Und endlich denkt, man müsse nur gefallen. Denn wenn ihr schweigt, das ist das Allerschlimmste, Und weil denn endlich hier nur von Vergnügen Zu Hause jedes Glück, das unser Herz Ein gleiches Recht gegeben, und dies Recht So seid denn Alle zu Hause glücklich! Väter, Mütter, Töchter, Söhne, Freunde, Verwandte, Gäste, Diener. Liebet euch, Vertragt euch! Einer sorge für den Andern! Dies schöne Glück, es raubt es kein Tyrann; Der beste Fürst vermag es nicht zu geben. Und so gesinnt besuchet dieses Haus, Und sehet, wie vom Ufer, manchem Sturm Der Welt und wilder Leidenschaften zu. Genießt das Gute, was wir geben können, Und bringet Muth und Heiterkeit mit euch; Und richtet dann mit freiem reinem Blick Uns und die Dichter. Bessert sie und uns; Und wir erinnern uns in späten Jahren Mit Dank und Freude dieser schönen Zeit. Goethe. Die dramatifirte Begebenheit. § 85. Die Einkleidung einer Thatsache oder einer Begebenheit in die äußerlich dramatische Form, wie wir sie in der scenisch gegliederten Erweiterung des Prologs bereits kennen gelernt haben, bezeichnet die legte Vorstufe zum eigentlichen Drama. Sie unterscheidet sich von demselben nur dadurch, daß sie, obwohl ein künstlerisch entwickeltes und abgeschlossenes Ereigniß, doch nicht eine künstlerisch entwickelte und abgeschlossene Handlung zur Darstellung bringt, sondern nur einzelne Stücke oder einzelne Scenen aus einer solchen, so daß sie nur aus mehr oder weniger lose an einander gefügten Situationsbildern besteht, ohne das compacte organische Ineinandergreifen der Charaktere und der durch diese nothwendig bedingten Handlungen, ohne jene durch eine Verwickelung hindurchgehende Entwickelung, welche das eigentliche Wesen des Drama's ausmacht. Der Tod Napoleons. (Napoleon. Montholon. Antomarchi, der Arzt. Europa, Geschichte und Poesie, Erscheinungen. Stumme Umgebung: Bertrand, seine Frau und vier Kinder; der Abt Vignali; Marchand und sechs Bediente. Zwei englische Offiziere. Longwood, am 5. Mai 1821.) Napoleon (auf dem Sterbebette), Montholon, Antomarchi. Montholon. Des Fiebers Gluth hat ausgetobt, er scheint zu ruhn. Daß ich geliebt bin worden, legf ihr Zeugniß ab. Und trauern an dem vielgeliebten Seinestrand. O grüßt mein Frankreich, grüßet mir mein heimisch Land! Montholon. Frankreich finden wir, o Herr, Nur immerdar, wo dein geweihtes Haupt verweilt. Grüßt meinen Sohn, den grausam mir entfremdeten, Antomarchi. Gehorcht dem Kaiser, tretet ab! (Napoleon ist mit verhülltem Antlik zurückgesunken. Alle heften fragend die Augen auf Antomarchi, der unverwandt den Kranken betrachtet. Sie entfernen sich zögernd.) Antomarchi. (Allein bei Napoleon. Lange Pause. Er wirft sich in einen Sessel im Vordergrunde und verhüllt sein Antlik.) Lösch' aus, du Stern der Herrlichkeit! (Es erscheinen Europa, Geschichte und Poesie. Napoleon streckt die Arme nach ihnen aus.) Europa. Napoleon! Weltherrscher einst, in Fesseln nun Verschmachtender; Napoleon. Mein Sohn, mein Sohn! Europa. O hättest Freiheit du geschafft nach deiner Macht, Geschichte. Standbilder eines Mannes stürzen Knaben um, Pocke. zu schmäh'n, zu schmeicheln haben Knechte nur vermocht, (Napoleon stirbt, die Erscheinungen verschwinden. Bei dem Ausathmen Napoleons erhebt sich Montholon. Der Kaiser? Antomarchi. Weint! Das war er! Länger zügelt nicht Die bleiche Furcht, von diesem Kerker aus, die Welt. Das Liebesopfer eures Lebens ist erfüllt! zerstreuet euch, (Montholon hat den Kaisermantel über die Leiche ausgebreitet, der Abt ein Kruzifix Chamisso. Das Drama. § 86. Zu voller künstlerischer Entfaltung gelangt die dramatische Dichtung erst im eigentlichen Drama, in der Gestaltung eines durch bestimmte Charaktere und deren Handlungen herbeigeführten und vor unseren Augen sich vollziehenden Ereignisses zu einem einheitlichen, nach allen Seiten hin abge= rundeten und abgeschlossenen Kunstwerke. Das im Drama zur Darstellung gebrachte Ereigniß heißt der Stoff, die Fabel oder das Sujet desselben, während genau genommen unter der Handlung ein dramatisch schon organisirter Stoff verstanden wird. Es könnte nun scheinen, als ob das gesammte Stoffgebiet der episch erzählenden Dichtung auch für die Bearbeitung zum dramatischen Kunstwerke geeignet wäre, wenn nur die dort erzählten, ja ebenfalls durch bestimmte Personen oder Charaktere herbeigeführten Begebenheiten als vor unseren Augen sich entwickelnd dargestellt würden; aus solchen Bearbeitungen epischer Stoffe entstehen indessen meistens nur dramatisirte Begebenheiten oder Charaktergemälde, keine wirklichen Dramen; diese sind vielmehr an eine Reihe von besonderen Vorbedingungen gebunden, welche nur in verhältnißmäßig seltenen ། |