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IX.

Faust und Mephistopheles.

Die alte deutsche Volkssage von Doctor Faust schließt mit Tod und Berdammniß. Auf das ärgerliche Leben" folgt ein „erschreckliches Ende“ unter gräulichem Poltern und Rumoren, Zischen und Pfeiffen. Zulegt fand man den Leichnam zerschlagen und zerschmettert, den Kopf mitten auseinander und das Gehirn ausgeschüttet, auf einem Misthaufen. Wie sich der Teufel dem Doctor auf Lebens zeit, so hatte sich dieser dem Satan für das jenseitige Leben verschrieben. Hatte nun Satan seinerseits den Vertrag erfüllt, so mußte auch Faust nach seinem Tode der Macht der Hölle verfallen, die ihm auf Erden zu Diensten gewesen war.

Ein solches Ende schien sowohl dem Bertrage als auch überhaupt dem göttlichen Strafrechte angemessen zu seyn. Indessen weiß doch auch die alte Sage nicht mehr, als was auf Erden geschehen: die Gesellen des Verstorbenen schließen nur aus dem erschrecklichen Tode auf ein erschreckliches Leben nach dem Tode in der Hölle, welches das erste Gericht ist.

Hier fällt der Borhang der alten Geschichte, wie fie in ihrer Unmittelbarkeit sich selbst erzählt. Jest sucht ein Seher nach langem Zaudern furz vor seinem Tode den Vorhang zu lüften: die Acten werden in zweiter Instanz instruirt, und am Ende sehen wir den großen Sünder von den Ansprüchen seines Anklägers absolvirt.

Es fragt sich, ob dieses endliche Resultat zu Recht bestehen, ob die Gnade, die dem Sünder wird, mit dem Rechte bestehen kann. Mephistopheles beklagt sich bitter über Gewalt und Unrecht, er weiß sich getäuscht und be. trogen, er beruft sich theils auf sein altes Recht und die Macht, welche ihm unter den Menschen von jeher einge räumt worden ist, auf Herkommen und Gewohnheit, theils auf seine aus dem Vertrage insbesondere erworbenen Rechte, und zwar nicht ohne Schein Rechtens, wiewohl ohne Hoffnung.

Wer schafft mir mein erworbenes Recht? Soviel ist nicht zu läugnen, daß der Vertrag unter Zulassung des obersten Richters abgeschlossen worden war; denn dem Bers trage auf Erden ist eine Wette im Himmel vorangegangen. Aber Satan erhielt auch schon damals wie im Buche Hiob eine Lection über die Sünde, welche die Natur des Menschen verdirbt, und über die Gnade, welche den in jeder Menschenbrust zurückgebliebenen göttlichen Lebensfunfen erhält: er wurde schon damals darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch, wie der verlorene Sohn, zwar vielfach irren, und auf das traurigste zu seiner eignen Dual und Strafe sich verirren könne, aber darum noch nicht ganz, nicht auf immer von seinem ewigen Urquell abfallen müsse.

I.

Das ist eben diese vereinte, und doch unvereinbare

Zwienatur, welcher jeder Mensch unterworfen ist, der ungeheure Widerspruch zweier Willen, wornach der Mensch in Sünde und Schuld sich hinreißen läßt, und doch nicht von dem Guten ganz loskommen kann. So mag es wohl auch Bielen unglaublich erscheinen, daß ein Mensch, der Gott abgesagt, dem Teufel sich gelobt, und nach nichts Geringerem verlangt, als Gott gleich zu seyn, dem ohngeachtet vor den Bauern, die Menschen vergöttern, im Unwillen über solche Apotheose gegen das erste Gebot, die Seelsorge versieht.

Vor Jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt!

Aber es ist wirklich so. Dergleichen religiöse Aperçi's und Impromtü's sind unwillkührlich: es kann sich ihrer Niemand erwehren: sie bestehen auch mit einem gott lofen, unchristlichen Leben. Aber sie beweisen zugleich, daß es mit einem solchen gottlosen Menschen doch noch nicht gar aus ist.

Das hatte der Prolog im Simmel zum Voraus an gekündigt: damit war dem Teufel zum Voraus die Rech= nung verdorben.

So ist es nun wirklich gekommen: der Himmel hat den gefallenen Menschen wieder in Besitz genommen, die Eugel haben die Seele, als den unsterblichen Funken, ent führt, und die satanischen Wachtposten verscheucht, die sich ihrer versichern sollten.

Aber ist nicht dieser Besis durch Gewalt und List jugleich erlangt werden? Das ist Satans Beschwerde; er flagt über verweigertes Recht.

Zunächst kommt alles auf den näheren Inhalt des Bertrags an. Dieser zerfällt in zwei Artikel.

Der erste Artikel wird von Mephistopheles vroponirt und von Faust angenommen: er besteht wörtlich in fol. gender Stipulation:

Mephistopheles

Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden:
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruh’n;
Wenn wir uns drüben wieder finden

So sollst du mir das Gleiche thun.

Faust.

Das Drüben kann mich wenig kümmern;
Schlägst du erst diese Welt in Trümmern,
Die andre mag darnach entsteh'n.

Mus dieser Erde quiäen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag was will und kann gescheh'n..

Hier fragt es sich zuerst, ob Mephistopheles seinerseits wirklich Wort gehalten? Denn nur unter dieser Vorauss segung könnte er ein Recht erworben haben. Scheinbar hat er allerdings dem von ihm erst selbst dazu verfuchten Sünder seine Dienste geleistet, auf jeden Wink den Willen des Gebieters ausgerichtet; aber auch nur scheins bar: eigentlich war doch Faust der Sklave fatanischer Gewalt, und Mephistopheles der Verführer und Gebieter. Darum muß Mephistopheles schon nach seiner eigenen Proposition am Ende unterliegen.

Und was antwortet Faust? was verspricht er gegen diesen Dienst? Nicht mehr als das Mögliche, was will und fann geschehen.

:

Fauft soll brüben dem Satan unterworfen seyn, wenn Sie sich beide drüben finden. Mehr hatte Mephistopheles selbst nicht verlangt. Nun finden sie sich aber drüben nicht zusammen: wie sollte er dem Satan dienen kounen, von dem er fraft jenes göttlichen Funkens losgerissen worden ist? Das hatte der Herr dem Ankläger im Prologe vorausgesagt. Wenn er sich nun doch mit diesem Herrn in eine Wette, mit dem strebenden irrenden Menschen in einen Vertrag einläßt, so ist er mit Recht getäuscht in seinen alten Tagen: er sagt selbst zu sich:

Du hasts' verdient, es geht dir grimmig schlecht. Eigentlich hat er aber selbst dabei gewonnen, denn der Eindruck, welchen die göttliche Liebe unter der Erscheinung der liebenden Engel auf ihn macht, würde ihm am Ende selbst heilsam sein, wenn er ihn nur aufnehmen wollte, fönnte.

Der zweite Artikel des blutigen Bündnisses wird von Faust vorgeschlagen und von Mephistopheles eingeschlagen: beide sind ihrer Sache so gewiß, als könnte es nicht feh len, als müßte es nach ihrem Willen gehen: die Solennität blutiger Unterzeichnung wird nur noch zur Verstärkung beigefügt. Die Worte selbst lauten also:

Faust.

Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen;

So sen es gleich um mich gethan!

Kannst du mich schmeichelnd je belügen,

Daß ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genuß betrügen:

Das sey für mich der lezte Tag!
Die Wette biet' ich!

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