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wie der milde Schein einer verborgenen Sonne ihren Glanz breiten.

Gespr. mit Edermann, d. 15. Oft. 1825.

580.

Die vielen Vorzüge, die man diesem Werke (Heinroth's Anthropologie) auch zugesteht, zerstört der Verf. selber, indem er über die Grenzen hinausgeht, die ihm von Gott und der Natur vorgeschrieben sind. Auch wir sind allerdings überzeugt, daß der Anthropolog sein Menschenkind bis in die Vorhöfe der Religion führen könne, dürfe, müsse, aber nicht weiter als bis dahin.

Zur deut. Litteratur (Kunst u. Alterth. V. 2., 1825). H. 29, 211.

581.

Soviel Philosophie, als ich bis zu meinem seligen Ende brauche, habe ich noch allenfalls. Eigentlich brauche ich gar keine.

Unterh. mit Kanzler Müller, d. 16. Juli 1827.

582.

Legte man sich über die Mysterien ein unverbrüchliches, ehrerbietiges Stillschweigen auf, ohne die Dogmen mit verdrießlicher Anmaßung, nach dieser oder jener Linie verkünstelt, irgend jemandem wider Willen aufzunöthigen oder sie wohl gar durch unzeitige Spöttereien oder vorwißiges Ableugnen bei der Menge zu entehren und in Gefahr zu bringen, so wollte ich selbst der Erste sein, der die Kirche meiner Religionsverwandten mit ehrlichem Herzen besuchte und sich dem allgemeinen praktischen Bekenntniß eines Glaubens, der sich unmittelbar an das Thätige knüpft, mit vergnüglicher Erbauung unterordnete.

Gespr. mit Falk (Falk, Goethe S. 84).

583.

Besieht man es genau, so gründet sich doch zulezt nur ein jeder auf ein gewisses inneres Behagen an seinem Dasein. Der Glaube, die Zuversicht auf das bißchen, was man ist oder sein möchte, beseelt einen jeden und so möcht' er sich auch dem andern machen, eigentlich den anderen sich gleich machen. Und dann, denken sie, wäre es gethan!

3. Deut. Litterat. (Anz. v. Jacobi's Briefwechsel, 1827). H. 29, 219.

584.

Eigentlich kommt alles auf die Gesinnungen an; wo diese find, treten auch die Gedanken hervor und, nachdem sie sind, sind auch die Gedanken. Spr. in Prosa, Eth. VI. No. 542. H. 19, 116.

585.

Ich ehre und liebe das Positive und ruhe selbst darauf, insofern es nämlich von Uralters her sich immer mehr bestätigt und uns zum wahrhaften Grunde des Lebens und Wirkens dienen mag. Dagegen freut mich, nicht etwa die Zweifelsucht, sondern ein direkter Angriff auf eine ursurpirte Autorität.

586.

An Schulz, d. 10. Jan. 1829.

Von der Philosophie habe ich mich selbst immer frei erhalten; der Standpunkt des gesunden Menschenverstandes war auch der meinige.

Gespr. mit Eckermann, d. 4. Febr. 1829.

587.

Frömmigkeit ist kein Zweck, sondern nur ein Mittel, um durch die reinste Gemüthsruhe zur höchsten Kultur zu gelangen. Deswegen läßt sich bemerken, daß diejenigen, welche Frömmigkeit als Ziel und Zweck aufstecken, meistens Heuchler werden.

Spr. in Prosa, Eth. I (1829). H. 19, 27.

588.

Wirst du die frommen Wahrheitswege gehen,
Dich selbst und andre trügst du nie.

Die Frömmelei läßt Falsches auch bestehen,
Derwegen haß' ich sie.

Zahme Xenien IV (veröff. erst 1832). H. 2, 377.

589.

Ihr Gläubigen, rühmt nur nicht euren Glauben
Als einzigen. Wir glauben auch wie ihr.
Der Forscher läßt sich keineswegs berauben
Des Erbtheils, aller Welt gegönnt und mir.

Zahme Xenien II (veröff. erst 1836). H. 3, 274.

590.

In dieser Hinsicht ist es ganz recht, daß alle Religionen nicht unmittelbar von Gott selber gegeben werden, sondern daß sie als das Werk vorzüglicher Menschen für das Bedürfniß und die Faßlichkeit einer großen Masse ihresgleichen berechnet sind. Wären sie ein Werk Gottes, so würde sie niemand begreifen; da sie aber ein Werk des Menschen sind, so sprechen sie das Unerforschliche nicht aus.

Gespr. mit Eckermann, d. 28. Febr. 1831.

591.

Friede mit Gott und ein Wohlgefallen an wohlwollenden Menschen! Also sei es und bleibel An Zelter, Nr. 818, 1831.

592.

Die Kunst ruht auf einer Art religiösem Sinn, auf einem tiefen, unerschütterlichen Ernst, deswegen sie sich auch so gern mit der Religion vereinigt.

Spr. in Prosa, Kunst III Nr. 690 (mitgeth. erst 1832). H. 19, 147.

593.

Des religiösen Gefühls wird sich kein Mensch erwehren, dabei aber ist es ihm unmöglich, solches in sich allein zu verarbeiten; deswegen sucht er oder macht sich Proselyten. Das .Lestere ist meine Art nicht, das Erstere aber habe ich treulich durchgeführt und von Erschaffung der Welt an keine Confession gefunden, zu der ich mich völlig hätte bekennen mögen. Nun erfahre ich aber in meinen alten Tagen von einer Sekte der Hypsistarier, welche, zwischen Heiden, Juden, Christen geklemmt, sich erklärten, das Beste, Vollkommenste, was zu ihrer Kenntniß käme, zu schägen, zu bewundern und zu verehren und, insofern als es mit der Gottheit in nahem Verhältniß stehen müsse, an= zubeten. Da ward mir auf einmal aus einem dunklen Zeitalter her ein frohes Licht; denn ich fühlte, daß ich zeitlebens getrachtet hatte, mich zum Hypsistarier zu qualificiren. Das ist aber keine kleine Bemühung; denn wie kommt man in der Beschränkung seiner Individualität wohl dahin, das Vortrefflichste gewahr zu werden?

594.

An S. Boisserée, d. 29. März 1831.

Ich habe nichts gegen die Frömmigkeit;
Sie ist zugleich Bequemlichkeit.
Wer ohne Frömmigkeit will leben,
Muß großer Mühe sich ergeben,
Auf seine eigne Art zu wandern,
Sich selbst genügen und den andern,
Und freilich auch dabei vertraun,
Gott werde wohl auf ihn niederschaun.

Zahme Xenien II (mitgetheilt erst 1836). H. 3, 274.

595.

Der Gotteserde lichten Saal
Verdüstern sie zum Jammerthal.
Daran entdecken wir geschwind,
Wie jämmerlich sie selber sind.

Zahme Xenien II (mitgetheilt erst 1836). H. 3, 263.

596.

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Ich habe immer gesucht, das möglichst Erkennbare, Wißbare, Anwendbare zu ergreifen. Hierdurch bin ich für mich an die Grenze gelangt, dergestalt, daß ich da anfange zu glauben, wo andere verzweifeln und zwar diejenigen, die vom Erkennen zuviel verlangen und, wenn sie nur ein gewisses dem Menschen Beschiedenes erreichen können, die größten Schäße der Menschheit für nichts achten. So wird man aus dem Ganzen in's Einzelne und aus dem Einzelnen in's Ganze getrieben. An S. Boisserée, d. 25. Feb. 1832.

597.

Es giebt den Standpunkt einer Art Religion, den der reinen. Natur und Vernunft, welcher göttlicher Abkunft. Dieser wird ewig derselbige bleiben und dauern und gelten, so lange gottbegabte Wesen vorhanden. Doch ist er nur für Auserwählte und viel zu hoch und edel, um allgemein zu werden. Sodann giebt es den Standpunkt der Kirche, welcher mehr menschlicher Art. Er ist gebrechlich, wandelbar und im Wandel begriffen; doch auch er wird in ewiger Umwandlung dauern, so lange schwache menschliche Wesen sein werden.

Gespr. mit Eckermann, d. 11. März 1832.

Fortdauer nach dem Tode.

Sehnsucht ins Ferne, Künft'ge zu beschwichtigen,
Beschäftige dich hier und heut' im Tüchtigen.
Chines. Jahres- u. Tageszeiten XIV. (1827.)

598.

Nun begleiten Ihre Thränen einen Gemahl zu der ewigen. Sabbath's-Ruhe, einen Mann, der seinen Wochenlohn redlich verdient hat. Er hat ihn nun.

An die Großmutter Textor, Febr. 1771.

599.

Gott allein kann wissen, wie groß die Schritte sein müssen, die hier die Seele thun muß, um dort seiner Gemeinschaft, dem Wohnplag der Vollkommenheit, dem Umgang und der Freundschaft höherer Wesen näher zu kommen.

Anz. v. Münter, Bekehrungsgeschichte Struensee's. (1772.) H. 29, 43.

600.

Es war immer so und natürlich, daß der nach Ewigkeit Hungernde und Dürstende solche Speisen sich droben in Phantasie bereitete, die seinem Gaumen hier angenehm waren, sein Magen hier vertragen konnte. Der weiche Orientale bepolstert sein Paradies um wohlgeschmückte Tische. Der brave Norde überschaut vom Asgard in den Tiefen des Himmels unermeßlichen Kampfplag und ruht dann, sein Glas Bier mit Heldenmuth auszechend, neben Vater Odin auf der Bank. Und der gelehrte denkende Theolog und Weltkündiger hofft dort eine Akademie, durch unendliche Experimente, ewiges Forschen sein Wissen zu vermehren, seine Erkenntniß zu erweitern.

Anz. von Lavaters Aussichten in die Ewigkeit. (1772.) H. 29, 61.

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