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Der mir die Träume sandte, der wußte mehr als ich,
Und ließ ich's unbeachtet, so thät ich freventlich.“
Da erhob er sich vom Lager, der weise Elfensohn,
Und ging zu seiner Schmiede mit sorgendem Muth_davon.

Er ließ die Bälge sausen und schüren seine Gluth, Dann sett er sich hin zu schmieden. Da schuf der Degen gut Ein Schwert in kurzen Stunden, das war dem Mimung gleich: So gleiches sah man nimmer in aller Könige Reich.

Ihm gleich an Läng und Breite, Gestalt und Gewicht,
Ihm gleich an jeder Zierde nur an der Schärfe nicht.
Als er das geschaffen, noch blieb geraum die Zeit,
Da macht er für den Mimung Gehenk und Scheide bereit.

Nun sah er Alles fertig,

was ihm zu schmieden Noth : Geruhig mocht er schlafen, bis das Morgenroth

Des Tags den Himmel färbte, der das Jahr beschloß.
Kaum war der angebrochen, als mit der Gesellen Troß

Sich auf dem Markte zeigte
Sich brüstend in dem Harnisch,

Amilias der Schmied,
der ihm so wohl gerieth.
Um ihn war bald versammelt eine breite Schaar,
Auch kamen seine Bürgen und die ihm anhingen dar.

Wer des Geschmeides Kenner auf Waffen sich verstand,
Der rühmte seine Arbeit und pries des Künstlers Hand.
Man sah den Panzer doppelt gedrähet fest und hart,
Wie auf Erden selten ein Bessrer noch gesehen ward.

Da hub er an zu pralen und sprach im Uebermuth : Kein Schwert mag ihn versehren, und wär es noch so gut; Ja schlüg ein Blig hernieder aus Thors und Donnerers Hand, Er könnte nicht zerkeilen so manch gehärtetes Band.“

Als Alle das bejahten, das freut' ihn überaus. Da ging hohes Muthes Amilias nach Haus

Und legte zu dem Harnisch die Eisenhosen an;

geschmiedet und so wohlgethan,

Die waren zweidrähtig

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Und Jedem der sie schaute von Herzen wohlgeschah.
Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal :
Dergleichen jei nimmer geschmiedet worden in Stahl.

Da pralt er mit den Hosen „Kein Schwert kann sie versehren

und sprach im Uebermuth :
und wär es noch so gut.

Wie hart sind diese Schienen, wie sind diese Schuppen dicht: Ich wähne, fester trägt sie die Erdgurtschlange selber nicht.“

Als Alle das bejahten, das freut' ihn überaus.

Da ging hohes Muthes
Zu den anderen Waffen
Der war so wohlgerathen,

Amilias nach Haus:

schwang er den Helm aufs Haupt, man hätt es nimmer geglaubt,

Daß ein Helm so herrlich geschmiedet möge sein. Dem hohen Hut entstrahlte ein filberheller Schein : Man konnt es nicht ertragen bei vollem Sonnenblick;

Auch war er wohl gehärtet und aus der Maßen stark und dick.

Das rühmten auf dem Markte die Kenner allzumal.
Das macht' ihn übermüthig: da erhub er ein Gepral:
„Und fielen alle Sterne herab vom Himmelszelt,
Er ist so hart geschmiedet, sie würden sicher zerschellt.“

Als Alle das bejahten, da war der Degen froh.
Zu des Königs Tische stolzierend ging er so:
Da rühmten alle Leute das herrliche Geschmeid;
Der König selber staunte: es war ihm inniglich leid,

Daß er je gescholten den kunstreichen Schmied. Er dacht in seinem Sinne: „Nun das so wohl gerieth, So brauch ich nicht zu fragen, wer da siegt oder fällt: Ich behalte doch am Hofe den besten Schmied in aller Welt.“

Nun höret von der Probe wie die ergangen sei.

Sie gingen nach dem Hofe, als das Mahl vorbei :

Da setzte sich Amilias auf eine Steinbank,

Siegprangend jaß der Degen in seinen Waffen spiegelblank.

Da war auch der König und mit den Jungfraun Bathilde, diese Wette zu hören und zu schaun.

Hin zu seiner Schmiede ging da Goldbrand;

Er kam zurück und führte den Mimung bloß an der Hand.

Noch saß auf dem Steine der Schmied Amilias

Wie auf dem Königsstuhle und brüstete sich baß;

Den Kreis umher bestrahlten die Waffen spiegelblank.

Da stellte mit dem Schwerte sich Goldbrand hinter die Bank,

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Hau zu aus allen Kräften; laß Zorn dir helfen und Haß.

Du wirst sie wohl bedürfen, eh es den Helm versehrt." Da drückte Goldbrand stärker und stärker auf das Schwert: Helm und Haupt durchfuhr es, den Panzer und den Bauch Und fuhr bis auf den Gürtel und durch die Eisenhofen auch.

Da fragte Goldbrand wieder: „Nun sprich, wie es thut."
Amilias versette: „Mir ist wie dem zu Muth,

Dem kalt ein Tropfen Wasser niederrinnt den Leib:
Ich wähne gar, du machst dir

Goldbrand entgegnete: Du hast den lezten Becher Nun schüttelte sich mächtig Da fiel zu beiden Seiten

hier unnüßen Zeitvertreib."

„So schüttle dich einmal.
getrunken heut im Saal.“
der Schmied Amilias:
ein halber Ritter ins Gras,

In den spiegelblanken Waffen mitten durchgetheilt :
Wie hat ihn da die Strafe der Hochfahrt ereilt !
Aus beiden Stücken strömte des Blutes rother Schwall,
Ein Schrei entfuhr Bathilden und ihren Jungfrauen all.

Betroffen sahen's die Ritter, der König war bestürzt :
Sie fanden mit Entsetzen die Kurzweil gewürzt.
Als das Blut im Rasen zu ihnen niederquoll,

Da wandten sie sich seitwärts; doch laut und lauter erfcholl

Der Beifall dem Helden und Mimung seinem Schwert: Das hatte seine Schärfe fürchterlich bewährt.

Ein Jeder wollt es schauen, der König rief darnach

Und hofft' es zu besigen, doch Wieland weigert es und sprach:

„Noch trieft es von dem Blute, ich will es trocknen gehn,
Auch sollt ihr nun die Scheide und das Gehenke sehn,
Die noch daheim geblieben: ich bringe sie sofort.“
Da ging er schnellen Schrittes und barg am sichersten Ort,

Unter den Schmiedebälgen Er sprach: da liege, Mimung, Wer weiß, ob ich in Kurzem

das mordliche Schwert.
du bist wohl hütenswerth:
nicht selber dein bedarf."

Da stieß er in die Scheide das andre Schwert das minder scharf,

Doch sonst dem Mimung gleich war, auch nahm er das Gehenk Und brachte sie dem König als seines Knechts Geschenk.

Der nahm es voller Freuden
Die Klinge dann entblößt' er

und schnallt' es gleich sich an,

und ließ sie schauen Jedermann,

Der sie zu schaun begehrte. Aus manchem Mund erscholl Der Ruhm des Geschmeides: der wurde groß und voll. u. s. w.

Simrock, Wieland der Schmied.

Das religiöse Epos.

§ 76. Ein selbstständiges, rein religiöses Volksepos ist im Occidente nicht zur Ausbildung gelangt; die Anfäße dazu, die sich sowohl im classischen wie im germanischen Alterthume finden, sind über einzelne Episoden oder Rhapsodien nicht hinausgekommen, obgleich, wie es scheint, die Vorbedingungen für eine solche Dichtung auf beiden Seiten vollständig vorhanden waren. Seitdem hat nur noch das Christenthum und der mit seiner Verbreitung verbundene Existenzkampf einen günstigen Boden für die Entwickelung eines religiösen Volksepos dargeboten, aber auch dieser Boden hat nur Schößlinge hervorgebracht, die nicht zu vollem Wachsthume gelangt sind. So finden wir auf diesem Gebiete nur Kunstpoesie, die in der Nachbildung des weltlichen Volksepos sich entwickelt hat, indem sie wie in Ovids Metamorphosen bereits erstorbenen Mythen und Legenden ein neues Leben einzuhauchen versuchte, oder wie im 'Heliand' einen Stoff behandelte, der im Volke noch nicht zum Leben erwacht war, während in den neueren Dichtungen dieses Kreises, sowohl in Dantes Göttlicher Comödie, wie in Miltons Verlornem Paradies und Klopstocks Messias, das volksmäßig Mythen und Sagenhafte nur noch Staffage ist, und endlich die der christlichen Kirchengeschichte entnommenen Epen alles Derartigen entkleidet sind, also kaum noch hierher gerechnet werden dürfen, sondern schon dem historischen Epos angehören.

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ie dem sterbenden Weisen, indem des Todes Gefühl ihm
Jede Nerve beschleicht, die festlichen Augenblicke

Theurer werden, als Tage vordem; und Tugend, welche, geboren
Noch aus brechendem Herzen, ihn auf erhabnere Stufen
Seiner Vollendung erhebt: er zählt die bessern Minuten
Tiefanbetend, und krönt mit Thaten sie, Thaten der Seele,
Die durch ewigen Lohn der schauende Richter begnadigt.
Also wurden die Stunden des großen, mystischen Sabbaths
Festlicher, schauervoller, und Gott selbst theurer, je näher
Zu dem Altare das Opfer trat, je mehr der Versöhner
Eilte zu bluten, und: Werde! der neuen Schöpfung zu rufen
Laut an dem Kreuz; in die Mitternacht sein blutendes Antlig
Dann zu neigen. Eloa, vom Werth der heiligen Stunden
Hingerissen, sie waren ihm mehr, als die jauchzenden Stunden
Seiner frühen Geburt! so ergriffen, hüllt' er sein Antlig
Gegen Gabriel auf, und sprach zu dem göttlichen Freunde:
Sahst du ihn leiden? Ich lebe noch! Gabriel, sahft du ihn leiden?
Keine Namen im Himmel, und keine Sprache der Engel
Nennt mir, was ich empfand! Du hast ihn selber gesehen!

Und was wird er noch leiden! An jedem Augenblick hangen
Ewigkeiten! Er schwieg. Und Gabriel sprach: Ich vertiefte
Mich Jahrtausende schon, das künftige Wunder zu lernen,
Dunkel es nur zu sehn, nicht auszuforschen; doch irrt' ich!
Laß uns schweigen! Es ist rund um uns heilig! Zwar Gräber
Liegen auch um uns her: doch werden dort Engel erwachen!
Schlummert in Frieden! Aber o sieh! wer drüben im Dunkeln
Wild mit der Flamme. sich naht. Euch sandte die Höll', Empörer!
Welch ein niedriger Haufen! Allein der Schöpfer des Sandkorns
Und der Sonnen, der Ewige herrscht, durch den Wurm und den Seraph !
Und ihr Führer, ihr Führer! Eloa . . . So wird er nicht wandeln,
Wenn die Posaune den Staub aus jenen Hügeln hervorruft,

Die vor dem Richter ihn deckten, so froh wirst dann du nicht wandeln,
Du Verräther! Er sprachs. Der Haufen nahte sich wüthend,

Trug die Flammen empor, und irrte mit suchendem Auge

Durchs Labyrinth der Bäum' und der Nacht. Ihn fahe der Gottmensch.
Nun erhob sich die dunkelste Nacht, die über ihn herhing,
Wolkicht empor, und als sie sich hub, entflossen ihr Schauer.

Einer ergriff den Verräther. Er troßte der mächtigen Warnung,
Und so rüstet' er sich: Wo ist er? Die Lieblinge sahn ihn,
Wie sie sagen, auf Tabor in Himmelswolken gekleidet,
Aber in Banden noch nicht! So sollten sie jezt ihn sehen,
Und sich Hütten der Freude zu baun vergessen! Doch bebst du,
Schauerndes Herz! Kann Kühle der Nacht auch Männer erschüttern?
Schweig, Empörer! bald ist es gethan! Dann will ich mir Hütten,
Nicht im Traume nur, baun! Er dachts, und er eilte von neuem.
Als der Mittler die kommenden sah, da betet' er also

In sich selber: Es ist weit, weit von den ewigen Höhen
Bis zu diesen Sündern herunter. O Weg' in dem Staube,

Die ich wandle! Ich will sie wandeln! Sie werden einst glänzen,
Wenn, in diesen Tiefen, die Auferstehung erwacht ist,
Und nun ganz das Gericht es enthüllet, warum sie Gott ging.
Klopstock, der Messias, Ges. VI.

Das historische Epos.

§ 77. Im historischen Epos hat die Kunstdichtung von der Nachahmung des Volksepos allmählich sich frei zu machen gesucht. Das Mythen und Sagenhafte trat mehr und mehr zurück, um rein historischen Stoffen Raum zu geben, aber die Abhängigkeit vom Volksepos war noch immer zu bedeutend, um die Einwirkung höherer Mächte, der heidnischen Götter und mythologischen Figuren oder der christlichen Engel und Teufel fallen zu lassen, obwohl bereits die Griechen und Römer eine streng historische Darstellung mehrfach versucht hatten, und durch diese für unentbehrlich gehaltene Göttermaschinerie' blieb selbst den hervorragendsten Dichtungen dieser Uebergangsstufe der Charakter des

Die Dichtkunst und ihre Gattungen.

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