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Daß die Unsterblichkeit ihm gar nicht fehlen kann;
Der als ein Erdenschwamm sich kaum hervorgethan,
Und den sonst anders nichts vom Pöbel unterscheidet,
Als daß ein blöder Fürst ihn an der Seite leidet:
Da er für jedes Loth, das ihm an Tugend fehlt,
Ein Pfund des eiteln Glücks und schnöden Goldes zählt.
Canitz Sat. von der Poesie.

22. S. So groß nun die Niederträchtigkeit der Schmåuchler ist; eben so groß ist die Bosheit der Lästerer. Jene wollen das Laster zur Tugend, wie diese die Tugend zum Laster. machen. Sie folgen nicht der Billigkeit und Vernunft in Beurtheilung der menschlichen Eigenschaften; sondern ihrem Neide, ihrer Rachgier, oder wohl gar eigennüßigen Absichten; wenn sie nåmlich ihre Feder zum Dienste neidischer oder rachgieriger Leute misbrauchen. Sie werden dadurch Tagelöhner der Bosheit, und Feinde der Tugend; wiewohl sie felten im Stande sind, derselben wirklich zu schaden. Es ist ein ganz ander Werk mit der satirischen Poesie. Diese ist die Frucht einer gründlichen Sittenlehre, und hat ordent= lich die Liebe der Tugend zur Mutter, und den Haß der Laster zum Vater. Die wahre Satire greift also nicht unschuldige, sondern schuldige Leute an: ja sie strafet das Böse an sich, ohne die Personen, die es an sich haben, zu nennen, oder auf eine anzügliche Urt zu beschimpfen. Eben der 50mer, der ein so herrliches Talent zum loben gehabt, hat auch, nach Aristorels Berichte, auf einen gewissen Margites eine Satire gemacht: der weder ein Uckersmann, noch ein Winzer, noch ein Schäfer, das ist, gar kein nüßliches Glied der menschlichen Gesellschaft war. Denn auf diese drey Lebensarten legte sich, bey der damaligen Einfalt der Welt, alles, was sein Brodt ehrlich erwerben wollte. Ein Mensch also, der keines von allen trieb, war ein Müßiggånger, und verdiente freylich wohl eine Satire. Daß ein alter König der Deutschen befohlen, auf die Lasterhaften gewisse satirische Lieder zu machen; ist in dem vorigen Hauptstücke erinnert $2

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worden. Und also ist es gewiß, daß man die wahre Satire mit gottlosen Pasquillen oder Lästerschriften nicht zu vermischen habe. Jene ist die Seele aller Komödien, die doch in so vielen wohlbestellten Republiken, nicht ohne großen Nußen geduldet, ja auf gemeine Kosten gespielet worden : diese aber sind Stifterinnen unzähliches Unheils; weswegen sie auch durch die Geseße der Obrigkeit allezeit verbothen und scharf bestrafet worden. Rachel hat, im Schlusse seiner Satire vom Poeten, beyde sehr wohl unterschieden, welche Stelle ich hersehen, und dadurch dieß Hauptstück beschließen will:

Zuweilen fißet er, hält der Vernunft entgegen
Die Laster seiner Zeit, die irgend sich erregen;

Schont aller Menschen zwar, doch keiner Thorheit nicht:
Und ob sein Urtheil selbst ihm ins Gewissen spricht,
So schweigt er mit Geduld, beseufzt die bösen Thaten,
So kann die Wahrheit ihm zum höchsten Heil gerathen,
Ist dieser Eßig scharf, so ist er doch gesund,

Und beißt das faule Fleisch heraus bis auf den Grund.
Gleichwie Machaon brennt und heilt mit klugen Hånden:
So mag auch ein Poet zwar strafen, doch nicht schånden.
Und wer denn solchen Mann zu den Verläumdern schreibt,
Der wisse, daß ihn selbst der Erzverlåumder treibt.
Es ist Poetenwerk, mit fremden Namen spielen,
Und dergestalt mit Glimpf auf wahre Laster zielen.
Nimmt aber jemand selbst sich solcher Laster an:
Wer ist in aller Welt, der solches åndern kann?
Hat jemand Codrus Art, der mag den Namen erben:
Wer Hirsenpfriemer ist, mag Hirsenpfriemer sterben.
Wenn beym Horatius einmal geschrieben steht:
Gorgon stinkt wie ein Bock, Ruffin reucht nach Zibeth;
Da kann es ja gleich viel dem guten Dichter gelten,
Wer will, mag sich Gorgon; wer will, Ruffinus schelten.
Ein Frommer eifert nicht, sein Herz das spricht ihn los:
Wer schuldig ist, der schreyt, und giebt sich selber bloß.
Wen sein Gewissen beißt, mag seine Thorheit hassen.
Hab ich den Geck erzürnt? Ich kann es noch nicht lassen.
Ich biethe rechten Truß, dem, der mir solches wehrt:
Wer. Laster straft, der hat die Tugend recht gelehrt.

23. §.

23. §. Ich weis nicht, ob ich zum Beschlusse noch eine gute Eigenschaft eines Dichters beybringen foll: weil es beynahe eine Schande ist, sie namhaft zu machen, da sie sich eigentlich von sich selbst verstehen sollte. Es ist diese, daß ein guter Dichter, auch seine Sprache recht verstehen, und nicht nur ohne Fehler, sondern in der größten Vollkommenheit schreiben solle. Es würde ganz überflüßig seyn, dieses zu erinnern, wenn sich nicht seit einiger Zeit solche Sprachverderber gefunden håtten, die durch ihr Erempel, ja wohl gar durch ausdrückliche Regeln, die seltsame Vorschrift geben: Ein Dichter wäre über alle Regeln der Sprachkunst erhoben. Was für unge= reimtes Zeug dieser abgeschmackte Lehrsaß uns schon hervorgebracht, liegt am Tage. Misgeburten, die dem deutschen Wiße Schande machen, und dem Gehirne, dars aus sie entsprossen, ähnlich sehen, verkehren auch noch die Sprache; und zwar unter dem schönen Vorwande: daß man schönen Gedanken zu liebe, die Sprachkunst beyseite sehen müsse. Ein so lächerliches Vorurtheil zu widerlegen, würde überflüßig seyn, da es gewiß einen armseligen Wig verråth, wenn man seine Einfälle nicht ohne Sprachschnißer zu Markte bringen kann. Ich will also nur des Boileau Machtspruch anführen, der auf eben diese Sprachrichtigkeit gedrungen, und sie seinen Schülern folgendergestalt eingeschärfet hat:

Sur tout, qu'en vos Ecrits la Langue reverée

Dans vos plus grands Exces Vous foit toujors facrée!
En vain vous me frappes d'un Son melodieux,
Si le Terme eft impropre ou le Tour vicieux.
Mon Esprit n'admet point un pompeux Solecisme;
Ni d'un Vers empoulé l'orgueilleux Barbarisme.
Sans la Langue, en un mot, l'Auteur le plus divin
Eft toujours, quoi qu'il faffe, un mechant Ecrivain.

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Das III. Hauptstück.

Vom guten Geschmacke eines
Poeten.

1. §.

b es gleich scheint, daß ich im vorigen alle gute Eigenschaften eines wahren Poeten erzählet habe: so ist doch noch etwas von großer Wichtigkeit übrig, daß ich in einem besondern Hauptstücke abhandeln will. Es ist in den neuern Zeiten sehr viel vom guten Geschmacke geredet und geschrieben worden. Man hat ihn gewissen Dichtern zugestanden, andern aber abgesprochen; und endlich gar die Regel gemacht: Ein Poet müsse einen guten Geschmack haben. Diese Regel nun deutlich zu erklären, und zu erweisen, das ist meine Absicht in diesem Hauptstücke.

2. §. Ich will mich hier nicht in die historische Unterfuchung einlassen, wenn und wo das Wort Geschmack zuerst in dieser neuen Bedeutung angenommen worden. Das haben schon andre vor mir gethan, deren Schriften ich mit Vergnůgen und Vortheil gelesen habe. Ich weis auch, daß in Frankreich nur neulich der Pater Dubose und Herr Rollin verschiedene Streitigkeiten darüber gehabt. Man kann diese Redensart nunmehr für eine bekannte und völlig einge= führte halten; und man darf sichs nur angelegen seyn lassen, fie im rechten Verstande zu gebrauchen. Diesen aber zu bestimmen, das ist nicht eines jeden Werk. Wem es damit' gelingen foll, der muß erstlich die Kräfte der menschlichen Seelen, und sonderlich die Wirkungen des empfindenden und urtheilenden Verstandes aus der Weltweisheit verstehen. Hernach muß er eine Fertigkeit in der Vernunftlehre besißen: so, daß er fähig ist, sich von jedem vorkommenden Dinge und Ausdrucke, nach logischen Regeln, eine gute Erklärung

zu

zu machen. Endlich muß er sich auch in der Poesie, oder andern Künsten, davon etwa die Rede ist, wohl geübet haben. Ohne diese drey Stücke, wird die Beschreibung des guten Geschmackes nicht zum besten gerathen können. Da es nun denen Franzosen, die bisher davon geschrieben, entweder an zweyen, oder doch zum wenigsten an einem von diesen dreyen Stücken gefehlet hat: so ist es auch kein Wunder, daß sie weder mit einander eins worden, noch uns Deutschen ein besseres Licht haben anzünden können. Unfre Landesleute haben die Sache mit viel größerer Geschicklichkeit angegriffen; und sie eben deswegen auch weit gründlicher auszuführen vermocht.

3. §. Zum ersten sehe ich zum voraus, der Geschmack, im gemeinen und eigentlichen Verstande, sey die Fähigkeit, oder die Gabe unserer Zunge, die verschiedenen Wirkungen zu empfinden, die von Speise und Trank auf derselben vers ursachet werden, wenn sie davon sattsam berühret und durchdrungen worden. Unfre Sinne, in so weit sie körperlichen Gliedmaßen zukommen, sind nichts als Leidenschaften; und empfangen also nur die Eindrückungen, der außer uns befindlichen Dinge. Daher eigne ich auch der Zunge bloß die Fähigkeit zu empfinden zu, welche nur was Leidendes ist; da hergegen eine Kraft etwas Thätiges angezeiget hätte. Diese habe ich für den Geschmack auf behalten, in so weit er in der Seele ist: den ich also eine Kraft des Gemüthes nenne, vermöge welcher dasselbe, die von Speise und Trank in den schwammigten Fåserchen der Zunge verursachten Veränderungen, sich vorstellen, und ihren Unterscheid beurtheilen kann.

4. §. Man wird mir ferner leicht einräumen, daß die Begriffe und Vorstellungen, welche wir uns von dem befondern Geschmacke verschiedener Speisen machen, bey aller ihrer Klarheit, dennoch nichts deutliches in sich haben. Wir find bey gesunden Tagen gar wohl im Stande, daß Süße vom Bittern, das Saure von dem Herben u. s. w. zu unterscheiden, und jedes mit seinem Namen zu nennen: und also find die Begriffe von diesen Wörtern bey uns nicht dunkel.

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