Page images
PDF
EPUB

Doch zürnt dem armen Knaben nicht der höchste Gott,
Der ihm das Rauchfaß knieend bei der Messe schwingt;
Ich lasse mir dein Lob gefallen: Räuchere!

Verstand.

Wer kann erschöpfen dein Verdienst ?

Nimmermann.

Ich bin zugleich

Poet und Kriminaljurist und Recensent,

Von drei Talenten eine Tripelallianz !

Verstand.

Wie ist der Staat zu beneiden, dem Du dergestalt
Nach allen Seiten dienst!

Nimmermann.

Es ist der preußische.

Verstand.

Glückseliges Oestreich!

Nimmermann.

Bin ich nicht ein großer Mensch?

Berlin vergöttert meine Kunst, und meiner Kunst
Kritiken stehn im Hegelischen Wochenblatt,

Als Pfand von seinem Werthe. u. s. w.

Die Parodie und. Travestie.

§ 59. Parodie und Travestie beruhen auf der Umgestaltung eines bereits vorhandenen Gedichtes, und entsprechen also theoretisch durchaus dem Begriffe der Poesie und der Beschreibung, vorausgeseßt, daß diese Umgestaltung in der Fantasie ihre Ursprungsstätte hat. Das ist freilich selten der Fall, und Parodien wie Travestien haben deshalb nur selten wirklich poetischen Werth; aber jene Grundbedingung selbst vorausgesetzt, stehen sie, doch auf der niedrigsten Stufe der dichterischen Schöpfung, nicht weil sie fast ausnahmslos der niedrigsten Komik dienen, sondern weil sie der selbstständig poetischen Thätigkeit nur einen äußerst geringen Spielraum darbieten, indem sie nach der einen oder anderen Seite hin vollständig an ihr Vorbild gebunden sind. Mit der Beschreibung haben diese Dichtungsarten nichts weiter gemein, als die Auffassungs- und Entstehungsweise, und finden, außer etwa wegen ihrer häufigen Verwendung zur Satire, nur deshalb an dieser Stelle Erwähnung, weil eine passendere ihnen nicht anzuweisen ist; sie können überall und nirgends

besprochen werden, da sie durch ihre unlösbare Gebundenheit an die innere Gestaltung oder die äußere Form eines Originals stets der Dichtungsgattung und Dichtungsart dieses Originals angehören.

Parodie und Travestie haben das Gemeinsame, daß sie ein bereits vorhandenes und als allgemein bekannt vorausgesetztes Gedicht nachbilden und zunächst durch den Contrast zu diesem wirken. Die Parodie spiegelt den Entwickelungsgang, die Sprache und die äußere Form ihres Vorbildes ab, aber in der Uebertragung auf einen anderen, wenn auch nahe verwandten Gegenstand oder Gedankenkreis; sie hat also an sich einen durchaus ernsten Charakter, und wird zu komischen, humoristischen oder satirischen Zwecken nur dadurch geeignet, daß Gedankengang, Sprache und Form des Originals der Darstellung eines niedrigeren Gegenstandes dient, wobei nicht allein die Wirkung des Lächerlichen erreicht, sondern auch das Original satirisch hinabgezogen wird.

Die Travestie dagegen dient ausschließlich dem Humor und der Satire; fie behält den Gegenstand ihres Vorbildes bei, aber zieht ihn durch umgekehrte Behandlung und Sprache ins Niedrige und Gemeine hinab. Es ist flar, daß diese Dichtungsart nur sehr selten, vielleicht nur in der satirischen Geiselung falscher Gefühlsrichtungen und Darstellungsweisen, eine höhere Bedeutung erlangen kann.

Sehnsucht.

(Parodie zu Goethe's: Kennst du das Land 2c.)

iehst du das Licht, das jenseits unbegrenzt
Aus tausend. Welten auf uns niederglänzt?
Aus

In das der Nächte Finsterniß nicht dringt,

Das rein und frei sich durch den Aether schwingt ? ·
Siehst du das Licht?

[ocr errors]

Dahin, dahin

Laß aus des Lebens banger Nacht uns fliehn!

Siehst du das Blau, das jeden Stern umschließt?
Den Aether, der durch alle Wellen fließt?

Der nie getrübt, von keinem Sturm bewegt,
Den Strahl des reinsten Lichtes trinkt und trägt?
Siehst du das Blau? Dahin, dahin
Laß aus des Lebens Nebelluft uns fliehn!

Siehst du den Stern, der dort so hell uns glänzt,
Wo keine Nacht des Lebens Traum begrenzt?
Wo keines Truges Gaukellicht uns scheint,
Kein Donner rollt, kein liebend Auge weint?
Siehst du den Stern? Dahin, dahin
Laß aus des Lebens Thränenthal uns fliehn!

Bretschneider.

[blocks in formation]

Die Erscheinung im Kaffeesaale.

n einer Stadt bei jungen Frauen
Erscheint - nach jedem Mittagsmahl,
So wie der Kaffee sich läßt schauen,
Ein geistig Wesen in dem Saal.

Es ist nicht in dem Saal geboren,
Man fragt es nicht, woher es kam;
Doch schnell ist seine Spur verloren,
Sobald man wieder Abschied nahm.

Vereinigend ist seine Nähe,
Und alle Lippen thun sich auf,
Und keine Würde, keine Höhe,
Hemmt ihres Wörterstromes Lauf.

Es bringet Fehler mit und Namen,
Gemerkt in einem andern Haus,
Bei eingebildeteren Damen,
Auf einem andern Kaffeeschmaus.

Es schenket Jeder eine Gabe,
Der Wit und Jener scharfen Blick,
Der Jüngling, wie der Greis am Stabe,
Ein Jeder kommt beklatscht zurück.

Zum Tadel dienen alle Gäste;
Doch birgt sich wo ein liebend Paar,
Das gibt der Kaffeereden beste,
An dem läßt man kein gutes Haar.

. Röller.

(Aus Blumauer's 'Aeneis travestirt'.)

er Sturm erhob sich immer mehr
Mit jedem Augenblicke,
Die Blize schlugen kreuz und quer
Das Firmament in Stücke.
Der Donner ging ohn' Unterlaß
Bald im Distant und bald im Baß,
Der Wind akkompagnirte.

Aeneas schrie und zitterte
An Händen und an Füßen:
"O hätt' ich doch, wie andere,
Zu Haus in's Gras gebissen!
So aber muß ich armer Gauch
Vielleicht in einem Wallfischbauch
Mein Heldenleben enden!"

[blocks in formation]

§ 60. Von der echt poetischen, also belebten und belebenden Beschreibung zu der zweiten Darstellungsform der Epik, zur eigentlichen Erzählung, ist nur ein Schritt. Das beiden Gemeinsame wird durch den gemeinsamen Namen der Schilderung ausgesprochen, während ihre Verschiedenheit darin beruht, daß die Beschreibung überall nur eine einzelne Scene schildert, die Erzählung dagegen eine ganze Handlung, eine Gruppe von Scenen in dem Zusammenhange ihrer Ursachen und Wirkungen. Wir nennen daher die Schilderung eines Naturereignisses noch Beschreibung, und wenn Menschen in denselben auftreten, so, erscheinen sie nur als Staffage; bei der Erzählung aber tritt umgekehrt die Natur mit ihren Ereignissen in den Hintergrund, und die Handlungen denkender und fühlender Menschen oder doch menschenartig dargestellter Wesen bilden den Mittelpunkt der Schilderung. Die Beschreibung schildert also nur Thatsachen oder höchstens Ereignisse, die Erzählung dagegen Begebenheiten.

Die einzelnen Arten der erzählenden Dichtung unterscheiden sich, wie bereits angedeutet, wesentlich nur durch die in ihnen behandelten Stoffkreise, und zwar ist der Verhalt so, daß einige Arten auf einen einzelnen Darstellungskreis beschränkt sind, andere aber, namentlich die umfangreicheren Formen, einen

größeren Kreis, selbst das gesammte epische Stoffgebiet umfassen und in der Behandlung eines einzelnen Feldes wieder besondere Unterarten hervorbringen. So entstehen z. B. die Unterarten des Epos und des Romans. Jene Kreise sind neben der allgemeinen Theilung in Geistliches und Weltliches besonders das Sagenartige, das dem wirklichen Leben Entnommene oder Nachgebildete,. und das Ethisch symbolische, dem unberechtigter Weise meistens wieder eine didaktische Tendenz untergelegt wird. Bei dieser Gliederungsweise darf indessen nicht außer Acht bleiben, daß die einzelnen Stoffgruppen der erzählenden Dichtung vielfach in einander übergreifen, und daß theils hieraus, theils aber aus dem größeren oder geringeren Einflusse lyrischer und selbst dramatischer Elemente mannigfache Mischformen und Spielarten entstehen, die den einmal gebräuchlichen Formen und deren Bezeichnungen nur widerwillig sich unterordnen.

Die epische Dichtung kann sich nämlich, wie die dramatische, der Einwirkung des lyrischen Elementes nur selten völlig entziehen; sobald es darauf ankommt, den inneren Znsammenhang der Begebenheiten poetisch darzustellen, die Motive der Handlung dichterisch zu entwickeln, also über den niedrigen Kreis des Anekdotenhaften und Chronikartigen hinauszugehen, ohne damit rein. historisch zu werden, muß der Dichter die Gemüthsregungen und Gemüthszustände der handelnden Personen schildern, und tritt damit sofort auf den Boden der Lyrik; freilich ist dies nicht die Lyrik des eigensten, unmittelbarsten Ergusses aus der Seele des Dichters, sondern die mehr objective, schon dramatisch anklingende Form, die aus der Seele eines Andern heraus dichtet, und die, wenn die handelnden Personen selbstredend auftreten, unmittelbar zur Dramatik übergeht, die aber doch stets und mit Recht der lyrischen Poesie zugezählt worden ist. Weitere zu Mischformen und Uebergangsarten Veranlassung gebende Berührungspunkte zwischen der lyrischen und epischen Dichtung werden sich bei der Betrachtung der einzelnen Erzählungsarten herausstellen.

Die Ballade und Romanze.

§ 61. Die Grenze oder der Uebergang von der lyrischen zur epischerzählenden Darstellung wird durch zwei Formen bezeichnet, durch die Ballade und die Romanze. Beide stehen auf demselben Boden, in Beiden ist die Erzählung nicht Selbstzweck, sondern dient nur als Mittel zur Ausprägung einer Stimmung, und das ist die lyrische Seite jener Formen. Es muß sich demgemäß die epische Stimmungspoesie genau verhalten, wie die lyrische, wie das Lied, und daraus erklärt sich die Verwandtschaft jener Darstellungsweise mit dem Liede. Diese Verwandtschaft ist zunächst in der gemeinschaftlichen Aufgabe der Stimmungsmalerei begründet, welche die Romanze und Ballade sowohl der Form wie dem Inhalte nach liedartig erscheinen läßt

eine

« PreviousContinue »