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Herrn

Professor Dr. KARL LUCE

in dankbarer Gesinnung.

Bei der vorliegenden Ausgabe habe ich zunächst an den Gebrauch in Vorlesungen gedacht, ohne gleichwohl ein Privatstudium ausschliessen zu wollen. Eine eingehende Darstellung der historischen Grammatik scheint auf den Jünger der Französischen Philologie grössere Anziehung auszuüben und auf gedeihlichern Boden zu fallen, wenn ihm die Altfranzösischen Sprachformen nicht ganz unbekannt sind, und die Lectüre eines kleinern Textes dem Studium der Grammatik vorausging. Eine Ausgabe aber, die auf den Anfänger Rücksicht nähme, ist, wie ich glaube, ein Desideratum.

Die Novelle von Aucassin und Nicolete erscheint hier nicht zum ersten Male im Druck. Aber über diese Geschichte ist nun einmal der ganze Duft des Minnelebens ausgegossen. Im Märchentone so wahr und so warm zu erzählen, den schelmischsten Humor mit solcher Treuherzigkeit vorzubringen, die thörichtste Liebe mit solcher Lebenswahrheit zu schildern, dürfte selten einem Dichter gleich diesem gelungen sein. Für unsern Helden bildet die Liebe das Medium, durch das allein er noch im Stande ist, die ihn umgebende Welt zu betrachten, so dass kein Lichtstrahl an sein Auge zu dringen vermag, der nicht durch dieses Medium gebrochen und durch die Minne verklärt wäre. Alles wofür sonst Menschenherzen schlagen, Ritterehre und Waffenglanz, Vater und Mutter, Himmel und Hölle verachtet er, so lange nicht Nicolete sein ist, die er so herzlich liebt, und ein Kuss der Nicolete, den ihm sein Vater in Aussicht stellt, genügt, um ihn zu den grössten Heldenthaten hinzureissen. Doch ist der Dichter selbst in der Thorheit seines Helden nicht befangen. Er erzählt mit der ernsthaftesten Stimme von der Welt: wer ihm aber näher tritt, der bemerkt das überlegene Lächeln, das um seine Lippen spielt,' (Hertz.)

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