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geschehen, weil das Wort sich offenbart hat. Mit Einem Worte hat sich das Räthsel des Lebens gelöset, denn wem sich ein einiges Wort in seinem tiefsten Verständnisse aufthut, dem sind alle Worte aufgeschlossen, alle Dinge offenbart. Die Erkenntniß des Wortes im Geiste und in der Wahrheit ist zunächst die Offenbarung des besondern Be rufs, in welchem sich der allgemeine Menschenberuf vers wirklicht. Dieses geistreich aufgeschlossene Wort, in wel chem sich das wahre Bedürfniß aufthut, dieses ist es also, 16) welches jene große Wirkung hervor bringt, die für die Ewigkeit ausreicht, und in der Zeit, die Ewigkeit selbst findet. Wem Zeit ist wie die Ewigkeit,

und Ewigkeit wie Zeit,

Der ist befreit

Von allem Streit. *)

*) Hiermit wäre Jean Paul Friedrich Nichters Neujahrswursch im ersten Stücke des Morgenblatts vom Jahre 1824 zu vergleichen, denn hier hat er über die Zeitlichkeit des Lebens nicht allein Ottomars Klage ausgesprochen, sondern auch sein Trostwort hinzu gefügt, in welchem er, wie Johannes und Pautus, aber auf seine Weise, als Jean Paul, die frohe Botschaft verkündigt, die er vernommen / hat. Darauf verweisen wir alle diejenigen, welche an der Zeit krank liegen, und wer wollte sich nicht zu dieser allgemeinen Krankheit des Menschengeschlechts bekennen, an der alle, mehr oder weniger, feltner oder öfter, zu leiden' haben?

VI.

Geleitsbrief

zu den Wanderjahren.
in Bruchstücken.

Aus einem Kommentare zu den Versen vor den Wanderjahren.

In Göthe's Wanderjahren, besonders in der ersten Redaction, vermissen die meisten Leser den äußern und innern Zusammenhang, nämlich den stetigen Fortgang und Zusammenhalt sowohl der Geschichte als des Gedankens, ja wohl den leztern überhaupt, indem unter dem leichten, losen Spiele der Phantasie die einige Bedeutung, und unter dem Hin- und Herreden das bestimmte Denken zu vergehen scheint. In der That ergeht es dem Leser nicht besser als dem hin- und hergetriebenen Helden des Gedichts; und wenn jener die Irrlichter endlich einmal zu ergreifen sucht, aber nie erreicht, so theilt er sein Loos mit dem wandernden Gesellen, welchem auf der Höhe jener Klippe,,,deren Gipfel nur einem einzigen stehenden Raum gab,“ das auf zauberische Weise nahe gerückte Ziel in demselben Augenblicke entschwindet, in welchem es ihm am nächsten zu seyn schien. Bald an die Wunder, bald au die Glaubenslehren des Neuen Testaments erinnert, werden wir plöglich

wieder in die feine und unfeine Welt von heute, und aus dieser in die Mährchenwelt des Mittelalters versest; aber wir fragen: wozu? und warum? Wenn die einbilderischen Beziehungen zwischen Personen ungleichen Alters an die Wahlverwandtschaften zu erinnern scheinen, so fehlt doch der Geschichte der Ausgang, dem Gedanken das legte Urtheil, der Schluß, mithin beiden das Beste.

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Ueber die Reime, welche den Roman einleiten, sind dieselben Klagen zu hören. Wir vermissen nicht bloß den Zusammenhang der einzelnen Glieder unter einander, sondern auch die durchgehende Beziehung zu dem Romane, an dessen Spiße sie statt der Einleitung auftreten. Jusbesondere scheint aber in den einzelnen Zeilen Sinn und Gehalt bald ganz auszugehen, bald muthwillig versteckt zu sehn, bald zwar offen da zu liegen, aber werth- und gewichtlos. Hier, scheint es auf den Gedanken gar nicht abgesehen, vielmehr die Folge der Worte nach dem Reime zusammen gewürfelt zu seyn; dort besteht der offenkundige Sinn in alten, längst bekannten Gemeinplägen, statt daß man etwas Ausgezeichnetes, noch nie Gehörtes erwartet, und „stark Getränk zu schlürfen“ herbei geeilt ist; und wo sich der Sinn versteckt, scheint der Dichter selbst auf die Maske, auf die Hülle und Verkleidung mehr Werth gelegt zu haben, als auf das, was verhüllt wird: Ist dieß nicht dieselbe Verstellung, die in der pädagogischen Provinz an der dramatischen Kunst gerüigt, und nur in jenem Festgedichte von dem bösen Geiste gepriesen wird, welcher sich freilich darin so wohl gefällt, daß er sie nicht bloß als den Reiz und Wiß der : Maskeradenfreuden, sondern als das einzige Medium des Lebens und der Offenbarung empfiehlt?

VI.

Geleitsbrief

zu den Wanderjahren

in Bruchstücken.

Aus einem Kommentare zu den Versen vor den Wanderjahren.

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In Göthe's Wanderjahren, besonders in der ersten Redaction, vermissen die meisten Leser den äußern und innern Zusammenhang, nämlich den stetigen Fortgang und Zusammenhalt sowohl der Geschichte als des Gedankens, ja wohl den leztern überhaupt, indem unter dem leichten, losen Spiele der Phantasie die einige Bedeutung, und unter dem Hin- und Herreden das bestimmte Denken zu» vergehen scheint. In der That ergeht es dem Leser nicht besser als dem hin- und hergetriebenen Helden des Gedichts; und wenn jener die Irrlichter endlich einmal zu ergreifen sucht, aber nie erreicht, so theilt er sein Loos mit dem wandernden Gesellen, welchem auf der Höhe jener Klippe, „deren Gipfel nur einem einzigen stehenden Raum gab,“ das auf zauberische Weise nahe gerückte Ziel in demselben Augenblicke entschwindet, in welchem es ihm am nächsten zu sehn schien. Bald an die Wunder, bald an die Glaubenslehren des Neuen Testaments erinnert, werden wir plöglich

wieder in die feine und unfeine Welt von heute, und aus dieser in die Mährchenwelt des Mittelalters versett; aber wir fragen: wozu? und warum? Wenn die einbilderischen Beziehungen zwischen Personen ungleichen Alters an die Wahlverwandtschaften zu erinnern scheinen, so fehlt doch der Geschichte der Ausgang, dem Gedanken das legte Urtheil, der Schluß, mithin beiden das Beste.

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Ueber die Reime, welche den Roman einleiten, find dieselben Klagen zu hören. Wir vermissen nicht bloß den Zusammenhang der einzelnen: Glieder unter einander, sondern auch die durchgehende Beziehung zu dem Romane, an dessen Spize sie statt der Einleitung auftreten. Jnsbesondere scheint aber in den einzelnen Zeilen Sinn und Gehalt bald ganz auszugehen, bald muthwillig versteckt zu sehn, bald zwar offen da zu liegen, aber werth und gewichtlos. Hier scheint es auf den Gedanken gar nicht abgesehen, vielmehr die Folge der Worte nach dem Reime zusammen gewürfelt zu seyn; dort besteht der offenkundige Sinn in alten, längst bekannten Gemeinplägen, statt daß man etwas Ausgezeichnetes, noch nie Gehörtes erwartet, und,,starf Getränk zu schlürfen" herbei geeilt ist; und wo sich der Sinn versteckt, scheint der Dichter selbst auf die Maske, auf die Hülle und Verkleidung mehr Werth gelegt zu haben, als auf das, was verhüllt wird. Ist dieß nicht dieselbe Verstellung, die in der pädagogischen Provinz an der dramatischen Kunst gerügt, und nur injenem Festgedichte von dem bösen Geiste gepriesen wird, welcher sich freilich darin so wohl gefällt, daß er sie nicht bloß als den Reiz und Wig der Maskeradenfreuden, sondern als das einzige Medium des Lebens und der Offenbarung empfiehlt?

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