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theilung geschah erst im Februar 1685. Wenn einige Geschichtschreiber diese Mittheilung in das Jahr 1683 sehen, so beruht dies auf offenkundigem Irrthum.

Nun schrieb Newton sein großes Werk, »Die mathematischen Grundsåße der Naturphilosophie, Philosophiae naturalis principia mathematica«, das nicht blos die Astronomie, sondern die gesammte mechanische Naturwissenschaft umfaßt. Am 28. April 1686 reichte er vollständig das erste Buch an die königliche Societåt ein, im Mårz 1687 das zweite, am 6. April desselben Jahres das dritte und lehte. Newton konnte sich daher mit Recht rühmen, daß er sein großes und umfangreiches Werk in siebzehn bis achtzehn Monaten vollendet habe. Diese Schnelligkeit der Arbeit ist so staunenerregend und so durchaus alle menschliche Kraft überstei= gend, daß sie schlagend beweist, wie der Verfasser schon lange vor ihrer Veröffentlichung die Grundlehren fertig mit sich herumtrug. Es ist kein Zweifel, daß er sie auf dem Wege der Differenzialrechnung fand; öffentlich aber stüßte er sie auf die althergebrachte, allgemein übliche Beweisführung.

Die Societat richtete im Namen der ganzen Körperschaft einen ehrenden Dankbrief an Newton und beschloß am 19. Mai, daß das Werk sofort mit prächtiger Schrift in Großquart auf Kosten der Societåt gedruckt werden solle. Leider aber war gerade damals die Kasse durch Willoughby's Geschichte der Fische sehr erschöpft; vielleicht übte auch der Neid seine Gegenwirkung, wenigstens wissen wir, daß Hooke, ehrgeizig und mißgünstig, auf die Ehre der ersten und ursprünglichsten Urheberschaft Anspruch machen zu müssen glaubte. Kurz, der Druck auf Kosten der Societat unterblieb; jedoch wurde am 2. Juni Edmund Halley beauftragt, Aufwand und Besorgung des Druckes zu übernehmen. Daher heißt es auf dem Titel, das Buch erscheine jussu, auf Befehl der Societat; nicht sumptibus, auf Kosten derselben. Unter diesen Umständen wurde die Ausstattung ziemlich dürftig.

Es war ein kleiner Quartband, den man im Buchladen für zehn oder zwölf Schillinge verkaufte. Nichtsdestoweniger ist die Nachwelt Halley zum wärmsten Danke verpflichtet.

Ohne seine Vermittlung würde dies Werk wahrscheinlich nie oder doch nur sehr unvollständig erschienen sein. Es gehörte zu den Eigenthümlichkeiten Newton's, daß er ohne äußeres Drången seine Studien niemals veröffentlichte, und auch diesmal erschwerte Newton, wie noch vorhandene Briefe beweisen, seinem Freunde ganz entsehlich durch zögernde Peinlichkeit die Herausgabe.

Endlich im Sommer 1687 erschien nun das gewaltige Berk. Bald wurde die erste Auflage vergriffen. Aber erst 1713 erfolgte die zweite; 1726, ein Jahr vor Newton's Tode, die dritte.

Laplace hat dieses Werk Newton's das größte Werk des menschlichen Geistes genannt. Wer eine Einsicht in das Wesen und die Denkart des lehten Jahrhunderts hat, wird freudig diesem Lobe beipflichten.

Mit Newton's Entdeckung erhielt die Astronomie ihre lehte ewig gültige Vollendung. Die Thatsachen, die Copernicus richtig gesehen und Keppler in allgemeine Gesetze gebracht hatte, erscheinen jest nach ihren inneren Gründen und in ihrer allgemeinen Vernunftnothwendigkeit. Dieselbe Anziehungskraft, mit der ein fallender Stein von der Erde angezogen wird, geht durch alle Weltkörper, erstreckt sich auf jede noch so große Entfernung und erhält und ordnet die Planeten und Kometen in ihren Bahnen um die Sonne, den Mond in seiner Bahn um die Erde, die Nebenplaneten in ihren Bahnen um ihre Hauptplaneten.

Apelt hat in seinen Epochen der Geschichte der Menschheit« (Jena 1845. Bd. I. S. 289) die astronomische Bedeutung dieser Entdeckung ebenso schön als sachkundig geschildert. Er sagt: Durch Newton's Entdeckung der Gravitation ist die ganze phy

sische Astronomie zur Mechanik des Himmels verwandelt worden. Alle Lehrsätze jener Wissenschaft würden Folgensätze eines einzigen mechanischen Theorems. Die astronomischen Gesetze sind seitdem einzig auf das Gesetz der Schwere gegründet und entlehnen von den Beobachtungen blos die zufälligen Elemente, die auf keinem anderen Wege erlangt werden können. Die Keppler'schen Geseze ließen sich sogleich mit größter Strenge aus dem Princip der allgemeinen Anziehung ableiten. Aber dieses Princip leistete noch mehr, als sich selbst die kühnste Erwartung davon versprochen håtte. Die Störungen der elliptischen Planetenbahnen durch die gegenseitigen Einwirkungen der Körper auf einander, die verwickelten Anomalien des Mondlaufs, die Bewegung der Apsidenlinien, die Veränderung der Ercentricitaten und Neigungen, die Bewegung der Knotenlinien, die Gestalt der Himmelskörper, das Spiel der Ebbe und Fluth, alles das, ja selbst die Wiederausgleichung aller Störungen und die Unzerstörbarkeit des Weltgebäudes durch innere Ursachen, ergeben sich mit mathematischer Nothwendigkeit aus dem einzigen Grundsahe der allgemeinen Schwere.«

Viel wichtiger aber noch als die rein astronomische Seite ist die culturgeschichtliche. Eine Welt steht vor uns, ohne Wunder und Willkür, ohne Zweck und Absicht, in ihren kreisenden Bahnen rein in sich selbst ruhend und sich durch sich selber erhaltend; eine Welt der Vernunft und Wahrheit, eine Welt ewiger stillwaltender Gesetzmäßigkeit. Aus einer phantastischen Traumwelt tritt der Mensch erst jest in die Wirklichkeit der Natur ein. Die magischen Mächte der Astrologie sind entzaubert; die Wunder der alten Götterlehre werden, wie man geistreich gesagt hat, jest wissenschaftliche Thatsachen.

Schon die Zeitgenossen begriffen die großartige Tragweite dieses genialen Wurfs vollkommen. Halley führte die erste Ausgabe mit folgendem Gedicht ein:

Offen zeigen sichuns des Himmels innerste Tiefen,

Nicht mehr verbirgt sich die Kraft, die die äußersten Kreise beweget;
Ruhig stehet die Sonne, den Welten allen gebietend,

Sich zu richten nach ihr; denn dulden kann sie es nimmer,
Daß die wandelnden Sterne die richtigen Gleise verlassen,
Sondern sie regelt den Lauf, sich seßend zur Mitte des Weltalls.
Schen enthüllen sich uns der Kometen drohende Bahnen,
Wir bewundern nicht mehr des bärt'gen Gestirnes Erscheinung,
Kennen den Grund genau, warum die silberne Phöbe
Wandelt in schwankendem Schritt, warum nicht früher bereits
Sie gezügelt die Astronomie, warum ihre Knoten

Wiederkehren, warum ihre Scheibe sich füllet und mehret.
Ja, wir wissen, durch welche Gewalt die wechselnde Phöbe
Rückwärts treibet das Meer, das wallende Seegras entwurzelnd,
Und warum dann wieder die Fluth zum Ufer sich hindrängt,
Offen zeigend den Schiffern die drohend gefährliche Sandbank.
Immer beschäftigte dies den Geist der gewaltigsten Forscher.
Jest erkennen wir es, enthüllt ist für immer der Schleier.

Sterbliche, richtet euch auf und lasset die irdischen Sorgen,
Forscht und erkennet die Kraft des erigen himmlischen Geistes,
Breist den großen Entdecker der göttlichen Wahrheit, Newton,
Newton, der Musen Geliebten, die höchste Zierde der Menschen.
Sterblichen ist nicht vergönnt, den Göttern näher zu treten.

Newton vor Allen steht daher an der Spite jener befreienden Kämpfe, die das achtzehnte Jahrhundert zum Jahrhundert der Aufklärung gemacht haben. Und dieser Thatsache geschieht kein Abbruch, wenn auch Newton selbst in religiösen Dingen einen ganz anderen Weg wandelt. Newton allerdings seht nicht nur trotz seines allwaltenden Gravitationsgesetzes nach wie vor seinen Gott in unmittelbar eingreifende Thätigkeit, indem dieser, wie er sagte, von Zeit zu Zeit wieder einmal Hand an das Werk legen müsse, um das nach und nach hinschwindende Getriebe der Natur in neuen Schwung zu bringen; sondern er liebte es sogar, sich in den Propheten Daniel und in die Offenbarung Johannis zu vertiefen, um aus diesen allerlei Prophezeiungen herauszuklügeln. Schon Leibniz bekämpfte jene rebe Ansicht von der nothwendigen Nachhülfe und Ausbesserung

der verfallenden Schöpfung. Und was die Hauptsache ist, die theologischen Spielereien Newton's sind vergessen; seine tiefe Naturweisheit aber ist geblieben und bleibt in alle Ewigkeit. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.

3weites Capitel.

Die Anfänge des Deismus.

Herbert, Blount, die niederländischen Flüchtlinge.

Lord Shaftesbury der Aeltere, der berühmte und berüchtigte Staatsmann, unterhielt sich eines Tages mit einem Freunde über die Ursachen der Religionsverschiedenheit. Das Gespräch lief auf die Ueberzeugung hinaus, daß die vielen Spaltungen lediglich im Trug der Priester und in der Unwissenheit des Volks ihren Grund hätten, — alle verständigen Menschen seien ja doch von einer und derselben Religion. Und was für eine Religion ist dies? rief mit einiger Ueberraschung eine Dame, die im Zimmer anwesend war und die bisher nur auf ihre Nadel geachtet zu haben schien. Shaftesbury antwortete verlegen: Meine Beste, von dieser Religion sprechen verständige Männer nur unter sich.

Diese Erzählung, die uns John Toland aufbewahrt hat, wirft ein grelles Streiflicht auf die vornehme Welt der damaligen Zeit. Nicht blos Shaftesbury, sondern auch William Temple, Rochester, Buckingham, Mulgrave standen in Verdacht, mit ihrem Gott und der Kirche in sehr gespanntem Verhältniß zu leben. Wer die Denkwürdigkeiten des Grafen Grammont oder einige englische Lustspiele aus diesen Jahren gelesen hat, kann sich leicht in die frechen Wiheleien dieser Weltleute hineindenken.

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