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412194.

Deutscher Dichterwald.

Lyrische Anthologie

von

Beorg Scherer.

Mit vielen Porträts and Illustrationen.

Sechste, vermehrte Auflage.

Stuttgart.

Druck und Verlag von Eduard Hallberger.

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Lucignung.

An H.

Gedenkst Du noch der Sommerzeit
And jener sonnenhellen Stunden,
Die uns in Bergeseinsamkeit

Gleichwie ein holder Traum entschwunden ?
Der Tage, da im Fischerkahn

Bir fuhren durch des Alpsees Bogen,
And Deinem süßen Sang der Schwan
In scheuer Ferne nachgezogen?

And wie hinab zur düstern Schlucht
Wir fliegen auf verwachs'nen Begen,
Bo sich der Bach in wilder Flucht
Bom Fels uns stürzte kühn entgegen;
Die Blume Dich vom jähen Rand
Mit dunklem Auge schien zu grüßen,
Wenn für Dein Haupt ich Kränze wand
Auf moos'gem Stein zu Deinen Füßen.

Der Tage, da auf steiler Bahn
Bir manchen Gipfel frisch erklommen,
And Erd' und Himmel ruhen sahn
In duft'ger Ferne sanft verschwommen.
Tief unter uns des Lebens Müh'n
Wie uns die weite Belt entzückte,
Bis spät die Sonn' im Alpenglüh'n
Der Berge schneeige Scheitel schmückte!

Dann wieder: wie Dein kleines Roß, Mit Neg' und Glöckchen rings behangen, Sinauf Dich trug zum alten Schloß, Von Waldeseinsamkeit umfangen.

Als nahte sich ein Elfenzug

Sah scheu das Reh ans dichten Bweigen;
Die Vögel grüßten Dich im Flug,
Es stund der Wald in fiefem Schweigen.

Stets höher schien sein dunkles Dach
Auf mächt'gen Säulen sich zu heben,
Das nur ein Sonnenstrahl durchbrach,
Am zitternd auf dem Moos zu schweben.
Buweilen durch die Stille klang
Herüber von der Bergeshalde

Ein Alphorn, einer Sennin Sang,
Der wieder sich verlor im Walde.

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