Ob auch mein Geist dein Wesen nicht ergründet, Den Lebensodem deines Hauchs empfindet: Du bist mir nah! Aus Köster's poet. Lit. der Deutschen. S. 786. § 26. Madrigal kann jedes Gedichtchen wißigen, zarten oder tändelnden Charakters genannt werden, welches nicht unter sechs und nicht über elf Zeilen mit höchstens drei Reimklängen enthält; doch werden häufig nicht einmal diese laxen Regeln befolgt. Madrigalenkranz (Madrigali a corona) heißt ein aus madrigal artigen Strophen bestehendes Gedicht, in dem jede folgende Strophe mit dem Schlußworte der vorhergehenden beginnt. Einfamkeit. insam steh' ich in dem stillen Wald: Nur ein leerer Fleck ist's, nur ein Hau; Stumpf an Stumpf zu sehen, fahl und grau; Nur der Wurm bewegt sich träge; Vogelstimmen, die ihr tönt so fern, Findet einen holden Wiederhall Dieses Herzens oft verkannter Trieb, Weilt dies Herz in Frieden überall, Für das Beste, was er in sich trägt, Fand mein Geist den schönen Ruheplay Sein Asyl im Sturm des Lebens Und sein Frieden in dem stillen Wald. § 27. Ein madrigalartiges Liedchen ist häufig auch das Akrostichon, deffen Zeilenanfänge ein Wort oder mehrere Wörter bilden. B An die Sonne. oldne Sonne, komm' auf hellen Schwingen! Rauchend wollen Berge Opfer bringen, Eile, eile, schönes Himmelslicht! T. v. Sternau, Ged. 1851, S. 46. § 28. Für poetische Tändeleien, wie sie das Madrigal enthält, hat der Spanier eine leichte Form, welche er Sequidilla nennt. Sie besteht meistens aus vier längeren, oder aus sieben gebrochenen Zeilen, welche nicht durch den Silbenreim, sondern nur durch Assonanz mit einander verbunden sind. Vgl. Geibel: Volkslieder der Spanier. Seite 84, 191. § 29. (Gebrochene Zeilen.) Dein Garten blühte prächtig Von rothen Rosen; Als ich hineingetreten, Fand ich nur Dornen. O füßes Leben, Du hast für Liebe Nur Leid gegeben. (Ganze Zeilen.) Fürwahr, Du bist ein Mörder, liebst Du mich nicht immer! Denn wenn ich sterbe, sterb' ich um Deinetwillen. Gieb, Undankbarer, Das Herz mir wieder, das Du mir nahmest! Die italienische Vierzeile ist ein Gedichtchen epigrammatischen oder wißigen Inhalts, welches den Ritornellen oder Sequidillen gleicht, ohne an eine bestimmte Form gebunden zu sein. Jer Frühling ist ein Dichter: Wohin er blickt, blüht Baum und Strauch; Die Blümlein welken, die berührt sein Hauch. Was man nicht kann hassen, urch Schaden wird man klug, Schaden litt ich genug, Doch bin ich ein Thor noch heute. Herz, da ist kein Mittel geblieben, Rückert. § 30. Den Madrigalen, Sequidilla's und Vierzeilen find auch die portugiesischen Moudinho's ähnlich, deren Charakter hauptsächlich auf der Wiederholung von Wörtern oder ganzen Zeilen in verschiedenem Zusammenhange beruht. Wolff's poetischer Hausschaß des Auslandes, S. 169. Unter jenen Lorbeerbäumen, Ach, weit mehr als Augenblicke Solcher Lärm ist mir verdrießlich, Keiner schreibe mir doch Briefchen! 31. Aehnliche Wiederholungen bringt auch das aus Spanien stammende Cancion. Es stellt in einer kürzeren Strophe den Hauptgedanken des Gedichtes vorauf, der dann in einigen folgenden Strophen weiter ausgeführt wird. Zu Ende einer jeden Strophe kehren die Endwörter oder doch die Reime der Anfangszeilen wieder. Die Verse sind meistens trochäisch, über die Anzahl und die Reimverschlingung derselben ist indessen Nichts vorge= schrieben, häufig enthalten sie selbst gar keinen Reim, sondern nur Wortwiederholungen. § 32. Auch die Dezime ist eine spanische Strophe. Sie besteht aus zehn Versen von vier Trochäen mit zwei bis drei Reimen; das Ende der vierten Zeile fällt mit einem logischen Abschlusse zusammen, aber die dadurch hervorgebrachte Trennung der Strophe wird durch eine Reimverbindung zwischen dem vierten und fünften Verse wieder ausgeglichen. Im Uebrigen ist die Verschlingung der Reime frei, nur muß sie in allen Strophen eines Gedichtes übereinstimmen. § 33. Die Glosse ist ein Thema mit dezimenartigen Variationen. Das Thema wird durch eine, einem andern Gedicht entlehnte, vierzeilige Strophe gebildet, und die Variationen (die eigentlichen Gloffen) bestehen aus vier zehnzeiligen Strophen, deren leßte Zeile immer dem Thema entnommen ist, so daß die legten Zeilen der Dezimen das Thema in unveränderter Gestalt wiedergeben. Der Ruhepunkt dieser Zehnzeilen fällt indessen meistens erst an das Ende des fünften Verses. Ueber das Thema von Tied: |