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So stille und so schmerzlos möchte gern Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken. Ich möchte hingehn, wie der Blume Duft,

Der freudig sich dem schönen Kelch entringet Und auf dem Fittig blüthenschwang❜rer Luft Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget. Ich möchte hingehn, wie der Thau im Thal,

Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken; O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! Ich möchte hingehn, wie der bange Ton,

Der aus den Saiten einer Harfe dringet, Und, kaum dem irdischen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Bruft verklinget. Du wirst nicht hingehn, wie das Abendroth,

Du wirst nicht stille, wie der Stern versinken,
Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,
Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.
Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,

Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen;
Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,
Das arme Menschenherz muß stückweis brechen.
Georg Herwegh.

Einkehr.

Wohl bin ich oft hinausgegangen,

Dem Bettler gleich, durch Stadt und Feld,
Und hätte gern mein Theil empfangen
Von all' dem Glück der reichen Welt.
O Herz! nicht länger kannst du's tragen;

Du sollst in deinen jungen Tagen,

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Wo du genießen willst entsagen:
Und weißt so viel, was dir gefällt.
Rings von des Abends goldnem Kuffe
Erglüht die Welt; manch bunter Kiel
Zieht, sanft gewiegt, hinab im Flusse;
Herüber weht's wie Saitenspiel.
O einmal nur, du holdes Leben,
Die Seele ganz dir hinzugeben!
Doch ach! zu lassen all' sein Streben,
Das dünkt dem Herzen doch zu viel.
So wandle heim und baue weiter,

Die schöne Schöpfung in der Brust!
Du gehst in Fesseln ein Befreiter,
Dein Gut vermehrt sich im Verlust.
Vom Himmel winken tausend Kerzen
O selig! wer in Lust und Schmerzen
Im treuen unverlornen Herzen
Der sichern Einkehr sich bewußt.

Ludwig Pfan.

Meine Freundin.

Die soll nicht meine Freundin sein,

Die nicht die Blumen liebt,

Nicht Blumen- gleich dem Himmelschein

Ihr Herzblatt offen gibt;

Wär' ihre Wange rosenroth,

Ihr Aug' ein Himmelsblau,

Wär' Sonn' ein Lächeln, das sie bot,

Und ihre Red' ein Thau;

Ob eine Blum' aus Milch und Blut

Sie selber ging' und schwebt',

Aus Blumenschnee und Blumengluth
Gegoffen und gewebt;

Und wenn sie nach der Blume, die
Sich auf vom Boden rankt,

Um ihr den Saum zu küssen, nie
Sich niederneigt und dankt;
Und achtet nicht den leisen Trieb,
Der im Verborg'nen glüht,
Und ist ihr nur der Flitter lieb,
Der in die Augen sprüht –
Ihr Blumen, die ihr still und rein
Blüht, welket und zerstiebt!

Die soll nicht meine Freundin sein,
Die nicht die Blumen liebt.

Friedrich Rückert.

Schöne Tage find gewesen.
Schöne Tage sind gewesen,

Flüchtig, wie ein Schmetterling,
Da an dir mein ganzes Wesen,
Nur an dir, an dir nur hing.
Da wir noch in stiller Wonne
Unter blühendem Jasmin
Saßen, und die Abendsonne
Sahn zur goldnen Ferne ziehn.
Jene Tage sind vorüber,

Jene Flammen sind verglüht,
Jene Sonne zog hinüber
Zu den Bergen still und müd’.
Und nur der Erinn'rung Flügel
Tragen sie der Seele zu,

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