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mit aller Ausgelassenheit des sprudelndsten Humors spielte, trugen, wie Ludwig Tieck in seinen kritischen Schriften (Thl. 2, S. 363) nach alten Bühnenüberlieferungen mittheilt, zu diesem allgemeinen Beifall das Ihrige bei. Schröder hat, freilich mit sehr bedeutenden Aenderungen, dies geistreiche Lustspiel in seinem Ring« nachgebildet und in dieser Umarbeitung ward es auch auf der deutschen Bühne heimisch. Ebenso bearbeitete Schröder »Sir Harry Wildair«; er gab ihm den Titel »die unglückliche Ehe durch Delikatesse«. Aus diesem Stück hat Kotzebue den Charakter des Grafen Klingsberg aufgegriffen und ihn selbständig weitergebildet. Durch diese und ähnliche Beispiele gewinnen wir schon hier vorläufig einen Einblick, wie ganz unmittelbar die englische Literatur dieser Zeit späterhin auf Gestalt und Entwicklungsgang der deutschen Literatur einwirkt.

Es ist äußerst lehrreich, zu beobachten, wie unablåssig in Farquhar die Regungen des Guten mit dem herkömmlichen Schlechten ringen. Zuleht aber ermatten sie wieder fast gänzlich.

Das erste Lustspiel »the love and a bottle« ist ganz entfeglich schlüpfrig; der Epilog wendet sich geradwegs an Collier und verspottet seine scharfe Strafpredigt wißig und unnachsichtlich. Aber schon in seinem zweiten Lustspiele, im "constant couple«, macht der Dichter jenen Angriffen die wesentlichsten Zugeståndnisse und erklärt in der Vorrede ausdrücklich, er habe sich sorgsam gehütet, die Zartheit der Frauen und die Sittenstrenge der Geistlichkeit in Verlegenheit zu setzen; ein Lustspiel könne auch ehne sinnliche Derbheit und unkirchlichen Frevel ergöhen. Jedoch sind diese guten Vorsäße nicht von langer Dauer. Die spåteren Stücke fallen in die alte Unart wieder zurück. Der Dichter verhehlt auch nicht den Grund, warum er seinem besseren Gewissen untreu geworden. In der Vorrede zu den Twin-rivals«<,

die ebenfalls leidlich anständig sind, aber wenig Beifall gefunden zu haben scheinen, sagt er: »Ich war bestrebt in diesem Stücke zu zeigen, daß das englische Lustspiel durchaus der Strenge des von der Sitte und von der Poesie geforderten Anstandes entsprechen könne. Aber ein großer Theil der englischen Zuschauerschaft ist anderer Meinung. Er besteht auf der gewohnten Ausschweifung der Dichter mit derselben Zähigkeit wie auf seiner bûrgerlichen Freiheit. Ein Lustspiel ohne modische Wüstlinge, ohne Tölpel, Hahnreis und Koketten scheint ihm ebenso dürftig und ungenügend wie ein Sonntagsessen ohne Rindfleisch und Pudding; denn so gestand mir einer von jenen Leuten, so fromm und züchtig auch Jemand zu Hause ist, so will er doch außer dem Hause immer etwas Kihelndes und Lüsternes sehen.« Farquhar war nicht stark genug, auf die füßen Reize des äußeren Erfolgs zu verzichten. So wahr ist es, daß ein Volk erst selbst besser werden muß, wenn es eine bessere Dichtung haben will.

Wir wenden uns zu Vanbrugh. An Frische und Kraft der Komik steht er seinem Vorgänger bedeutend nach; an sittlicher Reinheit überragt er ihn, obgleich auch er noch immerhin sehr verfänglich ist.

John Vanbrugh wurde um das Jahr 1672 aus einer schon lange in England angesiedelten flåmischen Familie geboren. Seines eigentlichen Zeichens ist er Architekt; er ist der Erbauer des Greenwichhospitals und des Haymarkettheaters. Unter dem Hause Hannover genoß er hohe Gunst; im Jahre 1714 wurde er zum Ritter geschlagen. Er starb am 26. März 1726. Seine Lustspiele sind folgende: »the relapse or virtue in danger, die Bekehrung oder die Tugend ist in Gefahr, 1697, Aesop, 1697, the confederacy, das Bündniß, 1705, the mistake, der Irrthum, 1706, und der von Cibber beendigte provoked husband, der gereizte Ehemann, 1707.«

Am bekanntesten sind die Bekehrung« und »der gereizte

Ehemann«. Im ersten Stück, das deshalb auch den Nebentitel »die Tugend ist in Gefahr« führt, ist der Hauptcharakter Amande, eine Frau, die argen Verführungen ausgesetzt ist, eine Zeitlang sehr bedenklich schwankt, dann aber ihre ganze Selbstbeherrschung wiedergewinnt und der Tugend treu bleibt. Im zweiten Stück reift ein braver, aber einfältiger Landedelmann als Parlamentsmitglied nach London. Während er bei den Ministern umherläuft, um nach einer einträglichen Anstellung zu haschen, die seinem zerütteten Vermögen aufhelfen soll, schleicht sich bei Frau und Tochter ein modischer Wüstling ein, sie zu verführen; und auch der Sohn geråth in die Schlingen einer lockeren Ladendirne. Echon haben der Wüstling und die Tochter, und der Sohn und die Buhlerin, Anstalt getroffen, durch heimliche Heirath sich zu verbinden, da gelingt es einem treuen Freunde des Alten, die Betrüger offen zu entlarven. Der thörichte Stellenjäger reist mit der Frau und den Kindern schnell auf seinen Landsiß zurück; zufrieden, für diesmal noch glücklich den Wirren der Residenz entronnen zu sein.

Schon diese einfachen Umrisse zeigen genügend, daß es auch hier an Schlüpfrigkeit und Derbheit nicht mangelt. Nichtsdestoweniger hat man von diesen Stücken mit Recht gesagt, daß sie seit Dryden, Wycherley und Congreve wieder die ersten Lustspiele seien, in denen Zucht und Sittlichkeit in ihre alten Ehren eingeseht worden. Der Leichtsinn ist zwar auch hier noch geschäftig und breitet sich sogar mit sichtlicher Freude aus; aber zuleht unterliegt er doch. Nicht Sitte, Natur und Wahrheit sind wie bisher die Geprellten, sondern das Laster, die Heuchelei und die Lüge.

Und auf diesem löblichen Wege beharrte fortan das englische Lustspiel. Ja nach kurzem Zwischenraum mündet es, überraschend genug! sogar in den gerad entgegengesetzten Fehler. War es bisher zu ausschweifend und anstößig, so wurde es bald darauf nach

Cibber's und Steele's Vorgang absichtlich moralisirend und zuleht aus lauter Sittenpredigt trocken und langweilig.

Collier hatte, wie Johnson bemerkt, die Freude, noch selbst zu sehen, was für wesentliche Dienste er der guten Sache der Sitte und Dichtung geleistet hatte.

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