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Natur und Kunst.

atur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich sich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst, in abgemess'nen Stunden,
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ift's mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebund'ne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muß sich zusammenraffen:

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gefeß nur kann uns Freiheit geben.

Goethe.

Sonettenkranz wird häufig eine Reihe von lose zusammenhängenden Sonetten genannt, ist aber eigentlich die Bezeichnung für eine scharf abgegrenzte Form. Der Sonettenkranz besteht aus fünfzehn Sonetten. Die erste Zeile jedes folgenden Sonettes lautet eben so, wie die lezte Zeile des vorhergehenden ; das vierzehnte Sonett schließt mit der Anfangszeile des ersten, und das fünfzehnte, das Meistersonett, enthält die Anfangszeilen aller vorhergehenden.

§ 18. Die Canzone bildet nicht ein abgeschlossenes Gedicht, sondern nur einzelne Strophen. Sie besteht ebenfalls aus fünfjambischen Zeilen, die sich zu zwei, auch logisch geschiedenen, Abtheilungen gruppiren. Die erste Gruppe enthält sechs in dreizeilige Hälften zerfallende Verse, die meistens abc, bac reimen, und die dadurch ausgeprägte Gliederung entspricht der Anordnung des Inhalts, die auch am Ende des ersten Gliedes eine größere Interpunktion fordert. Die zweite Abtheilung beginnt regelmäßig mit einer kürzeren (meist dreijambischen) und auf den vorhergehenden Vers reimenden Zeile, ist aber in Bezug auf die Anzahl ihrer Verse nicht fest gebunden. Die üblichste Form enthält nach dem kurzen Einleitungsverse noch sechs Zeilen, von denen die dritte ebenfalls gekürzt sein kann. Die Reimfolge ist deedff, so daß die Gliederung und Reimverschlingung der dreizehnzeiligen Canzone dem Schema folgt, abc; bacc, deed, ff. Am Schlusse des ganzen aus Canzonen bestehenden Gedichtes folgt gewöhnlich noch die zweite Hälfte einer Strophe als Schluß oder Abschied, der also mit der siebenten, in diesem Falle reimlosen, fürzeren Zeile beginnt.

An Novalis.

ch klage nicht vor Dir! Du kennst die Trauer;
Du weißt, wie an des Scheiterhaufens Flammen
Die Liebe glüh❜nder ihre Fackel zündet;
Der Freudentempel stürzt auch Dir zusammen:-
Es hauchten kalt herein des Todes Schauer,
Wo Reiz und Huld ein Brautgemach gegründet.
Drum sei mit mir verbündet,

Geliebter Freund, das Himmlische zu suchen,
Auf daß ich lerne, durch Gebet und Glauben
Dem Tod sein Opfer rauben,

Und nicht dem tauben Schicksal möge fluchen,
Deß Zorn den Kelch des Lebens mir verbittert,
Daß mein Gebein vor solchem Tranke zittert!

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Es ruft uns mit lebendigem Geräusche
Des Tages Licht zu irdischen Geschäften,

Ihr leiblich Theil verleihend den Naturen.

Die Sonne will auf sich den Blick nur heften,

Und duldet, daß sie allgebietend täusche,
Kein Jenseits an den himmlischen Azuren.
Doch wenn die stillen Fluren

Scheinbar die Nacht mit ihrer Hüll' umdunkelt,
Dann öffnet sich der Räum' und Zeiten Ferne,
Da winken so die Sterne,

Daß uns'rem Geist ein inn'res Licht entfunkelt.
Bei Nacht ward die Unsterblichkeit ersonnen,
Denn sehend blind find wir im Licht der Sonnen.

Bei Nacht auch überschreiten kühne Träume
Die Kluft, die von den Abgeschiedenen trennet,
Und führen sie herbei, mit uns zu kosen;

Wir staunen nicht, wenn ihre Stimm' uns nennet,

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So ist mir jüngst das theure Kind erschienen,
Wie auferstanden aus der Ohnmacht Schlummer,
Eh' noch das dumpfe Grab sie überkommen.
Uns Trauernden verscheuchte sie den Kummer
Und waltete mit ihren süßen Mienen,
Als wäre sie der Heimath nie entnommen.
Doch heimlich und beklommen

Schlich sich der Zweifel ein in unsre Seelen:
Ob sie, uns angehörig, wahrhaft lebte?
Ob sie als Geist nur schwebte,

Den herben Tod uns freundlich zu verhehlen?

Und Keiner wagte, fie darum zu fragen,

Um nicht den holden Schatten zu verjagen.

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§ 19. Terzine heißt eigentlich jede dreizeilige Strophe, wie wir sie 3. B. schon im Sonett und in der Canzone als Unterabtheilung kennen gelernt haben. Im engeren Sinne aber ist sie eine aus drei fünffüßigen Jamben bestehende Gruppe, von denen eine größere Reihe fortlaufend gekreuzte Reime bildet, so daß in jeder Terzine die erste mit der dritten Zeile reimt, die zweite aber mit der ersten der folgenden Strophe, also aba, beb, cde u. f. w. Zum Abschlusse dieser fortlaufenden Reimkette wird der letzten Terzine noch eine Zeile angefügt, die mit dem zweiten Verse derselben reimt. So erscheint der erste und legte Reim nur zweimal, während alle übrigen dreimal anklingen.

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Ich bin's, du willst es sein. Um dieses Kreises,
Des wahnsinn - droh'nden, Quadratur zu finden:
Bist du der rechte, wie du sagst, beweis' es;

In's Wesenlose will ich dann verschwinden.

Du Spuk, wie du mich nennst, geh'st du das ein,
Und willst auch du zu Gleichem dich verbinden?"

D'rauf ich entrüftet: „Ja, so soll es sein!
Es soll mein echtes Ich sich offenbaren,
Zu Nichts verfließen dessen leerer Schein!"

Und er: „So laß uns, wer du sei’st, erfahren!“
Und ich: „Ein solcher bin ich, der getrachtet
Nur einzig nach dem Schönen, Guten, Wahren;

Der Opfer nie dem Gößendienst geschlachtet,
Und nie gefröhnt dem weltlich eitlen Brauch,
Verkannt, verhöhnt, der Schmerzen nie geachtet;

Der irrend zwar und träumend oft den Rauch
Für Flamme hielt, doch muthig bei'm Erwachen
Das Rechte nur verfocht: bist du das auch ?“

Und er mit wildem, kreischend lautem Lachen:
„Der du dich rühmst zu sein, der bin ich nicht.
Gar anders ist's bestellt um meine Sachen.

Ich bin ein frecher, lügenhafter Wicht,
Ein Heuchler mir und Andern, tief im Herzen
Nur Eigennut, und Trug im Angesicht.

Verkannter Edler du mit deinen Schmerzen,

Wer kennt sich nun? Wer gab das beste Zeichen?
Wer soll, ich oder du, sein Selbst verscherzen?

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