Page images
PDF
EPUB

so predigt diese Vorsehung, wenn du sie nicht überhörst enthalte dich deiner Selbstheit, lerne dich selbst beschräuken, und selbst überwinden; *) opfere dem Herrn und ergieb dich dem Herrn Folge stumm, ohne Grübeln, im Glauben. Entschlage dich deiner eignen Weisheit; wenn Gott reden soll, muß der Mensch verstummen, **)

ften Grades der Entsagung eingeweiht. Er hat es weiter gebracht, als jener Eduard in den Wahlverwandtschaften, deren Inhalt, Sinn und Ausgang in den Worten enthalten ist:,,Sich etwas zu versa. gen, war Eduard nicht gewohnt." Aber die Entsagung hat mehrere Grade. Den ersten Grad hat unser Gesell überstanden; indessen sieht er sich noch immer in Gefahr,,,abermals schmerzlich geprüft zu wer den." Er bat, fich

schaft enthalten, und strenchen Wunsch versagt, mancher, Leiden

und

Regeln unterworfen; aber sich selbst und seinem Herzen zu entsagen, hat er noch nicht gelernt, wie denn Niemand darin austerne Nere.) ante feit der seine eigene Gote seine Freunde sind seine Götter. Wenn er den obersten Gott anerkennt, und anerkennen, muß, so hat er doch andere Götter neben Ihm. Und fo begegneti et, der afanderer, dem Dichter, wenn dieser von fich selbst bekennt: ich hatte so viele wackere und brave Menschen kennen ge lernt, die sich's in ihrer Pflicht, um der Pflicht willen, sauer werden ließen; ihnen, ja mir selbst zu entsagen, schien mir uns möglich.“ Jest soll sich aber auf einmal nach unserm kurzen Terte das selbständige Handeln um der Pflicht willen in kindliche Folg samkeit um des Vaters willen verkehren, und der peripherische Einzels wille dem Centralwillen fich, unterwerfen. Sein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Dazu gehört aber, daß du deinem signen - Willen entsagst. Go pflegt eine langes › Stufenfolge von Opfern voraus zu gehen, in welchen der Mensch, was er theures und werthes hat, dem Herrn darbringt; aber zuleht muß es zu seiner Erlösung und.. Versöhnung dahin kommen, daß»er:fich; selbst darbringt und Copfert, wie es sich in dems leßten Opfer am Kreuze veroffenbaret hat..

او

2.la (*) **), Doch | wenn ein Mann von allen Lebensproben die sauerste besteht, sich selbst bezwingt; dann kann man ihn mit Freuden Andern zeigen, und sagen: Das ist er, das ist sein eigen!" Göthe's Werke. IX, 412. 1. H. XIII, 177

** Die Paraphrase Fann den Text zwar im Algemeinen nach dem Sinne, aber nicht die damit unzertrennlich zusammen

Form wieder geben; es ist genug,

wenn

regtere nur angedeutete

Hier ist sie namentlich kaum angedeutet, und darum ift diese Note bes

Wie? Wenn? und Wo? Die Götter bleiben stumm! Du balte dich an's Weil, und frage nicht: Warum? *)

Die Enthaltsamkeit, welche dir der höchste Wille aufgiebt, sichert allein vor jener unbestimmten› Unendlichkeit deiner Wünsche und Bestrebungen. Indem der ungestüme schrankenlose Trieb beschränkt und bes stimmt wird, verwirklicht sich deine Bestimmung. Wer alles erreichen will, erreicht nichts; wer sich auf eins beschränkt, erlangt in diesem mit der Zeit alles,

VII.

Erkenne endlich deine Stellung im Universum; zur allgemeinen Schöpfung kommt das Geschöpf zu spät. 1) An der Welt ist nichts mehr zu machen, denn

4

sie ist schon gemacht.

ehe du gedacht hast.

2) Es ist alles bedacht gewesen, 3) Dir bleibt nichts übrig, als in das Glied der großen Wesenkette, das dir angewiesen ist,

[ocr errors]

stimmt, an Einem Beispiele ein für alle Mal das Ungenügende der weitläufigen Umschreibung zu rügen; wozu eben nichts gehört, als daß wir auf die beiden einfachen. Verse unseres Textes zurück weisen. In den voraus gegangenen Versen hatte sich der subjektive Standpunkt des Geistes als grund- und bödenlos bekannt, und sich) felbft aufgegeben, das Gefühl in dem Unendlichen fich verloren. Jezt soll sich aus der Vernichtung der Subjektivität eine zweite Stufe der Geistesentwicke= lung, und zwar die entgegengesezte, erheben. Dieß geschieht in zwei Zeilen. In der ersten bezeichnen die vier ersten Worte, unter Anerkennung des Objektiven, das außer und über uns ist, das Schickt fal; die vier legten Worte verklären es zur Vorsehung, in welcher fich die starre Dbjektivität wieder auflöset. In der zweiten Zeile bes zeichnen wieder die vier ersten Worte unser Verhältniß und unser Ver balten zur Welt-Schöpfung, jenes als Theil zum Ganzen, dieses als Unterwerfung unter das Ganze; und der Schluß enthält in zwei Wors ten beide Titel des Romans mit einem Male, und hiermit den ganzen Sinn und Inhalt desselben.

*) Göthe's Werke. II, 212. 1. §. II, 228.

frisch und muthig einzugreifen, nach dem dir gefallenen Loose deine Weise zu verfolgen, und die bereits angetretene Wanderschaft zu vollenden. 5) Für's erste bedenke nur das eine, daß Sorgen und Kummer das Unabänderliche nicht verändern, 6) wohl aber dich selbst aus dem Gleichgewichte schleudern können.

Wenn du zu handeln dich rüstest im stolzen Muthe die Summe des Guten zu vermehren, die Welt zu verbessern und zu vollenden, so bedenke demüthig: Die Welt ist schon fertig, und vollendet und vollkommen. Wolltest du nun das Handeln aufgeben, und auf der fertigen Welt gemächlich ausruhen, so bedenke hinwiederum: Die Welt ist nur in so fern fertig, als sie das Leben selbst ist, und das Leben ist nur als das ewige Werden, Wollen und Wandern. So sollst auch du leben und werden und wandern; und der Spur folgen, die dir vorgezeichnet ist. Dieses ist das wahre Handeln, das du nicht aufgeben kannst, ohue dich aufzugeben. Nur jene egoistische Freiheit hast du aufzugeben, die eine Reihe von Handlungen von selbst anzufangen sich brüstet. Gehorche dagegen der ewigen Nothwendigkeit, und lerne im Gehorsam die wahre Freiheit erkennen, in dem Leiden und Sterben Gottes Leiden und Tod als göttlich, das Widerwärtige, Verhaßte als nothwendig und förderlich verehren. ") Folge und füge dich den Sternen, unter deren Cous stellation du geboren bist. **)

*) Göthe's Werke. XXII, 15. 26.

**) Göthe's Werke.

Wien. XXVI, 135. 147. 248. 1. §.

St. u. E. XVII, 11. 1. §. XXIV, 12. Der Anfang des Lebens und die Lebensbeschreibung enthält das voraus

VIII.

Bald wirst du auch weiter kommen; bald wirst du auch wissen, was du glaubst, erleben, was du weißt.

[ocr errors]

1) Enweri, jener heitere Geist, der in der Gegen. wart lebt, der, begabt mit unendlicher Umsicht und schar fem Durchschauen, in der Wirklichkeit die Vernunft findet beide Welten und ihre Vorzüge mit den lieblichsten Worten zu verknüpfen, war ihm Pflicht und Behagen, *) - Enweri lehrt uns, 2) was das Herz in seinen Tiefen in Uebereinstimmung mit der Vernunft in ihrer höchsten Entwicklung bejaht, und was daher jeder im Grunde des Herzens und auf dem Gipfel der Vernunft an sich selbst entdecken, erleben und erfahren kann. 3) Es ist eine Erfahrung, welche dir auf jeder Stufe deiner Ents wickelung, auf jeder Stelle deiner Wanderschaft frommen und förderlich seyn wird; sie vermag alle Zeit- und OrtsVerhältnisse auszugleichen und aufzuheben. 4) Und diese alte große Lebensregel läßt sich in drei einfache Worte zusammen fassen: Geradheit, Urtheil, und Verträglichkeit.

Gehe geraden Wegs fürbaß, aber stumu, damit du hören, aufmerken, vernehmen, lernen lernst. Das war das erste. Aber dann lerne auch selbst sprechen, selbst artheilen, das ist das Zweite nur daß du

[ocr errors]

bestimmte Loos, welches das Leben und die Lebensbeschreibung zu ent wickeln haben. So ist der Mensch überhaupt geschaffen, um das, wozu er geschaffen ist, zu werden: beym Ersten find wir unfrey, beym Zweiten werden wir frey.

*) Die Anmerkungen zum besseren Verständniß des westöftlichen Divans gedenken auch rühmlichst des Perfischen Dichterkönigs Emveri. Göthe's Werke. Wien. XXI, 278. 291. 1. H. VI, 54. 70.

neben dem eignen Urtheile auch fremdes bestehen und gelten lassest, das ist das Dritte.

Der gerade einfache Sinn ") des Aufnehmens und Glaubens, mit dem du deinen Weg stumm ver"folgst, wird dir die Wahrheit und Wirklichkeit in ihrer ungetheilten Einheit und Lauterkeit offenbaren. Das ist der Segen des Glaubens.

Dem einfachen, ungetheilten Sinne steht die Theilung, Entzweiung bevor, das Urtheil. Durch das Urtheil wirst du dich und was außer dir ist, dein Verhältniß zu Gott und Welt, zu Himmel und Erde in seinem Unterschiede erkennen lernen, denn das Urtheil theilt und scheidet alles, was ist, in Subject und Prädikat. Dies ist die Wirkung des Wissens, die Blüthe des Berstandes.

Aber das Getrennte muß wieder versöhnt und ver mittelt werden. Zulegt wirst du begreifen, was du am Anfange geglaubt hast, wie Gott und Mensch, Nothwendigkeit und Freiheit, Ewigkeit und Zeit in der innigsten und lebendigsten Verbindung stehen, wie sich das Selbstvertrauen und Gottesvertrauen, die Einkehr in eigner Brust und das Gebet, das Jusichsehn und die Andacht, der Eigenwille und der allgemeine Wille gegen einander ausgleichen, und wie im leßten Unterschiede das Moment sich findet, das den Zwiespalt aufhebt und den Unterschied vermittelt, wodurch es eben zur Versöhnung, zur Liebe und Verträglich

*),,Was willst du lange vigiliren, dich mit der Welt herum veriren? Nur Heiterkeit und grader Sinn bringen endlichen Gewinn.“ Göthe's Werke. II, 238.

« PreviousContinue »