Page images
PDF
EPUB

Ob auch mein Geist dein Wesen nicht ergründet,
Das sich geheimnißvoll durch alle Wesen flicht,
So jauchzt mein Herz, wenn Luft die Zunge bindet
Und es mit schaurig ahnendem Gewicht

Den Lebensodem deines Hauchs empfindet:

Du bist mir nah!

Aus Köster's poet. Lit. der Deutschen. S. 786.

§ 26. Madrigal kann jedes Gedichtchen wißigen, zarten oder tändelnden Charakters genannt werden, welches nicht unter sechs und nicht über elf Zeilen mit höchstens drei Reimklängen enthält; doch werden häufig nicht einmal diese laxen Regeln befolgt.

[merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small]

Madrigalenkranz (Madrigali a corona) heißt ein aus madrigal

artigen Strophen bestehendes Gedicht, in dem jede folgende Strophe mit dem Schlußworte der vorhergehenden beginnt.

Einfamkeit.

insam steh' ich in dem stillen Wald:

Nur ein leerer Fleck ist's, nur ein Hau;
Aerte haben hier zulegt geschallt,

Stumpf an Stumpf zu sehen, fahl und grau;
Keine Spur betret'ner Wege,

Nur der Wurm bewegt sich träge;
Vogelstimmen tönen, ach, wie fern!

Vogelstimmen, die ihr tönt so fern,
Lebenszeichen ihr, wo Alles todt,
Owie lauscht mein Ohr euch hier so gern!
Seid ihr Grüße, die die Heimath_bot,
Daß in euren sanften Tönen
Meiner Liebe waches Sehnen
Finde einen holden Wiederhall?

Findet einen holden Wiederhall

Dieses Herzens oft verkannter Trieb,

Weilt dies Herz in Frieden überall,
Diese Einsamkeit selbst wird ihm lieb;
Mehr nicht sucht's mit heißem Streben,
Als ein heimlich, liebes Leben
Für das Beste, was es in sich trägt.

Für das Beste, was er in sich trägt,

Fand mein Geist den schönen Ruheplay
An dem Busen, dessen Herz mir schlägt,
Und dies Herz ist nun sein höchster Schatz,
Das erreichte Ziel des Strebens,

Sein Asyl im Sturm des Lebens

Und sein Frieden in dem stillen Wald.

§ 27. Ein madrigalartiges Liedchen ist häufig auch das Akrostichon, deffen Zeilenanfänge ein Wort oder mehrere Wörter bilden.

[blocks in formation]

B

An die Sonne.

oldne Sonne, komm' auf hellen Schwingen!
Es erwartet dich das stille Thal;

Rauchend wollen Berge Opfer bringen,
Tausend Blumen harren deinem Strahl;
Rufend schlagen hier die Nachtigallen,
Und des Silberbaches Wellen fallen
Dort voll Sehnsucht, jedes Hälmchen spricht:

Eile, eile, schönes Himmelslicht!

T. v. Sternau, Ged. 1851, S. 46.

§ 28. Für poetische Tändeleien, wie sie das Madrigal enthält, hat der Spanier eine leichte Form, welche er Sequidilla nennt. Sie besteht meistens aus vier längeren, oder aus sieben gebrochenen Zeilen, welche nicht durch den Silbenreim, sondern nur durch Assonanz mit einander verbunden sind. Vgl. Geibel: Volkslieder der Spanier. Seite 84, 191.

§ 29.

(Gebrochene Zeilen.)

Dein Garten blühte prächtig

Von rothen Rosen;

Als ich hineingetreten,

Fand ich nur Dornen.

O füßes Leben,

Du hast für Liebe

Nur Leid gegeben.

(Ganze Zeilen.)

Fürwahr, Du bist ein Mörder, liebst Du mich nicht immer!

Denn wenn ich sterbe, sterb' ich um Deinetwillen.

Gieb, Undankbarer,

Das Herz mir wieder, das Du mir nahmest!

Die italienische Vierzeile ist ein Gedichtchen epigrammatischen oder wißigen Inhalts, welches den Ritornellen oder Sequidillen gleicht, ohne an eine bestimmte Form gebunden zu sein.

Jer Frühling ist ein Dichter:

Wohin er blickt, blüht Baum und Strauch;
Der Herbst ein Splitterrichter:

Die Blümlein welken, die berührt sein Hauch.

Was man nicht kann hassen,
Und noch weniger lassen,

urch Schaden wird man klug,
Sagen die klugen Leute.

Schaden litt ich genug,

Doch bin ich ein Thor noch heute.

Herz, da ist kein Mittel geblieben,
Als es von ganzer Seele zu lieben.

Rückert.

§ 30. Den Madrigalen, Sequidilla's und Vierzeilen find auch die portugiesischen Moudinho's ähnlich, deren Charakter hauptsächlich auf der Wiederholung von Wörtern oder ganzen Zeilen in verschiedenem Zusammenhange beruht. Wolff's poetischer Hausschaß des Auslandes, S. 169.

Unter jenen Lorbeerbäumen,
Schön mit grünem Laub geschmückt,
Wurden oft uns Augenblicke,
Reich und selig und beglückt.

Ach, weit mehr als Augenblicke
Sind sie, wenn erfüllt mit Leid;
Weniger als Augenblicke,
Wenn sie voll Glückseligkeit.

Solcher Lärm ist mir verdrießlich,
Und nichts kann so sehr mich ärgern,
Als wenn man von mir erzählet,
Was ich thu', will, bin und sehe.

Keiner schreibe mir doch Briefchen!
Wisset, daß ich keine lese.
Mich verdrießt, wenn man erzählet,
Was ich thu', will, bin und sehe.

31. Aehnliche Wiederholungen bringt auch das aus Spanien stammende Cancion. Es stellt in einer kürzeren Strophe den Hauptgedanken des Gedichtes vorauf, der dann in einigen folgenden Strophen weiter ausgeführt wird. Zu Ende einer jeden Strophe kehren die Endwörter oder doch die Reime der Anfangszeilen wieder. Die Verse sind meistens trochäisch, über die Anzahl und die Reimverschlingung derselben ist indessen Nichts vorge= schrieben, häufig enthalten sie selbst gar keinen Reim, sondern nur Wortwiederholungen.

[blocks in formation]
[blocks in formation]

§ 32. Auch die Dezime ist eine spanische Strophe. Sie besteht aus zehn Versen von vier Trochäen mit zwei bis drei Reimen; das Ende der vierten Zeile fällt mit einem logischen Abschlusse zusammen, aber die dadurch hervorgebrachte Trennung der Strophe wird durch eine Reimverbindung zwischen dem vierten und fünften Verse wieder ausgeglichen. Im Uebrigen ist die Verschlingung der Reime frei, nur muß sie in allen Strophen eines Gedichtes übereinstimmen.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small]

§ 33. Die Glosse ist ein Thema mit dezimenartigen Variationen. Das Thema wird durch eine, einem andern Gedicht entlehnte, vierzeilige Strophe gebildet, und die Variationen (die eigentlichen Gloffen) bestehen aus vier zehnzeiligen Strophen, deren leßte Zeile immer dem Thema entnommen ist, so daß die legten Zeilen der Dezimen das Thema in unveränderter Gestalt wiedergeben. Der Ruhepunkt dieser Zehnzeilen fällt indessen meistens erst an das Ende des fünften Verses. Ueber das Thema von Tied:

« PreviousContinue »