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Kraft zu Stande gebracht worden, die vor Allem unsern Freund auszeichnete, wohl aber in der Ausführung, Anordnung und in der ganz wunderbaren Architektonik, mit der jede Seite und jeder Raum behandelt, in dem Fleiße, der jedem Winkel des Gebäudes zugewandt ist, in dem einen ebenmäßigen und doch wieder verschiedenen Style, der von der Spiße bis zur Grundlage sich bemerken läßt, und der das Ganze jenen Bauten des Mittelalters an die Seite seßt, die auch auf beschränkten und engen Pläßen errichtet, troß dem durch ihre Erhabenheit von der Umge bung abziehen, und nach ihren Höhen den Sinn zu rich ten wissen. Denn was hat der deutsche Geist nicht alles begründet, oder zu begründen versucht? mit der Schaufel und dem Späten ist man bei uns immer bei der Hand, Risse zu künftigen Gebäuden werden wohl auch verfertigt, und ihre Ausführung dem Enkel, der nicht mehr daran denkt, überlassen, aber selten sind die Gedanken, welche die Abstraktion abschwörend, auch Gestalten werden, selte ner der unermüdliche Geist, der in jede weitergeschrittene Verdichtung seines Stoffes die Frische des Anfangs und den vermehrten Reichthum des durchlaufenen Kreises bringt.

Ein anderer und nicht minder bedeutender Werth der vorliegenden Rechtsphilosophie liegt in der definitiven Aufhebung des Unterschiedes, den die Abstraktion des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts zwischen Staatsrecht

und Politik gemacht hatte. Heut zu Tage verstehen noch Viele unter Staatsrecht, sey es nun positives oder natürliches, das anatomische Skelett der Staatsformen, aus denen das Leben und die Bewegung gewichen, und das, wie es einmal da liegt, durch Betaftung zu erkennen und dem Gedächtniß einzuverleiben ist. Dagegen nennen sie Politik jene bewegtere Staatswissenschaft, die mit der Funktion des Lebens sich über die einzelnen Theile verbreis tet, die daher eine mehr oder minder willkürliche Ausdehnung, je nach den Kräften des Staatslebens, empfangen. Die Politik ist so zu sagen mehr die Physiologie des Staa tes. Dem Alterthum waren diese Abtheilungen und Unterscheidungen unbekannt: es hatte nur mit einem großen Ganzen, mit einer Allgemeinheit zu thun, und die Repu blik des Plato, wie die Politik des Aristoteles, sind Na turrecht und Politik, Principien und lebensvolle Ausfüh rung derselben zugleich. Denn wo der Staat das ganze Leben der Freiheit ist, so daß das Außerstaatliche nur als Barbarei erscheint, können jene Unterscheidungen nur in wendig, nicht aber als ganz besondere Theile und Betrachtungsweisen vorkommen. Erst dem aus den Partiku laritäten des Mittelalters hervortretenden Staate des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mußte es vorbehalten bleiben, in seiner ersten und rohen Beschäftigung mit sich selbst, die einzelnen Unterschiede und Abstraktionen

hervorzuheben, und die Bewegung, die meist auf geschichts
lichem Grunde beruhte, und die Wissenschaft des praktis
schen Staatsmanns war, von den Grundlagen zu trennen,
die unlebendig zusammenschrumpften, und das Erbtheil der
Juristen wurden. Der neuere Staat ist aber, was die
́allgemeine Bedeutung desselben und das Interesse für
seinen Inhalt betrifft, durch eine tausendjährige Geschichte
bereichert, zu dem Standpunkte des Alterthums zurückges
kehrt. Indem er die Wirklichkeit der sittlichen Idee, der
offenbare sittliche Geist geworden, indem er Alles in sich
enthält und bewahrt, was vor ihm nur abstrakt und vers
einzelt auftritt, muß er auch alle Unterscheidungen nur als
feine inwendigen Theile, nicht aber als ihn von außenher
ergreifende erkennen, und was die vergangenen Jahrhun,
derte trennten, muß sich jeht wieder zusammenthun und
organisch auszubilden suchen. Drum ist in dem vorliegens
den Buche nichts ausgelassen worden, was sich auf den.
Staat beziehen könnte; die politischen Fragen sind aus,
führlich behandelt, und sogar die Wissenschaft der Natio
nal-Dekonomie hat in der bürgerlichen Gesellschaft ihre
angemessene Stellung und Abhandlung gefunden.

Ein dritter großartiger, und man kann wohl sagen,
der bedeutendste Werth des gegenwärtigen Buches ist,
daß dem Naturrecht nicht bloß ein Anfang und eine
Grundlegung in einer vorangehenden Wissenschaft, sondern

auch ein Ausfluß und eine Mündung in eine nachfolgende gegeben worden. Die bisherigen Naturrechtslehrer hatten übersehen, daß das Naturrecht nicht bloß aufhört, sondern in etwas aufhört, daß wie es vom Boden des subjektiven Geistes ausgeht, es ebenso in die Weltströmungen der Geschichte hineinfällt, und daß ihm als einer mittleren und verbindenden Disciplin nicht bloß ein abgebrochenes, sondern ein sich bestimmt verlaufendes Ende ertheilt wers den muß. Welches ungeheure Schauspiel ist aber diesem Buche als Schluß beigegeben! Von der Höhe des Staates aus sieht man die einzelnen Staaten, als ebenso viele Flüsse sich in das Weltmeer der Geschichte stürzen, und der kurze Abriß der Entwickelung derselben ist nur die Ahnung der wichtigeren Interessen, die diesem Boden anheimfallen.

Trog allen diesen Vorzügen, trok der granitnen Grundlage, die diesem Baue gegeben worden, troß dem vielvermögenden Griffel, womit die Ausschmückungen ges zeichnet sind, ist man durch Misverstand und falsche Auslegung dazu gekommen, das vorliegende Buch nicht allein dem deutschen Publikum abwendig zu machen und vor demselben zu sekretiren, sondern es als ein serviles zu bes zeichnen, von dessen Grundsähen und Lehren sich jeder freiheitsliebende Mann entfernt halten müsse. Dieses Res fultat hat man nicht etwa durch Auflegung des darin Ent

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haltenen, das sogleich die Unwahrheit kund gegeben hätte, erlangt, sondern hauptsächlich durch Ausstellung eines eins zigen Sages der Vorrede: Was vernünftig ist, „das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist „vernünftig." Dieser Sah, der eigentlich platt aus einandergelegt, wie es sich für die sich Beklagenden ges bührt hätte, nichts sagen will, als daß das wahrhaft Vernünftige, um seiner Natur gemäß zu seyn, sich stets in die Welt einbildet und Gegenwart gewinnt, und daß dasjenige, was in der Welt wahrhaft besteht, auch darin die Rechtfertigung einer ihm inwohnenden Vernünftigkeit trägt, ist nun mit großem Geschrei aufgegriffen und allen Vorübers gehenden als Abmahnung vor dem Eingehen in den Inhalt des Buches vorgezeigt worden. Die meisten dieser Abmahner hatten sich alsdann, um konsequent bei ihrer Lehre zu bleiben, mit dem was weiter das Werk enthielt selbst nichts zu schaffen gemacht. Die aufgewiesene Phrase genügte, um die Lesenden und Unstrebenden abzuschrecken, um die Herantrekenden zu entfernen und um den Eindruck hervor, zubringen, als wenn die Worte der Danteschen Hölle: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate, über dem Buche ges schrieben ständen. Was fand aber der, welcher troß dem Geschrei und seiner zischenden Verbreitung sich näherte und einging? Fand er nicht das ganze Werk aus dem einen Metalle der Freiheit errichtet, fand er irgend einen wider

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