Vorwort. Dieser Neudruck der „Meditationen“ ist der akademi- schen Praxis entsprungen; im Begriffe stehend, den Freunden der Philosophie den Inhalt zu erläutern, stellte sich mir der Mangel einer allen Ansprüchen genügenden Ausgabe heraus. Die kurze Textedition aus dem Jahre 1842 (Berolini, Sump- tibus Gustav Bethge) kommt heute nicht mehr in Betracht; in der Ausgabe zum akademischen Gebrauche" von Sig- mund Barach (Wien 1866, Alfred Hölder) fehlt das charak- teristische Widmungsschreiben Descartes' an die Sorbonne und das Vorwort des Autors an den Leser"; eine Möglich- keit, das lateinische Original mit der ersten französischen Uebersetzung zu vergleichen, war nirgends gegeben. Der von Victor Cousin nach der Uebertragung von René Fedé reproducirte Text weicht von der Uebersetzung des Herzogs von Luynes (Paris, 1647) nicht unerheblich ab. Die Varianten sind für die erste Meditation behufs Ver- gleiches nebeneinander gestellt worden. Da überdiess auch die Originalausgabe vom Jahre 1641 sehr selten geworden ist und weder in den grösseren deutschen Bibliotheken, noch antiquarisch aufzutreiben war, so erschien es mir zweckentsprechend, nach dem in der Pariser National- bibliothek vorhandenen Exemplare, den lateinischen 96904 daneben zu stellen. Diese Uebersetzung erscheint in Deutschland zum ersten Mal. Aus den Objektionen und Responsionen wurden am Ende jeder Meditation die Hauptcontroverspunkte summarisch herausgehoben. Die Anmerkungen sollen zum Nachdenken anregen, ohne den Meinungen anderer Erklärer vorzugreifen. Als die beiden ersten Bogen im Reindrucke vollendet waren, kam mir die neueste französische Ausgabe der Meditationen von Émile Thouverez, Paris, Belin Frères, 1898 zur Hand, welche für den weiteren Vergleich der Orthographie von Nutzen war. Das französische Originalexemplar aus dem Jahre 1647 hat die Universitätsbibliothek zu Göttingen geliehen, wofür ich hier meinen Dank ausspreche; ebenso gebührt der Verlagsbuchhandlung für die Austattung des Ganzen besondere Anerkennung. So möge denn der alte und doch ewig neue Gedankenreichthum dieses unvergleichlichen philosophischen Kunstwerkes", wie es Kuno Fischer nennt, im zwanzigsten Jahrhundert der forschenden Vernunft in demselben Maasse förderlich sein, wie er vor einem Vierteljahrtausend eine neue Epoche des Denkens eingeleitet hat. München, im März 1901. C. Güttler. |