Page images
PDF
EPUB

Ich sag' es Ihnen kurz, der Hecht ist gar zu blau."
Gut, sprach er, meine liebe Frau,
Wir wollen nicht darüber streiten,

Was hat die Sache zu bedeuten? .

So wie dem welschen Hahn, dem man was Rothes zeigt,
Der Zorn den Augenblick in Nas' und Lefzen steigt,
Sie roth und blau durchströmt, lang auseinander treibet,
In beiden Augen bligt, sich in den Flügeln sträubet,
In alle Federn dringt und sie gen Himmel kehrt,
Und zitternd, mit Geschrei und Poltern, aus ihm fährt:
So schießt Ismenen auch, da dies ihr Liebster spricht,
Das Blut den Augenblick in ihr sonst blaß Gesicht;
Die Adern liefen auf, die Augen wurden enger,
Die Lippen dick und blau und Kinn und Nase länger ;
Ihr Haar bewegte sich, stieg voller Zorn empor,
Und stieß, indem es stieg, das Nachtzeug von dem Ohr.
Drauf fing fie zitternd an: „Ich, Mann! ich, deine Frau,
Ich sag' es noch einmal, der Hecht war gar zu blau!"

Sie nimmt das Glas und trinkt. O! laßt sie doch nicht trinken!
Ihr Liebster geht und sagt kein Wort;

Kaum aber ist ihr Liebster fort:

So sieht man sie in Ohnmacht sinken.

Wie konnt' es anders sein? Gleich auf den Zorn zu trinken!

Ein plögliches Geräusch bewegt das ganze Haus;

Man bricht der Frau die Daumen aus;

Man streicht sie kräftig an; kein Balsam will sie stärken.

Man reibt ihr Schlaf und Puls; kein Leben ist zu merken.

Man nimmt versengtes Haar und hält's ihr vor's Gesicht;
Umsonst! Umsonst! sie riecht es nicht!

Nichts kann den Geist ihr wiedergeben.

Man ruft den Mann; er kömmt, und schreit: Du stirbst, mein Leben!

Du stirbst? Ich armer Mann! Ach! meine liebe Frau,

Wer hieß mich doch dir widerstreben!

Ach, der verdammte Fisch! Gott weiß, er war nicht blau.

Den Augenblick bekam sie wieder Leben.

„Blau war er, rief sie aus, willst du dich noch nicht geben?"

So that der Geist des Widerspruchs

Mehr Wirkung, als die Kraft des heftigsten Geruchs!

Gellert.

[ocr errors]

Karl der Zwölfte und der Pommersche Bauer
Müseback.

In seinem Zelt vor Bender sigt Karl der Zwölfte still,
Kein Schach ihn mehr zerstreuen, kein Buch ermuntern will;
Von aller Welt verlassen, versagt in seiner Noth

Der Türk' dem trotz'gen König gemach schon Fleisch und Brot.
Vergebens mahnet Düring: „Gib deinen Feinden nach!“
Vergebens Rosen: „Fliehe, o Held, dein Ungemach !
Was sizest du und sinnest, wie ein vergrämter Aar
Im Horst von Folgesonde, und trotest der Gefahr?
Mach' auf die edlen Schwingen, und aus dem Sonnenbrand
Zieh heim in's kühlumwogte, geliebte Vaterland;

Da sammle wieder eilig die alte Kraft zu Hauf,

Und gehe, wie das Nordlicht, in blut'gen Striemen auf!“ Doch trogig spricht der König: Schweigt; ihr erlebt es nie,

[ocr errors]

Daß ich vor Türkenhunden wie eine Memme flich'.

Wohl sehnt sich Nordlands Wogen mein Herz, wie eures, zu,
Doch sterb' ich, eh' ich weiche und Achmed's Willen_thu’!““
Da naht der Kanzler Müller: „O Herr, dein Häuflein schreit,
Gedrückt vom bittern Hunger; womit erhalt' ich's heut?"
„„Schießt die Araberroffe des Sultans Achmed todt;

Da habt ihr Fleisch, und hier ist mein eig'nes lettes Brot!""

Der Kanzler geht mit Thränen. Bald krachet Schuß auf Schuß.
Der König hebt das Auge voll Sorge und Verdruß,

Denn sieh', man führet schonend sein Leibroß ihm zurück,
Drum greift er zum Pistole im nächsten Augenblick

"Halt, halt!"" und setzet grausam den Lauf ihm hinter's Ohr Nie brachte je Arabien ein schön❜res Thier hervor;

„Ach, schießet nicht!" ruft Rosen, ruft Düring, doch er schoß, Und ächzend stürzt zusammen ihm sein erlauchtes Noß.

[ocr errors]

Glaubt ihr, ich sollte hungern?"" fragt bitter lachend er, Derweilen Alle schreien: „Was macht ihr, gnäd'ger Herr?" Doch, gleich als ahnt' ihm düfter schon jezt sein gleich Geschick, Hebt von dem Roß er lange nicht den bewegten Blick, Sezt bald sich drauf, wie wenn es ihn unsichtbar ergreift, Indeß das Blut des Thieres ihm in die Stulpen läuft, Und wühlet mit den Sporen im Sande hin und her, Und blicket nicht vom Boden und feufzet oft und schwer.

Da kommt auf hag'rem Klepper ein Bauer hergetrabt,

Im blauen, woll'nen Wamse, zerfekt und abgeschabt, Mit rundem Hut, und Troddeln um sein gestiefelt Bein. „Glück zu!“ ruft Rosen, „Freunde, das muß ein Pommer sein!" „„„Wo find' ich hier den König?""" der alte Bauer spricht, Und siget ab und wischet den Schweiß sich vom Gesicht.

„Da sißt er auf dem Rosse, geh' muthig nur hinan!"

[ocr errors]

‚Gott grüß euch, edler König! Ihr seid wohl schlecht daran?""" Der König hebt das Auge: „Wer bist du und von wo?"" """O Herr, ich bin ein Bauer vom Dorfe Conerow Bei Wolgast, eurer Stadt im fernen Pommerland, Und heiße Müseback, und bin an euch gesandt!"" „Und wer hat dich gesendet?"" darauf der König spricht. „Das will ich euch wohl sagen, jedoch verübelt's nicht: Wir wohnen dort zusammen, drei Bauern an der Zahl, Und hörten oft mit Schmerzen, ihr trüget Hungerqual; Drum brachten wir zusammen, was uns're Armuth litt, Und ich stieg selbst zu Pferde und that den sauren Ritt. Doch Gott hat mich geschüßet, die Reis' ist mir nicht leid, Wollt ihr nur nicht verschmähen, was euch ein Bauer beut!""" Und spricht's und löst die Troddeln von seinen Stiefeln los, Und holt aus jedem Schafte zwei Düten, schwer und groß, Gefüllt mit rothem Golde, und senkt sich auf sein Knie, Und spricht:

[ocr errors]

Nun, gnäd'ger König, da nehmet sie, nehmet sie!""

Wie das der König höret, da springet er empor,
Und zwischen seinen Wimpern bricht eine Thrän' hervor :
„„O Freunde, seht, mein Adel gedenket mein nicht mehr,
Doch einen armen Bauer führt seine Liebe her!

ин

Und ob dich Gott geschlagen schon selbst zum Edelmann,
Nimm auch von deinem König den Ritterschlag noch an;
Knie hin, daß ich dich ehre, so wie du mich geehrt!””
Und spricht's, und aus der Scheide reißt er sein Königsschwert.

Jedoch der Bau'r verseket:

Herr König, haltet an,

Was that' ich armer Bauer wohl mit dem Edelmann?
Hab' schon genug zu sorgen von Morgen bis zur Nacht,
Und habe nichts erworben, als was ich euch gebracht.
Drum bitt' ich, lieber König, daß ihr mich nicht beschämt,
Ich bin ja schon zufrieden, wenn ihr mein Scherflein nehmt;
Als Bau'r bin ich geboren, und wenn es Gott gefällt,
So geh' ich auch als Bauer einst wieder aus der Welt!"""

Der König senkt den Degen und sieht ihn düster an:
"Ich nehme keinen Groschen, den ich nicht lohnen kann!““
Der Alte steht und sinnet: ‚So laßt uns Bau'rn die Pacht,

[ocr errors]

Die wir von unsern Höfen bis dahin aufgebracht!"""
Der König winkt, der Kanzler entwirft das Instrument,
Der König nimmt es hastig, sein Adlerauge brennt;
Drei Haare reißt der Edle aus seinem Bart und legt
Sie auf das Wachs, das rothe, und rufet tief bewegt:
,,Verflucht, wer dieses Siegel, wer dies Versprechen löst!
Indem er mit der Rechten das Petschaft niederstößt,

Und mit der Linken drohend an seinen Degen schlägt,
Daß ihm die Hüfte klirret und sich der Tisch bewegt:

So lange noch ein Sprößling von diesen Bauern blüht,
So lang auf Con'row's Hufen der Pflug noch Furchen zieht,
So lange noch in Pommern ein edler Fürst regiert,
Und den Greif in seinem Wappen und Gott im Herzen führt:
Sollt ihr auf euren Höfen auch sigen frank und frei

Und späten Zeiten künden den Lohn der Bauerntreu’!““

[blocks in formation]

Schon mehr denn hundert Jahre verstrichen seit der Zeit,
Doch Friedrich Wilhelm ehret dies Fürstenwort bis heut.
Preis dem gerechten König, der Pommerland regiert,
Und den Greif in seinem Wappen und Gott im Herzen führt!
Auf ihren Hufen figen die Enkel frank und frei

Und künden späten Zeiten den Lohn der Bauerntreu’.
Oblieben diese Enkel der edlen Väter werth,
Und ehrten ihre Fürsten, wie diese sie geehrt!

Das Idyll.

W. Meinhold.

§ 63. Das Jdyll (häufiger, aber unrichtig, die Idylle genannt) bewegt sich durchaus auf dem Boden der Erzählung, so fern es, wie diese, Begebenheiten und Zustände des wirklichen Lebens schildert, aber sein Stoffgebiet ist noch wesentlich enger: es ist auf die einfach natürlichen und friedlichen Verhältnisse des Landlebens beschränkt. Seinem Namen nach ein Bildchen, war das Idyll auch seinem Begriffe nach ursprünglich nur ein Natur- oder Sittenbild, ohne eigentlichen Erzählungsstoff, und gehörte also wesentlich der beschreibenden Poesie an; in der neueren Dichtung haben die in solchen einzelnen Bildern und Scenen enthaltenen Keime der Erzählung sich zwar zu wirklichen Begebenheiten entwickelt, aber es ist von dem ursprünglichen Begriffe doch so viel festgehalten, daß die Erzählung an sich unbedeutend bleibt und mehr den Rahmen für Beschreibung und Schilderung, für nähere Ausführung oder Ausmalung im Einzelnen bildet. Die tiefe Bedeutung des Idylls und des Idyllischen überhaupt liegt in der Umwandlung und Erhebung der einfachsten Lebensverhältnisse und der alltäglichsten Begebenheiten zu echter Poesie, die Wirksamkeit desselben aber beruht auf der stets erfrischenden und belebenden Kraft der Natur, die selbst in dem Spiegelbilde der Dichtung sich noch bewährt. Sobald freilich die krankhaften Zustände des modernen Culturlebens mit ihren Conflicten, Verschrobenheiten und Verirrungen in diese allheilende Natur hineingetragen werden, muß auch ihr Zauber seine Kraft verlieren, und solche Darstellungen wirken durch den Gegensag doppelt widerwärtig: auch die lieblichste Dorfgestalt wird im städtischen Puze zur Carricatur.

Der siebzigste Geburtstag.

uf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens,

Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnißwerk
Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare geziert war:
Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf,
Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster;

Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der Vorzeit,
Einst Taufwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntniß,
Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon Manchen gesungen.
Oft nun faltend die Händ', und oft mit lauterem Murmeln
Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählig
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke;
Und bei entglittener Brill' und filberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Müße von violettenem Sammet,
Mit Fuchspelze verbrämt und geschmückt mit goldener Troddel.

Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag,
Froh des erlebten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias,

Welcher als Kind auf dem Schemel geprediget, und, von dem Pfarrer
Ausersehen für die Kirche, mit Noth vollendet die Laufbahn
Durch die lateinische Schul' und die theure Akademie durch:

Der war jest einhellig erwähleter Pfarrer in Merlig

Und seit Kurzem vermählt mit der wirthlichen Tochter des Vorfahrs.
Fernher hatte der Sohn zur Verherrlichung seines Geburtstags
Edlen Toback mit der Fracht und stärkende Weine gesendet,
Auch in dem Briefe gelobt, er selbst und die freundliche Gattin,
Hemmeten nicht Hohlweg' und verschneiete Gründe die Durchfahrt,
Sicherlich kämen sie beide, das Fest mit dem Vater zu feiern
Und zu empfahn den Segen von ihm und der würdigen Mutter.
Eine versiegelte Flasche mit Rheinwein hatte der Vater
Froh sich gespendet zum Mahl und mit Mütterchen auf die Gesundheit
Ihres Sohns Zacharias geklingt und der freundlichen Gattin,
Die sie so gern noch sähen und Töchterchen nännten und auch
Mütterchen, ach! an der Wiege der Enkelin oder des Enkels!
Viel noch sprachen sie fort von Tagen des Grams und der Tröstung,
Und wie sich alles nunmehr auflös' in behagliches Alter:

„Gutes gewollt, mit Vertrau'n und Beharrlichkeit, führet zum Ausgang Solches erfuhren wir selbst, du Trauteste; solches der Sohn auch! Hab' ich doch immer gesagt, wenn du weinetest: Frau, nur geduldig! Bet' und vertrau'! Je größer die Noth, je näher die Rettung! Schwer ist aller Beginn; wer getrost fortgehet, der kommt an!

Feuriger rief es der Greis und las die erbauliche Predigt Nach, wie den Sperling ernähr' und die Lilie kleide der Vater.

« PreviousContinue »