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Die Du einst mir treu gelobt?
Alles ist Dir aus der Seele,
Aus dem Herzen Dir verschwunden,
Wie ein Lüftchen über'm Sande
Hat die Zeit es fortgeweht."

Zärtlich küffete Chimenens
Angesicht der tapfre Feldherr,
Schwur ihr auf den Griff des Degens,
Schwur ihr, treu zurück zu kommen,
Sei's lebendig oder todt.

Die eigentliche Erzählung.

Herder.

§ 62. Die im Vorhergehenden dargelegte wesentliche Verschiedenheit zwischen der Ballade oder Romanze und den übrigen, streng epischen Arten der Erzählung tritt aufs Deutlichste schon in ihrer äußeren Gestalt hervor, welche jenen lyrisch - epischen Dichtungen niemals die unsangbare Form der Prosa gestattet, während alle übrigen Erzählungsarten neben der Form in gebundener auch eine in ungebundener, prosaischer Sprache ausgebildet haben, wo die Lettere nicht gar zur ausschließlichen Herrschaft gelangt ist. Diese Theilung in zwei Weisen der Darstellung bleibt indessen ohne jeden Einfluß auf die Gliederung der epischen Dichtungsarten, die sich, wie bereits erwähnt, weniger ihrem Wesen nach, als durch die ihnen zugewiesenen besonderen Stoffgebiete unterscheiden: für den Begriff der Erzählungen, Märchen, Fabeln u. s. w. bleibt es durchaus gleichgültig, ob sie in gebundener oder in ungebundener Sprache erscheinen.

Die poetische Bedeutung der eigentlichen Erzählung, so wie der meisten übrigen rein epischen Erzählungsformen, beruht nahezu ausschließlich auf der zur Darstellung gebrachten Begebenheit, während die äußere Weise der Darstellung nur das mehr oder minder glänzende Gewand ist, mit welchem der Dichter seine poetische Schöpfung bekleidet oder schmückt, also eine subjective Beigabe zu dem objectiven Kerne der Erzählung. Hieran muß durchaus festgehalten werden, wenn der Schwerpunkt der poetischen Thätigkeit und der poetischen Bedeutung nicht verrückt, nicht von dem Wesen der Sache auf deren Erscheinung verschoben werden soll, und es muß um so mehr daran festgehalten werden, als die Gefahr einer solchen Verrückung durch schlechte Dichtungen außerordentlich nahe gelegt wird, durch Dichterlinge, welche in epischen oder dramatischen Producten (denn auf dem Gebiete des Dramatischen liegen genau dieselben Verhältnisse vor) nicht künstlerisch organische Schöpfungen bieten, sondern nur Zerrbilder solcher Gestaltungen, diese aber in das bestechende Gewand einer glänzenden äußeren Darstellung hüllen, und solche aufgepußte Gliederpuppen als Kunstwerke in die Welt schicken. Es ist damit die Frage der künstlerischen Composition berührt. Die Meinung kann nicht die sein, daß die Stoffe, die Süjets der epischen oder dramatischen Dichtungen unter allen Umständen bedeutend und original, oder, wie der beliebte Ausdruck bei

Unterhaltungslectüre lautet, 'interessant und spannend' sein sollen, da ganze Gruppen von echt und tief poetischen Kunstwerken, z. B. alle Jdyllen, gerade die einfachsten Scenen des täglichen Lebens zum Gegenstande haben, und eine endlose Reihe von Stoffen mehrfache, selbst vielfache Bearbeitung findet, sondern die poetische Gestaltung des objectiv vorliegenden Materials soll eine künstlerisch organische, lebensfähige und belebte sein. Jede epische oder dramatische Dichtung bringt ein Stück Leben, einen kleineren oder größeren Ausschnitt aus dem Leben zur Darstellung, sei dieses Leben nun ein wirkliches, ein mögliches oder selbst nur ein geträumtes. Soll nun ein solcher Ausschnitt zu einem wirklichen Kunstwerke erhoben werden, so muß er zunächst ein einheitliches, in sich abgeschlossenes und abgerundetes Ganzes bilden, Anfang, Mitte und Ende müssen nicht nur in einem nothwendigen Zusammenhange stehen, sondern einander nothwendig bedingen; ferner aber müssen nicht allein die dargestellten Bege= benheiten und Handlungen, sondern eben so die dargestellten Personen organisch gegliedert und entwickelt sein, und in dem Charakter dieser Personen müssen jene Begebenheiten und Handlungen ihre naturgemäße und nothwendige Begründung finden. Auf dieser allgemeinen Disposition des Stoffes und diesem Ineinandergreifen von Personen und Handlungen beruht zunächst und vor allen Dingen der künstlerische Werth der poetischen Schöpfung, so hoch man auch die Bedeutung der weiteren Ausführung im Einzelnen und der daran sich schließenden Darstellungsweise anschlagen mag; und diese Auffassung muß den Maßstab abgeben sowohl für die kleinste Erzählung wie für den umfangreichsten Roman, wenn es darauf ankommt, über den Kunstwerth solcher Dichtungen ein Urtheil zu fällen.

Das Stoffgebiet, auf welchem die eigentliche Erzählung sich bewegt, ist das wirkliche Leben oder dessen Nachbildung. Damit ist die Verschiedenheit zwischen der Erzählung und den Formen des Sagenhaften oder Fabelartigen erschöpfend ausgesprochen, während der Unterschied zwischen den gemeinschaftlich aus der Wirklichkeit schöpfenden Erzählungsarten wesentlich darin liegt, daß die eigentliche Erzählung vorwiegend erzählt, und also in den erzählten Bege= benheiten selbst ihren Schwerpunkt findet, die übrigen hierher gehörigen Formen dagegen, namentlich der Roman und die Novelle, in der Darstellung eines Culturbildes und der Charakterschilderung der handelnden Personen gipfeln. Die Erzählung hat deshalb keinen einzelnen Helden, um welchen das gesammte Material der Dichtung sich gruppirt und welcher daher als der Mittelpunkt der ganzen Dichtung und der Repräsentant der künstlerischen Einheit sich darstellt, sondern die auftretenden Personen erscheinen hier nur als die Träger der erzählten Begebenheiten und diese selbst bleiben das letzte Ziel. Daher tritt in der Erzählung auch die Kunst des Erzählens bei Weitem mehr hervor, als im Romane; der Erzähler steht uns dort näher, weil wir mit seinen Augen sehen

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und mit seinen Ohren hören, während im Romane die Personen fast dramatisch selbstredend und selbsthandelnd auftreten, und ein Gemälde vor uns aufgerollt wird, welches wir mit eignen Augen betrachten müssen. Daß aber auch hier die Grenzen beider Darstellungsweisen vielfach unmerklich in einander übergehen, und auch äußerlich Manches als Roman bezeichnet wird, was bloße Erzählung ist, und umgekehrt, kann bei der Feinheit des Unterschiedes nicht auffallen, liegt doch schon in der gewöhnlichen Anwendung des Wortes 'romanhaft' zur Bezeichnung von ungewöhnlichen, unwahrscheinlichen oder gar wunderbaren Begebenheiten und deren Verknüpfung oder Anhäufung eine Verwechslung der Art zu Grunde, da das in solcher Weise Bezeichnete keineswegs dem Romane, sondern gerade der Erzählung angehört. Solche Verwechslungen liegen übrigens um so näher, als der Begriff des Romans und der Novelle sich erst in neuerer Zeit vollständig scharf entwickelt hat, und die in früherer Zeit Romane und Novellen genannten Dichtwerke fast ausnahmlos Erzählungen, zum Theile sogar Erzählungen der ungeheuerlichsten Art waren.

Die Widersprecherin.

Ismene hatte noch, bei vielen andern Gaben,

Auch diese, daß sie widersprach.

Man sagt es überhaupt den guten Weibern nach,

Daß alle diese Tugend haben;

Doch, wenn's auch tausendmal der ganze Weltkreis spricht,

So halt' ich's doch für ein Gedicht

Und sag' es öffentlich: ich glaub' es ewig nicht.

Ich bin ja auch mit mancher Frau bekannt,

Ich hab' es oft versucht und manche schön genannt,

So häßlich sie auch war, bloß, weil ich haben wollte,
Daß sie mir widersprechen sollte;

Allein sie widersprach mir nicht,

Und also ist es falsch, daß jede widerspricht.

So kränkt man euch, ihr guten Schönen!

Jett komm' ich wieder zu Ismenen.

Ismenen sagte man's nicht aus Verleumdung nach;

Es war gewiß, sie widersprach.

Einst saß sie mit dem Mann bei Tische;

Sie aßen unter Anderm Fische,

Mich däucht, es war ein grüner Hecht.

Mein Engel, sprach der Mann, mein Engel, ist mir recht,

So ist der Fisch nicht gar zu blau gefotten.

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Das, rief fie, hab' ich wohl gedacht,

So gut man auch die Anstalt macht,

So finden Sie doch Grund, der armen Frau zu spotten.

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