Page images
PDF
EPUB

der reinen Vernunft einen Nihilismus seines Inhalts überhaupt; das reine Denken begreift diese Angst sehr wohl, namentlich bei den Theologen, sofern sie den ideellen, absoluten Gehalt einer Vorstellung nicht von dessen Form zu sondern vermögen. Es vermag eben deswegen für die Eine endliche Form der Vorstellung aus seiner Freiheit zehn andere zu erschaffen; das Hinderniß ihrer Aufnahme ist dann gewöhnlich das Habituell gewor densein gerade dieser Form der Phantasie, die als einmal sanctionirte für die Vorstellung mit der Sache selbst schon verwachsen ist.

Jedoch ist zu bemerken, daß selbst im reinen Denken die Wissenschaft der Natur und der Kunst, da ihre Form wesentlich sinnlich ist, sich vom Schema der Einbildungskraft nicht lossagen können und es daher auch nicht sollen, während die Logik, Psychologie, Ethik und rationelle Theologie sich allerdings im reinen Denken bewegen können. Wenn man daher sogar für die Logik die Abhängigkeit von der Anschauung behauptet hat, so ist dies ein Mißverstand der nur von sich abhängigen Selbstbestimmung des reinen Denkens. Trendelnburg hat 1840: Logische Untersuchungen in zwei Bänden herausgegeben, welche die Unmöglichkeit des reinen Denkens und die Bedingtheit aller Dialektik durch die Anschauung der Bewegung beweisen sollten. Weil diese Arbeit mit vieler Gelehrsamkeit, mit dem Scharfsinn für Detailbestimmungen und vor Allem mit einer durchgängigen Polemik gegen Hegels Logik und

[ocr errors]

deren vermeintliche Anmaaßungen verfaßt war, hatte sie eine Zeitlang den Ruf erhalten, Hegel's Logik widerlegt zu haben. Dies ist aber ein Irrthum, denn ein Standpunct, der noch unter dem der Transcendentallogik steht, kann wohl nicht die consequente Vollendung derselben überwinden. Etwas Anderes aber ist Hegel's Logik

nicht.

Die phänomenologische Logik begreift das Verhältniß, in welchem das Erkennen des Subjects zu dem Object steht; die dianoiologische das Verhältniß, in welchem das Erkennen zu sich selbst nach den verschiedenen Formen steht, worin es sich seinen Inhalt vergegenwärtigt. Sie gestaltet sich daher:

1, zur formalen Logik d. h. zu derjenigen, welche die Formen des subjectiven Denkens als Begriff, Urtheil und Schluß untersucht;

2, zur alethiologischen Logik, welche das Verhältniß des Erkennens als das der Gewißheit zur Wahrheit entwickelt; und

3, zur methodologischen, welche die Vergewifferung der Wahrheit durch die Bestimmtheit der Form des Erkennens zu sichern bemühet ist. Die Methode ent hält eben sowohl das Moment der bestimmten logischen Form, als der Beziehung des Begriffs auf seinen Werth für die Gewißheit der Wahrheit. Subjectiv genommen ist im Denken die Täuschung möglich, eine Allgemeinheit für nothwendig und eine Nothwendigkeit für allgemein zu halten, ohne daß dies der Sache nach der

Fall zu sein braucht. Das methodische Denken soll da= durch vor solchen Täuschungen so viel möglich

[ocr errors]

schüßen, daß es den Begriff der Vermittelung der Ge= wißheit der Wahrheit, den Begriff des Wissens überhaupt lebendig erhält, um an demselben die Realität des Erkennens zu messen, obwohl in der Philosophie auch die beste Methode, d. H. diejenige, welche den Gang der Sache selbst zu gehen bemüht ist, nicht im Mindesten vor Jrrthum und Selbstbetrug sichert.

1. Die formale Logik.

Formale Logik nennen wir gegenwärtig die ge= wöhnliche Logik, die Logik der Schulen, welche lehrt, daß das Denken ein Vermögen des menschlichen Geistes sei, das in seinen Functionen sich den Gesezen unterwerfen müsse, welche ihm für das Bilden von Begriffen, für das Fällen von Urtheilen, für das Ziehen von Schlüssen einwohnen. Formal nennen wir sie, weil ste darauf reflectirt, daß jeder anderweite Inhalt der Intelligenz ́nothwendig in diesen Formen gedacht werden müsse, diese Formen selbst aber für sich keinen weiteren Inhalt hätten.

Diese Logik ist nun im Grunde auch jezt noch die Aristotelische, wie sie in den Schriften des soge= nannten Organons vorliegt. Den Namen der Logik hat Aristoteles noch nicht in technischem Sinn gebraucht; dies soll zuerst von Xenokrates, dem Nachfolger des

Speusippos in der Platonischen Akademie, geschehen sein. Man muß sich bei Ariftoteles keine Darstellung der Los gif im heutigen Sinn eines in vielfache Abtheilungen zerlegten Lehrgebäudes, sondern ein freies Untersuchen vorstellen, welches aus der tiefsten und umfaffendsten Erkenntniß heraus mit dem Einzelnen wenig Umstände macht und überall medias in res geht. In dieser Freiheit und Fülle liegt es nun auch, daß er so wenig, als Platon, einer als unabänderlich firirten Terminologie «anhängt, sondern für denselben Begriff die mannichfachsten Wendungen erfindet, wodurch er ein für Streitigkeiten so fruchtbarer Schriftsteller geworden. Der Ursprünglichkeit seiner Bestimmungen wegen wollen wir an die wichtigsten derselben erinnern. Bewußt oder unbewußt herrschen sie noch immer in den Compendien und man darf behaupten, daß dieselben um so besser sind, je mehr ste noch von dem wirklichen Aristoteles in sich haben. Die formale Logik ist der Inhalt, des Schriftchens von den Kategorien, das am meisten benugt worden ist und einen unermeßlichen Einfluß auf die ganze Europäische Bildung gewonnen hat; 2) des Büchelchens nepi Epuεvelas und 3, der vorderen Analytiken; denn die hinteren Analytiken betrachten den wissenschaftlichen Beweis, welcher die Form nur in ihrer Einheit mit dem Inhalt entwickelt und daher einem höheren Standpunct angehört. Von diesem zweiten Theil, der in seinen Ausgängen wesentlich metaphysisch wird, nehmen denn auch die Logiken in der Regel keine Notiz.

-

selbst aber werden ihm noch auf einer höheren, ja auf der höchsten Stufe der Gestaltung der Logik begegnen.

Wir haben in der neueren Zeit mehrfache Hülfsmittel zum Studium der Aristotelischen Logik bekommen. Die Kategorien sind mehrfach monographisch behandelt worden. Eine gründliche Darstellung der gesammten Logik und Metaphysik gab Franz Biese im ersten Bande seines Werkes: die Philosophie des Aristoteles in ihrem inneren Zusammenhange mit besonderer Berücksichtigung des philosophischen Sprachgebrauchs, Berlin 1835. Für die Schulen gab Fr. Ad. Trendelnburg: Elementa Logices Aristotelicae, Berolini 1836, Text, Uebersehung und Commentar; später 1842 auch Deutsche Erläuterungen zu den Elementen der Aristotelischen Logik. Der Gedanke Trendelnburgs ist vortrefflich, den Gymnasialunterricht in der Logik an das Originalwerk derselben anzuknüpfen. Pädagogisch genommen ließe sich jedoch gegen seine Ausführung vielleicht Manches erinnern. Zuerst, ob nicht die Excerpte äußerlich einer übersichtlicheren Classification zu unterwerfen wären, um die Kategorien, den grammatischen Sag, den Begriff des Begriffs, das Urtheil, den Schluß, die Schemata des Schlusses, die Fehler im Schließen, die Definition, Eintheilung und den Beweis sogleich auseinanderzuhalten, während gegenwärtig bei Trendelnburg nur das Continuum einer compacten Masse erscheint. Sodann bliebe die Lateinische Uebersezung wohl am besten ganz weg; der Lateinische Commentar aber könnte weniger gelehrt

« PreviousContinue »