anfangen. Der Zweifel muß Etwas haben, worauf er fich bezieht, welches Etwas, nachdem er alles Andere angezweifelt, zulezt er selbst ist. Er ist die Gewalt, welche die Freiheit des denkenden Subjects allem möglichen Inhalt anzuthun vermag. Federleicht schnellt er ihn in die Höhe und stellt ihn, wär' er auch der gewichtigste, in Frage. In Ansehung der objectiven Bestimmtheit ist er daher nur eine negative Macht, weshalb der Dogmatismus ihn in ähnlicher Weise fürchtet, wie die Vorstellung das reine Denken. Die Meinung sieht ihre Ruhe, ihre kritiklose Behaglichkeit durch ihn gestört und verfolgt ihn daher mit ihrem Haß; sie erweckt Zweifel am Zwei

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