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die Huld des Himmels beglückt hat. Wir finden hier die Vorstellungen: das Glück (a) des Polykrates (b) ab und das Glück (a) des Amasis (c) Beide Vorstellungen haben den gleichen Bestandteil a, ab ist demnach ähnlich ac. Wird nun ab geweckt, so ist damit schon ein Teil von ac im Bewußtsein, nämlich a, sodaß c ohne Schwierigkeit steigen kann. Daraus ergiebt sich das Gesez: Ähnliche Vorstellungen reproduzieren einander (Geseß der Analogie).

So erinnert sich der ägyptische Schenk, der nicht wieder an Joseph gedacht hatte, bei den Träumen Pharaos an den Traumdeuter im Gefängnisse; der von Priamus um den Leichnam seines Sohnes gebetene Achill denkt an seinen eigenen Vater; der König Sesostris gedachte beim Auf- und Abwärtsgehen der Radteile des Wagens, an den er 4 Könige gespannt hatte, der Unbeständigkeit des Glücks, und Karl V., der im Kloster Uhren nicht in gleichen Gang zu bringen vermochte, daß er als Kaiser seine Reiche auch nicht nach seinem Willen hatte verschmelzen können. Gesichtszüge, Begebenheiten, Naturgegenstände, Landschaften, Melodien 2. erinnern uns an ähnliche, die wir früher wahrgenommen haben. Auf diesem Assoziationsgesetz beruhen die Bilder unserer Sprache, wie Metapher, Metonymie, Synekdoche, welche abstrakte Begriffe durch anschauliche Bilder darstellen, ebenso das Verständnis des Symbols, der Parabel, des Symptoms.

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= a c.

b. Kaiser Wilhelm I. schrieb nach der Zusammenkunft mit dem gefangenen Napoleon III. im Schlosse Bellevue an seine Gemahlin: „Was ich empfand, als ich Napoleon vor 3 Jahren noch auf der Höhe seiner Macht gesehen habe, kann ich Dir nicht beschreiben." In diesen Worten haben wir die Vorstellungen Napoleon (a) als Gefangener in sciner Ohnmacht (b) ab und Napoleon (a) in seiner Macht (c) In beiden Verbindungen ist wieder das gleiche Element a eingelagert, b und c sind ungleich, entgegengesette Vorstellungen, die einen bedeutenden Gegensatz zeigen, indem sie in derselben Reihe weit auseinanderliegen, kontrastieren. Wenn nun ab bewußt ist, muß auch, wie aus dem 1. Geseze hervorgeht, ac über die Bewußtseinsschwelle treten. Es ergiebt sich daher als weiteres Gesetz: Kontrastierende Vorstellungen reproduzieren einander (Gesetz des Kontrastes).

So gedenkt der reich gewordene Jacob bei seiner Rückkehr von Laban, daß er nur einen Stab besessen habe, als er früher über den Jordan ging; die Israeliten denken in der Wüste an die Fleischtöpfe Ägyptens, der verlorene Sohn an die Tagelöhner, die Brots die Fülle haben, Cäsar beim Anschauen des Bildes Alexanders an seine eigene Thatenlosigkeit. Geibels Zigeunerbube erinnert sich im rauhen Norden des sonnigen Spaniens; Melchthal ruft bei der Nachricht von der Blendung seines Vaters aus: „, eine edle Himmelsgabe ist das Licht des Auges!" Im „Gang nach dem Eisenhammer“ leitet Robert die Verleumdung Fridolins dadurch ein, daß er die Unmöglichkeit der Verführung der Herrin durch einen dienenden Knecht betont, um dadurch im Grafen den Glauben an die Möglichkeit einer solchen zu wecken. Der Sommer erinnert uns an den Winter, die Äußerung eines rohen Menschen an die Menschlichkeit

der Bildung, die veränderte Stadt an ihre früheren Verhältnisse, ein unbequemes Lager auf der Reise an das bequeme Bett im eigenen Hause. Hierauf beruht auch die Fronie, die der Lehrer wirkungsvoll anwendet, wenn er einen trägen Schüler fleißig, einen liederlichen ordentlich nennt. Den Kontrast benußen auch die Künste, z. B. die Malerei, wenn sie die Hauptpersonen auf dunklem Hintergrunde aufträgt, um sie mehr hervorzuheben, die Musik, indem sie Dissonanzen neben die Harmonien stellt 2c.

c. Als Tell dem flüchtigen Johann Parricida den Weg nach Italien beschreibt und dabei die Reuß erwähnt, ruft dieser erschrocken aus: „Seh' ich die Reuß? Sie floß bei meiner That." An den Ufern der Reuß (a) hatte Johann Parricida den Kaisermord (b) verübt. Wenn zwei Vorstellungen gleichzeitig in das Bewußtsein getreten sind, so verbinden sie sich derartig, daß sie bei der Reproduktion einander Hilfen sind; wird demnach die Vorstellung a durch einen Anlaß wie hier reproduziert, so hat diese das Gehobenwerden der mit ihr verknüpften Vorstellung b zur Folge. Gleichzeitige Vorstellungen reproduzieren einander (Gesetz der Koexistenz).

Die Erinnerung an die Heimat, an einen Jahrmarkt, eine große Stadt und einen Aufenthalt an der See ruft alles, was wir dort gesehen und erlebt haben, ins Bewußtsein. Die Vorstellung eines Gegenstandes erinnert uns an seine Merkmale; andererseits ruft ein Merkmal die übrigen Bestandteile der Gesamtvorstellung zurück. Bei den Namen von Orten tauchen in uns Personen auf, die daselbst lebten (Weimar: Schiller und Goethe, Wittenberg: Luther, Sanssouci: Friedrich II., Ifferten: Pestalozzi, St. Helena: Napolcon), oder Ereignisse, die daselbst stattfanden (Leipzig: Schlacht 1813, Magdeburg: Zerstörung 1631, Sedan: Fall Napoleons III.). Gleichzeitige Ereignisse und Personen reproduzieren einander: Zerstörung Karthagos und Korinths, Heinrich IV. und Gregor VII., Luther und Melanchthon, Washington und Franklin, Bismarck und Moltke. So wecken sich Jahreszahlen und die mit ihnen verbundenen geschichtlichen Ereignisse (1096, 1492, 1517, 1648, 1789, 1870). Bei dem Glockenschlage fällt uns die Beschäftigung ein, die regelmäßig mit dieser Stunde verbunden ist, und der Knoten im Taschentuche erinnert uns an die Vorstellung, die, als wir ihn knüpften, im Bewußtsein stand. Da Wort und Vorstellung sehr eng assoziiert sind, rufen gehörte und gelesene Worte dieselben Vorstellungen zurück, die wir früher gewannen und mit diesem Ausdruck verbanden.

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d. In dem Gedichte der Taucher" von Schiller erzählt der Edelknabe dem Könige, was er in der Tiefe des Meeres erlebt und gesehen hat, indem er die einzelnen Erlebnisse so aneinander reiht, wie sie unmittelbar aufeinander folgten. Die einzelnen Vorstellungen werden demnach in derselben Reihenfolge, in welcher sie successiv in die Seele treten, wieder zurückgerufen. Durch die unmittelbare Aufeinanderfolge sind sie so aneinander geflochten, daß die vorhergehende die nachfolgende aus dem Dunkel emporzieht. Aufeinanderfolgende Vorstellungen reproduzieren einander (Gesetz der Succession).

Nach der Heimkehr von einer Reise vermögen wir die Stationen und Strecken des zurückgelegten Weges und die Erlebnisse in der Reihenfolge, in welcher

sie stattfanden, zu erzählen. So hat sich die ganze Summe der Reminiscenzen unseres Lebensganges in eine kontinuierliche Reihe eingeordnet, deren Endpunkt der gegen= wärtige Augenblick bildet, während der Anfangspunkt mehr oder weniger in die Vergangenheit zurückreicht, in welcher bedeutsame Erinnerungsthatsachen namentlich in größter Vollständigkeit und Klarheit hervorleuchten, sodaß wir unser vergangenes Leben an uns vorbeiziehen lassen können. Auf diesem Geseze beruhen auch das Erzählen einer Geschichte, das Recitieren eines Gedichts, das Singen einer Melodie, das Auswendigspielen eines Klavierstücks 2c. Auf den Inhalt der Vorstellungen kommt es dabei gar nicht an; selbst noch so disparate Vorstellungen, z. B. Vokabeln, werden, wenn sie mehrmals unserem Bewußtsein in derselben Aufeinanderfolge geboten worden sind, in der nämlichen Verbindung von uns erneuert.

Diese vier bereits von Aristoteles aufgestellten Reproduktionsgesehe Lassen sich auf zwei zurückführen. Die Gesetze der Analogie und des Kontrastes beziehen sich auf den Inhalt der Vorstellungen; jederzeit haben die hier assoziierten Vorstellungen irgendwelche Elemente miteinander gemein, und zwar überwiegt bei der Ähnlichkeit das Gleiche, beim Kontraste das Ungleiche, doch bewirkt bei beiden das Gleiche die Reproduktion. Kontrastierende Vorstellungen erscheinen uns überhaupt nur dann inhaltlich verknüpft, wenn das Gemeinsame klar im Bewußtsein steht. Wir können beide Arten daher als das Gesez der Gleichartigkeit zusammenschließen. Es findet hier eine logische Verknüpfung (innere Assoziation) der Vorstellungen statt.

Bei den Gesehen der Koeristenz und Succession kommt dagegen der Inhalt der Vorstellungen gar nicht in Betracht, sondern nur die Zeit. Es beruht die Verbindung der reproduzierbaren Vorstellungen nur auf dem Umstande, daß sie zusammen im Bewußtsein waren, sei es nun völlig gleichzeitig (Noexistenz) oder unmittelbar aufeinander (Succession). Da sich hier die Vorstelluugen nur nach dem zufälligen Zusammensein oder nach der Aufeinanderfolge zusammengeschlossen haben, findet eine mechanische Verknüpfung (äußere Assoziation) derselben statt, bei der das Zeitmoment die Vereinigung stiftet. Beide lassen sich daher als Gesez der Gleichzeitigkeit bezeichnen. — Bei dem Geseße der Gleichartigkeit wirkt als Grundursache das eigene Streben der Vorstellung allein, bei dem Geseze der Gleichzeitigkeit aber wirken die miteinander verknüpften Vorstelluugen als Hilfskräfte; jenes ergiebt die unmittelbare, dieses die mittelbare Reproduktion.

Neben der Reproduktion der Vorstellungen ist noch zu erwähnen die Reproduktion der Bewegungen. Sie kommt so zu stande, daß sich mit bestimmten Vorstellungsreihen Reihen von Muskelempfindungen, durch welche die Bewegungen des Körpers der Seele zum Bewußtsein kommen, assoziieren und zugleich mit diesen reproduziert werden, worauf der Eintritt der entsprechenden Bewegungen erfolgt. Dies findet statt bei technischen Fertigkeiten: Lesen, Schreiben, Zeichnen, Singen 2.; so wird beim lauten Lesen die Bewegung der Sprechorgane, beim Klavierspielen der Fingersaß reproduziert.

Umgekehrt wecken Muskelempfindungen die mit ihnen verbundenen Vorstellungen. Ein Wortbild wird leichter reproduziert, wenn man es in der Luft schreibt, eine Melodie leichter, wenn man sie zu pfeifen beginnt, eine Sonate, wenn man sie mit den Fingern auf dem Tische spielt; Memorieren erleichtert man sich durch lautes Lernen.

Auch Gefühle und Willensbewegungen können Gegenstände unserer Erinnerung sein, nur werden sie natürlich als Erinnerungsbilder, d. h. als Vorstellungen, reproduziert.

4. Bedeutung der Reproduktion. Ohne die Reproduktion wäre eine Orientierung in der Außenwelt unmöglich, da uns die Alltagsdinge immer als neue, fremde Gegenstände erscheinen würden. Durch die Reproduktion erhalten eben die sinnlichen Wahrnehmungen und Anschauungen ihre Deutung. Wenn wir in unserm Zimmer einen schrillen Pfiff oder ein Läuten hören, legen wir sogleich diese Gehörswahrnehmungen als den Pfiff einer Lokomotive oder das Läuten der Kirchenglocken aus. Ganz besonders erfährt durch die Reproduktion das Vorstellungsleben bedeutende Förderung, da jede Vorstellung durch das Zurückführen in das Licht des Bewußtseins nicht nur einen höheren Klarheitsgrad, sondern auch größere Festigkeit erlangt und dadurch vor Vergessenheit bewahrt wird. Durch die Wiedererinnerung nimmt überhaupt das Vorstellungsleben an Beweglichkeit und Regsamkeit zu. Die Seele gewinnt dann immer mehr die Herrschaft über die Vorstellungen, daß sie aus der Fülle des ihr zuströmenden Materials eine Auswahl nach gewissen Gesichtspunkten treffen und die ausgewählten Vorstellungen zu neuen Gebilden verbinden kann. Es beruhen demnach auf der Reproduktion die Thätigkeiten des Gedächtnisses, der Phantasie und des Verstandes.

Die reproduzierten Vorstellungen wirken auch anregend auf unser Gefühl, namentlich wenn ihnen ein gewisser Gefühlswert anhaftet. Die Erinnerung an erlittene Unbill oder verübte unsittliche Thaten ruft Unluftgefühle (Ärger, Scham, Reue) hervor, an überstandene Kämpfe das Gefühl der Erleichterung, an empfangene Wohlthaten das Gefühl der Dankbarkeit, an Gottes treue Fürsorge das Gefühl des Vertrauens, an die verstorbenen Eltern Wehmut, an die Heimat Heimweh 2. Da mit der Wiedererinnerung oft ein Bewußtsein der seit dem früheren Auftreten der Vorstellung abgelaufenen Zeit verbunden ist, wobei zugleich ein Teil der eigenen Lebensgeschichte mit aufgefrischt wird, so hat die Reproduktion oft etwas Lebendiges und Persönliches. So zeigt sich die Reproduktion als Stimmungswecker.

Sie hat aber auch großen Einfluß auf unseren Willen, indem die reproduzierten Vorstellungen zu Motiven werden können, die zu einem bestimmten Wollen und Handeln veranlassen. Die Erinnerung an das

Glück des Vaterhauses bestimmte den verlorenen Sohn zur Rückkehr, die fortdauernd reproduzierte Vorstellung des Freundes trieb Damon zur Überwindung aller Hindernisse, der Gedanke an Gott bewog Joseph, der Stimme der Verführerin zu widerstehen. Die Erinnerung an edle Menschen spornt uns zur Nacheiferung und das Auftauchen unsittlicher Vorstellungen regt uns zur Selbstbeherrschung an. Alle Gewöhnung zu den sogenannten mittelbaren Tugenden, wie Gehorsam, Ordnung, Reinlichkeit, Wohlanständigkeit 2c., beruht auf Reproduktion, indem die Vorstellungen und entsprechenden Handlungen fortwährend erneuert werden. So ist die Reproduktion (Wiederholung) die Mutter der Gewohnheit und der Sitte.

5. Pädagogisches.

Die Reproduktion der Vorstellungen ist namentlich im Unterrichte thätig. Der Strom der Erinnerung wird aber nur lebendig verlaufen, wenn für einen hohen Grad von Hebekraft der Vorstellungen gesorgt wird. Dies geschieht

a. durch Bildung deutlicher Vorstellungen, deren Vorzug eben ist, daß sie besser behalten und leichter erinnert werden.

b. durch vielseitige Verknüpfung der neuen Vorstellungen mit dem schon vorhandenen Vorstellungskreise. Durch die vielseitige Verbindung gewinnen die Vorstellungen mehr Hilfen, sodaß ihre Reproduktion schneller und häufiger erfolgt. Gar nicht Verbundenes ist überhaupt nicht reproduzierbar, wie der zerrissene Inhalt vieler Träume bezeugt. *)

c. durch Weckung des Interesses und Anregung des Gefühls, welche die vorzüglichsten Hebel der Wiederauffrischung der Vorstellungen sind. Schon der kindlichen Wißbegier und Neugier liegen Lustzustände zu Grunde, die zu schneller Aufnahme und leichter Reproduzierbarkeit der Vorstellungen führen.

d. durch öftere Wiederholung, tüchtige Übung und häufige Anwendung. Je länger die Vorstellungen in der Verdunkelung beharren, desto mehr büßen sie an Hebekraft ein; je öfter sie jedoch die Schwelle des Bewußtseins passieren, desto leichter und schneller können sie jeden Augenblick gehoben werden und dem Kinde zur Verfügung stehen.

Sodann ist beim Unterrichte alles zu vermeiden, was zu einer Sperrung der Reproduktion führen könnte. Während der Lehrstunden sind alle störenden Sinnesreize fernzuhalten, wie Lärm von außen, Unruhe der Kinder, Zerstreuung durch Lehrmittel. welche nicht in die betreffende Lektion gehören. Alles, was starke Gemütsbewegungen hervor

*) Fauth, Gedächtnis, S. 317.

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