Page images
PDF
EPUB
[merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]
[blocks in formation]
[blocks in formation]

§ 52. Die poetische Epistel ist eine Form der subjectiven. Dichtung, die ihren Inhalt nicht nothwendig dem didaktischen oder ethischen Gebiete zu entnehmen braucht, sondern eben so wohl rein lyrisch und selbst episch sein fann - wie auch der gewöhnliche Brief des täglichen Lebens, als die ungebundenste Weise der schriftlichen Mittheilung, für Alles Raum bietet, was dem Schreiber im Augenblicke auf dem Herzen liegt und die also an dieser Stelle nur deshalb Erwähnung findet, weil sie vorwiegend zu ethischen Darstellungen verwendet zu werden pflegt. Daß in der Periode der poetischen Episteln die Grenzen des Poetischen auch auf diesem Gebiete vielfach überschritten sind, und die Briefform häufig zu bloßen Versificationen der alltäglichsten Dinge benutzt wurde, bedarf bei der schrankenlosen Ungebundenheit dieser Dichtungsart kaum einer besonderen Erwähnung.

Heroide wird nach dem Vorgange Ovids eine besondere Art der Epistel genannt, nämlich der vom Dichter den Heroen und Heroinen des Alterthums, oder überhaupt berühmten, meist schon verstorbenen, oder endlich durchaus fingirten Personen untergelegte Briefverkehr, während in der eigentlichen Epistel höchstens der Adressat fingirt ́ zu sein pflegt, der Dichter aber im eignen Namen schreibt.

Aeber das Lesen.

(Abgekürzt.)

ezt, da Jeglicher lies't, und viele Leser das Buch nur
Ungeduldig durchblättern und, selbst die Feder ergreifend,
Auf das Büchlein ein Buch mit seltener Fertigkeit pfropfen,
Soll auch ich, du willst es, mein Freund, dir über das Schreiben
Schreibend die Menge vermehren und meine Meinung verkünden,
Daß auch Andere wieder darüber meinen, und immer

So in's Unendliche fort die schwankende Woge sich wälze.
Doch so fähret der Schiffer dem hohen Meer zu, sobald ihm
Günstig der Wind und der Morgen erscheint; er treibt sein Gewerbe,
Wenn auch hundert Gesellen die blinkende Fläche durchkreuzen.

Edler Freund, du wünscheft das Wohl des Menschengeschlechtes,
Unserer Deutschen besonders, und ganz vorzüglich des nächsten
Bürgers, und fürchtest die Folgen gefährlicher Bücher; wir haben
Leider oft sie geseh'n. Was sollte man oder was könnten
Biedere Männer vereint, was könnten die Herrscher bewirken?
Ernst und wichtig erscheint mir die Frage, doch trifft sie mich eben

In vergnüglicher Stimmung; im warmen, heiteren Wetter

[ocr errors][merged small]

Ueber die wallende Fluth süß duftende Kühlung herüber,
Und dem Hirten erscheint die Welt auch heiter, und ferne
Schwebt eine Sorge mir nur in leichten Wölkchen vorüber.

Doch ich fahre bedächtiger fort. Du sagst mir: So möchte
Meinetwegen die Menge sich halten im Leben und Lesen,
Wie sie könnte; doch denke dir nur die Töchter im Hause,
Die mir der kuppelnde Dichter mit allem Bösen bekannt macht!

Dem ist leichter geholfen, verset' ich, als wohl ein And'rer
Denken möchte. Die Mädchen sind gut, und machen sich gerne
Was zu schaffen. Da gib nur dem einen die Schlüffel zum Keller,
Daß es die Weine des Vaters besorge, sobald sie vom Winzer
Oder vom Kaufmann geliefert die weiten Gewölbe bereichern.
Manches zu schaffen hat ein Mädchen, die vielen Gefäße,
Leere Fässer und Flaschen in reinlicher Ordnung zu halten.
Dann betrachtet sie oft des schäumenden Mostes Bewegung,
Gießt das Fehlende zu, damit die wallenden Blasen
Leicht die Oeffnung des Fasses erreichen, trinkbar und helle
Endlich der edelste Saft sich künftigen Jahres vollende.
Unermüdet ist sie alsdann zu füllen, zu schöpfen,
Daß stets geistig der Trank und rein die Tafel belebe.

Laß der Andern die Küche zum Reich; da gibt es, wahrhaftig!
Arbeit genug, das tägliche Mahl, durch Sommer und Winter,
Schmackhaft stets zu bereiten und ohne Beschwerde des Beutels.
Denn im Frühjahr sorget sie schon, im Hofe die Küchlein
Bald zu erziehen und bald die schnatternden Enten zu füttern.
Alles, was die Jahreszeit gibt, das bringt sie bei Zeiten
Dir auf den Tisch, und weiß mit jeglichem Tage die Speisen
Klug zu wechseln, und reift nur eben der Sommer die Früchte,
Denkt sie an Vorrath schon für den Winter. Im kühlen Gewölbe
Gährt ihr der kräftige Kohl und reifen im Essig die Gurken;
Aber die luftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens.
Gerne nimmt sie das Lob vom Vater und allen Geschwistern,
Und mißlingt ihr etwas, dann ist's ein größeres Unglück,
Als wenn dir ein Schuldner entläuft und den Wechsel zurückläßt.
Immer ist so das Mädchen beschäftigt, und reifet im Stillen
Häuslicher Tugend entgegen, den flugen Mann zu beglücken.

Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch,
Deren hunderte schon die eifrigen Preffen uns gaben.

Eine Schwester besorget den Garten, der schwerlich zur Wildniß,
Deine Wohnung romantisch und feucht zu umgeben, verdammt ist,
Sondern in zierliche Beete getheilt, als Vorhof der Küche,
Nügliche Kräuter ernährt und jugendbeglückende Früchte.

Patriarchalisch erzeuge so selbst dir ein kleines gedrängtes
Königreich und bevölk're dein Haus mit treuem Gefinde.
Hast du der Töchter noch mehr, die lieber sigen, und stille
Weibliche Arbeit verrichten, da ist's noch besser; die Nadel
Ruht im Jahre nicht leicht; denn, noch so häuslich im Hause,
Mögen sie öffentlich gern als müßige Damen erscheinen.

Wie sich das Nähen und Flicken vermehrt, das Waschen und Biegeln
Hundertfältig, seitdem in weißer arkadischer Hülle

Sich das Mädchen gefällt, mit langen Röcken und Schleppen
Gassen kehret und Gärten, und Staub erreget im Tanzsaal.
Wahrlich! wären mir nur der Mädchen ein Dugend im Hause,
Niemals wär' ich verlegen um Arbeit: sie machen sich Arbeit
Selber genug; es sollte kein Buch im Laufe des Jahres
Ueber die Schwelle mir kommen, vom Bücherverleiher gesendet!

Goethe.

B

Neoptolemus an Diokles.

ruder, gedenkst du noch mein, dès Fremdlings, welchen sein Trieb erst, Dann die Länder, das Meer, endlich der Tod dir entfernt?

Indien hegt mein Grab: da wölbt sich auf einsamer Eb'ne

Bambus über ihm hin, schirmend vor sengendem Strahl.
Aber es wehrt nicht Land, nicht Meer dem entkörperten. Schatten,
Daß er die Heimath oft voriger Wünsche besucht,

Und im Herzen der Freunde mit leisem Geistergelispel

Bei sehnsüchtigem Weh liebliche Schauer bewegt.

Siehe, du lebst und blühst in der Vollkraft männlicher Jahre;

Mich Unwilligen riß feindlich die Parze hinweg.

Denn ich strebte nach Thaten und Ruhm: und Thaten und Ruhm find
Nicht mir geworden, ich ging in der Vergessenheit Nacht!-

Eitler Ruhm! des Glücks, der Gelegenheit prahlender Herold,
Geht er die schweigende That innen im Busen vorbei.
Bruder, was rühm' ich mich dir? Du hast, zwar Knabe noch damals,
Muthig und edel entflammt selber den Jüngling geseh'n.

Mich verfehlte das Loos, mich schienen die Schlachten zu fliehen:
Kaum mit des Forschens Genuß täuscht' ich den strebenden Geist.
Bald durchspäht' ich von Neuem der zirkelnden Maße Geheimniß,
Bald Jahrbücher des Kriegs, stolzer Eroberer Kunst.
Labte mich dann bei Dichtern, den ewigen, mächtig des Zaubers,
Der Zeitalter hindurch, Zonen hinüber auch, gilt.
Ferner die Sitten des Volks, die Rechte gesonderter Stämme,
Jeglicher Zeit Denkmal war ich zu kennen bemüht.
Dunkel lockte mich noch der Braminen würdige Weisheit,
Welche Europa's Sucht, trügenden Handels Verkehr,

« PreviousContinue »