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Tritt her, so du es wagst, ich will dir weichen!"
D'rauf mit Entsehen ich zu jenem Graus:

„Du bist es, bleib', und laß hinweg mich schleichen!“

Und schlich, zu weinen, in die Nacht hinaus.

Chamisso.

Eine andere Form der Reimverschlingung ist die, daß nur die erste und dritte Zeile reimt, die mittlere aber reimlos bleibt (Ahasver von Jul. Mosen; der Ritter Wahn, von demselben); eine dritte Weise verbindet je zwei Terzinen enger mit einander, meistens nach der Formel abb, acc.

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Da sah man Cyprian, das heil'ge Zeichen
Des Kreuzes in den Händen, zu ihr eilen:
Laßt mich den Scheiterhaufen mit ihr theilen!

Sie aber durfte da die Hand ihm reichen.
Nicht leben konntet ihr, ihr starbt zusammen,
Und über euch vereinten sich die Flammen.

Wolfg. Menzel..

Die erste

§ 20. Die an zweiter Stelle erwähnte Form heißt Ritornell, wenn die Terzine ein abgeschlossenes, epigrammartiges Ganzes bildet. Zeile des Ritornells ist häufig nur ein Halbvers.

Jimmlischer Friede!

Dir blieb kein Obdach mehr auf dieser Erde,

Als unter meiner Freundin Augenlide.

Debt mir zu trinken !

Was in den Sternen steht, kann man nicht ändern,
Doch man vergißt es bei der Gläser Blinken.

Was ist zu machen?

Geh' ich von ihr, so wird mein Herz zerspringen,
Und bleib' ich bei ihr, wird sie aus mich lachen.

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Mir träumt', ich starb, und deine Thränen flossen;
Da richtet' ich mich auf und lebte wieder,
Der welken Blume gleich, die Thau begossen.

Mein Liebchen kann nicht lesen und nicht schreiben.
Weiß nicht, wie sie's mag angefangen haben,
Die Liebe so als Wissenschaft zu treiben.

uch, schöne Augen, fleh' ich nicht um Gnade:
Ich kenne dieser schwarzen Türken Sitte;
Wer Schonung ruft, den würgen fie gerade.

Rüdert.

§ 21. Die Sestine enthält sechs Strophen, deren jede aus sechs fünfjambischen Zeilen besteht, und einen dreizeiligen Schluß in demselben Versmaße. Das Charakteristische und Künstliche dieser Form liegt in der Gruppirung der ungereimten Versenden, die sich von Strophe zu Strophe wiederholen, und zwar in vorgeschriebener Folge. Das Schlußwort jeder Strophe muß zunächst und hauptsächlich wieder das Endwort der ersten Zeile in der folgenden

Strophe sein, ferner aber wiederholt jede Strophe auch die übrigen Endwörter, und zwar der Regel nach in der Reihenfolge: (6), 1, 5, 2, 4, 3, so daß die Wortfolge in jeder Strophe eine andere ist, bis die ursprüngliche Ordnung in der abschließenden Halbstrophe wiederkehrt, aber mit der Abweichung, daß die eine Hälfte der Endwörter in die Mitte der Verse fällt; diese letzte Regel wird indessen oft außer Acht gelassen, und nur die Hälfte der Wörter im Schlusse wiederholt.

Sehnsucht.

enn durch die Lüfte wirbelnd treibt der Schnee,
Und lauten Fußtritts durch die Flur der Frost
Einhergeht auf der Spiegelbahn von Eis;
Dann ist es schön, geschütt vor'm Wintersturm,
Und unvertrieben von der holden Gluth
Des eignen Heerds, zu siten still daheim.

O dürft' ich siten jezt bei der daheim,
Die nicht zu neiden braucht den reinen Schnee,
Die mit der sonn'gen Augen sanfter Gluth
Selbst Funken weiß zu locken aus dem Frost!
Beschwören sollte sie in mir den Sturm,
Und thauen sollte meines Busens Eis.

Erst muß am Blick des Frühlinges das Eis
Des Winters schmelzen, und nach Norden heim,
Verscheucht vom Lenzhauch, ziehn der laute Sturm,
Eh' ich darf ziehn dorthin, wo ich den Schnee
Der Hand will küffen, den, weil Winterfrost
Ihn nicht erschuf, nicht tödtet Sommergluth.

Die Sehnsucht brennt in mir wie Sommergluth,
Aufzehrend innerlich, wie mürbes Eis,
Mein Herz, inmitten von des Winters Frost;
Und rastlos stäuben die Gedanken heim
Nach ihrem Ziel, sich kreuzend wie der Schnee,
Den flockend durcheinander treibt der Sturm.

Odaß mich fassend zu ihr trüg' ein Sturm,
Damit gestillet würde meine Gluth!

Und dürft' ich als ein Flöckchen auch von Schnee
Nur, oder als ein Nädelchen von Eis

Das Dach berühren, wo sie ist daheim;

Nicht fühlen wollt' ich da des Winters Frost.

Wer fühlet, wo der Frühling athmet, Frost?
Wen schrecket, wo die Liebe sonnet, Sturm?

Wer kennet Ungemach, wo Sie daheim,
Sie, die mir zuhaucht sanfte Lebensgluth
So fern her, über manch' Gefild von Eis
Und manch' Gebirg', bedeckt von rauhem Schnee?

Mit Blüthenschnee schmückt sich der kahle Frost,
Das Eis wird Lichtkrystall und Wohllaut Sturm,
Wo ich voll Gluth zu dir mich denke heim.

Rüdert.

Anter dem Sternenhimmel.
Wie viele gab ich wieder an den Himmel,
Seit ich hier wandle auf der schönen Erde!
Ich seh's, sie bleiben aus von Tag zu Tage;
Vergebens blick' ich Nachts zu jenen Sternen,
Und nicht enträthseln kann ich diese Wunder,
Die widerfahren sind der frommen Seele.

Warst du denn immer einsam, liebe Seele?
Onein! Nicht längst erst kehrten sie zum Himmel,
Vor meinen Augen selbst geschah’'n die Wunder;
Wir wandelten zugleich auf dieser Erde,
Wir blickten Nachts zugleich zu jenen Sternen
Owie so falsch sie sind, die hellen Tage!

Die Todten bleiben aus von Tag zu Tage
Zu hoffen hört nicht auf die treue Seele;·
Der Abend kommt mit seinen schönen Sternen,
Die Sonne steigt empor am Rosenhimmel,

Die tausend Blumen kehren auf die Erde

Und in den Wundern hofft die Liebe Wunder!

Und nimmt dein Schicksal denn so sehr dich Wunder?
Aus sonnigem Gespinnst bestehn die Tage,
Und immer Sterbliche trug nur die Erde!
Doch unsichtbare Schwingen hat die Seele;

Sieh, fertig schon umwölbt auch dich der Himmel,
Und schon bestrahlt dich Glanz von jenen Sternen!

Und weinst du nur zu den geweihten Sternen?
Gescheh'n nicht unaufhörlich alle Wunder?
Seit jener Zeit geschlossen wär' der Himmel?
Gedulde dich noch gern die kurzen Tage,
O allzutreue, allzubange Seele,

Dann senkt man dies Gebein auch in die Erde.

Dann lebe wohl, du neu geschmückte Erde,
Du lebe wohl, o Nacht, mit deinen Sternen,
In heil'gen Schlaf versenkt entschwebt die Seele.
Doch leb' ich noch, und fasse kaum die Wunder:
Wie Taubenflügel, angeglänzt vom Tage,
Dehnt seine Morgenwolken aus der Himmel!

Wie stärkt die Nacht mit Glauben an den Himmel!
Ach, welche Liebe flammt sie in die Seele!

Und welche Hoffnung träuft wie Thau zur Erde!

Leop. Schefer.

§ 22.

Die Siciliane ist eine aus acht fünfjambischen Zeilen bestehende Strophe, in der zwei Reime viermal abwechselnd anklingen (abababab); fie bildet ein für sich abgeschlossenes Ganzes.

(Bloß männliche Reime.)

uf dieser Flur, wo reich an Blumenzier
Der Lenz hat seine Wohnung immerdar,
Macht füßen Wohllaut, mit anmuth'ger Gier,
Von leichten Vögeln eine ganze Schaar.
Hier sänftet seine Wildheit jedes Thier,

Der Wermuth ändert den Geschmack sogar,
Und Freude selbst wird jeder Schmerz dahier,
Und nur mein Leid bleibt ewig wie es war.

(Bloß weibliche Reime.)

eil deinen Locken, deren tausend Spitzen

Ich fühl' in dieser Brust, der wundenvollen!

Heil deinen Augen, deren Todesbligen

Ich opfre diese Seele, der sie grollen!
Wenn Aug' und Locke diese Kraft besigen,

zu schlagen ihre Feinde, wie sie wollen:
Wozu denn noch, daß Amorn Pfeile schnigen,
Cyclopen Jovis Keile hämmern sollen?

(Männliche und weibliche Reime.)

Frühling, ew'ge Lebensmelodie,

Unausgetönt von allen Nachtigallen,

Unausgeblüht von allen Rosen, wie

Unausgefühlt von Menschenherzen allen!

So Frühling, wie du's nun bist, warst du nie,
Und nie so Frühling wirst du wieder wallen.
Denn nur zum Frühling macht dich blickend Sie,
Und sonst nur Blicke, die der Sonn' entfallen.

Rüdert.

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