Page images
PDF
EPUB

Aphra Behn. Aber sie hat achte Lustigkeit und trefflichen Situationswik. Ein Lustspiel von ihr »The busy-body« findet unter dem Titel »>Er mengt sich in Alles« noch heut auf allen deutschen Bühnen den lebhaftesten Beifall.

II.

Die moralischen Wochenschriften.

Zeiten, in denen das lehrhaft Betrachtende vorwiegt, haben immer eine ganz besondere Hinneigung zu Zeitschriften und Romanen. Diese Gattungen stellen nicht die höchsten Kunstforderungen, und sie greifen zugleich am unmittelbarsten ins Volk ein.

Wir brauchen nur die Fabeln von Dryden, die Charakteristiken von Shaftesbury und die Bienenfabel von Mandeville ins Auge zu fassen; aus allen ihren Spalten lugt der leicht: geschürzte Journalartikel, der Keim der Novelle, und die bequeme und läßliche Haltung der Romandichtung.

Diese Anfänge werden jest naturgemåß weitergebildet. Und es ist um so wichtiger, sorgsam auf sie zu achten, als wir gerade hier am anschaulichsten sehen, wie gar viele Umstånde erfreulich zusammenwirken, um die Volksstimmung, die in der Zeit der Stuarts so entseßlich frech und ausschweifend gewesen, allmålich zu mildern und zu veredeln. Am einflußreichsten find auch hier die religiösen Bewegungen. Denn es zeigt sich deutlich, daß selbst Diejenigen, die dem philosophischen Deismus entschieden abhold sind, sich nichtsdestoweniger immer mehr dem ausschließlich Kirchlichen abwenden und dafür nur um so eifriger auf strengste Sittlichkeit und religiöse Duldsamkeit dringen.

Richard Steele, im Jahre 1675 zu Dublin von englischen Eltern geboren, war der Begründer der sogenannten moralischen Wochenschriften in England. Es waren zwar in England schon seit 1602, also seit långer als hundert Jahren, politische und hie und da wohl auch theologische Zeitschriften erschienen, ja Daniel Defoe, der spåter besonders als Verfasser des Robinson Crusoe bekannt ward, hatte in seiner Review von 1704 an sogar schon den Versuch gemacht, eine von ihm als Scandal-Club bezeichnete Unterabtheilung einzuführen, in der er moralische und dichterische Fragen behandelte. Aber Steele war der Erste, der für diese moralischen und dichterischen Fragen eine eigene und ausschließliche Zeitschrift zu gründen wagte. Dieser erste Versuch war der Tatler oder der Plauderer.

1.

The Tatler, der Plauderer.

Am 12. April 1709 erschien die erste Ankündigung und das Probeblatt. Sie führten den Titel »The Tatler von Isaak Bickerstaff, Esquire«. Isaak Bickerstaff war damals eine allgemein bekannte komische Maske, deren Erfindung ursprünglich Swift gehörte. Swift nämlich hatte 1707 unter diesem Namen einige höchst ergößliche Spottschriften gegen den Kalendermacher John Partridge geschrieben, der durch seine albernen Prophezeiungen dem herrschenden Volksaberglauben sehr gefährlichen. Vorschub leistete. Und so war Herr Bickerstaff bei allen Schöngeistern, ja selbst im Volkswiß der damaligen Zeit so sehr in Umlauf gekommen, daß man ihm ganz allgemein alle Thorheiten, Wise und Anzüglichkeiten unterzulegen pflegte. Steele machte von dieser Tageslaune Gebrauch; nicht blos, weil er sich für den äußeren Erfolg von ihr viel Vortheil versprechen durfte, sondern auch, weil, wie er in der Schlußnummer des Tatler

selbst sagt, Herr Bickerstaff mehr Maskenfreiheit für die Satire hatte. Herr Bickerstaff ist der Urahn des Punch.

Die nächste Veranlassung des Tatler war eine zufällige. Steele war Herausgeber der »Gazette«, das heißt der officiellen Regierungszeitung. In dieser konnte er sich nicht so frei bewegen, wie in seinem Wunsch lag. Steele beschloß daher, neben dieser amtlichen Zeitung noch eine andere Zeitschrift zu gründen, in der er die ihm zugegangenen Nachrichten unbefangener benuben könne. Und diesen Plan verwirklichte er um so eifriger, als dabei in ihm noch eine andere Neigung ins Spiel kam. Steele war schon seit långerer Zeit als moralischer Schriftsteller aufgetreten. Nach einem ziemlich lockeren Leben hatte er im Jahre 1701 als junger Officier eine kleine moralische Schrift »der christliche Held« (the christian Hero) und mehrere moralisirende Lustspiele geschrieben, die sämmtlich mit vielem Beifall aufgeführt waren. Beide Seiten seiner Thätigkeit, die politische und die moralisirende, wollte Steele in dieser neuen Zeitschrift vereinigen. Mit den politischen Neuigkeiten sollten Sittenschilderungen, erbauliche Betrachtungen, Theater- und Kunstkritiken Hand in Hand gehen.

Herr Bickerstaff führte sich mit folgender Ankündiguug ein: "Obgleich die anderen Blåtter, die zu Nuß und Frommen des guten englischen Volks veröffentlicht werden, gewiß einen sehr heilsamen Einfluß ausüben und ein jedes von ihnen in seiner Art sehr löblich ist, so scheinen sie mir dennoch nicht das zu erreichen, was nach meiner bescheidenen Meinung ihr hauptsächlichster Zweck sein sollte. Die Politiker gehen so ganz und gar in dem öffentlichen Leben auf, daß sie über den Staatsverhandlungen ihre eigenen Geschäfte vergessen. Es ist daher gewiß ein eben so barmherziges als nothwendiges Unternehmen, wenn ich hier etwas biete, das zugleich eine belehrende und zum Denken. anregende Unterhaltung ist. Dies soll Zweck und Ziel meines

Blattes sein. Ich werde von Zeit zu Zeit über alle möglichen Stoffe, die mir aufstoßen, berichten und über sie Betrachtungen anstellen; und diese Berichte und Betrachtungen werde ich jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag, als an denjenigen Tagen, an welchen die Posten in das Land abgehen, herausgeben. Dabei hoffe ich auch, zur Unterhaltung des schönen Geschlechts beizutragen; wenigstens habe ich ihm zu Ehren gerade diesen Titel des Blatts gewählt. Ich bitte daher Alle ohne Unterschied, das vorliegende Blatt unentgeltlich als Geschenk anzunehmen; spåter gebe ich jedes Blatt um den Preis von Einem Penny, denn ich habe große Ausgaben, sowohl indem ich selbst mir den nöthigen Unterhaltungsstoff herbeischaffe, als auch indem ich ihn großentheils von Correspondenten aus allen Enden der Welt beziehe. Und da der Erdball nicht blos in den Hånden von lauter Geschäftsleuten ist, sondern auch die Menschen von Geist und Wih auf ihm eine bedeutende Rolle spielen, so will ich, wenn eben politische Neuigkeiten mangeln, nicht weiter viel fremde Edicte und langweilige Proclamationen mittheilen, sondern dafür lieber Vorgänge und Gespräche erzählen, die sowohl hier in der Stadt als auswärts die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich werde die Blåtter von denjenigen Orten aus datiren, deren Schild den Leser von vornherein auf den Stoff, den er zu erwarten hat, vorbereitet. Alle Erzählungen der Galanterie, des Vergnügens und der Unterhaltung erscheinen unter dem Schilde von White's Chocoladenhaus, die Dichtung unter dem von Will's Kaffeehaus, die Wissenschaft unter dem des Griechen, die inneren und auswårtigen Angelegenheiten unter dem von James' Kaffeehaus; und was ich etwa außerdem noch Bemerkenswerthes zu geben habe, von meiner eigenen Wohnung."

Diesen Plan hielt der Tatler zunächst auch fest. Fast jedes einzelne Blatt bringt Mittheilungen aus allen Gebieten; die Stoffe wechseln in rascher und anziehender Folge. Bald lassen

wir uns vom Kriegslager des Herzogs von Marlborough oder von den Reisen und Familienereignissen der europäischen Höfe erzählen; bald sizen wir in Will's Kaffeehaus in Russellstreet, an der Ecke von Bowstreet, das damals der Sammelplah der berühmtesten englischen Schöngeister war, und lauschen auf das belebte Gespräch über die Neuigkeiten der Literatur und der Bühne; bald locken uns die Gelehrten des griechischen Kaffee= hauses unter die Helden Homer's und Virgil's oder unter die großen Gestalten der griechischen und römischen Geschichte; bald durchwandern wir mit Herrn Bickerstaff die Straßen von London, beschauen Menschen und Sitten und prüfen die Gewohnheiten und Einrichtungen des öffentlichen und häuslichen Lebens; oder wir lassen uns endlich wohl gar, wenn Herr Bickerstaff gerade einmal zufällig verreist oder sonst dringend beschäftigt ist, von seiner Halbschwester Fräulein Jenny Distaff in angenehmer Geschwähigkeit von allerlei Anliegen und Geheimnissen des weiblichen Herzens unterrichten. In allen diesen Beobachtungen und Erzählungen lebt ein leichtes und fröhliches Herz, das nicht gerade die tiefsten und schwierigsten Fragen des menschlichen Den= kens und Handelns ergreift, aber immer unterhaltend, anregend, meist auch erschöpfend vor sich hin plaudert.

Der Erfolg war glänzend. Nicht nur, daß diese Blåtter sogleich als Zeitschrift eine unerwartet weite Verbreitung gewannen, sondern sie wurden auch alsbald, wie Nathan Drake in seinen ermüdend weitschweifigen, aber gründlichen Essays illustratives of the Tatler, Spectator and Guardian. London 1805, Bd. 1, S. 80 erzählt, gesammelt und in stattlichen Octavbånden verkauft. Der erste Band erschien am 10. Juli 1710, der zweite am 1. September desselben Jahres, und der dritte und vierte 1711. Jeder Band kostete den damals sehr hohen Preis einer Guinee.

Von allen Seiten kamen Mitarbeiter, und unter diesen wa=

« PreviousContinue »