Page images
PDF
EPUB

Verbreitet Balsamhauch noch in den Lüften,
Wenn schon die Blume welk am Boden liegt.
So lebt, ist auch der Traum des Glücks entschwunden,
Erinnerung im Hauche der Musik.

Ein kleines Lied aus jenen bessern Stunden
Bringt uns die alte Seligkeit zurück.
Musik, du Mächtige, vor dir entschwindet

Der armen Sprache ausdrucksvollstes Wort,
Warum auch sagen, was das Herz empfindet,
Tönt doch in dir die ganze Seele fort.
Der Freundschaft Worte haben oft gelogen,
Es täuscht die Liebe durch Beredtsamkeit;
Musik allein hat nie ein Herz betrogen
Und viele tausend Herzen hocherfreut.

Helene, Prinzessin von Orleans.

Der Tonkunft Götterkraft.

Eine Stimme suchte sich die Freude,

Leicht geflügelt tönet nun der Scherz;
Laute lich die Tonkunst hier dem Leide,
Dort dem stummen, namenlosen Schmerz.
Und in lieblichen Akkorden klangen

Hoffnung, Liebe, Sehnsucht und Verlangen,
Und veredelt ward die Leidenschaft

Durch der Tonkunst laut're Götterkraft.

F. W. Krampih.

www

Der letzte Dichter.

„Wann werdet ihr, Poeten,

Des Dichtens einmal müd'?
Wann wird einst ausgesungen
Das alte, ew'ge Lied?
„Ist nicht schon längst geleeret
Des Ueberflusses Horn?
Gepflückt nicht alle Blumen,
Erschöpft nicht jeder Born?"
So lang' der Sonnenwagen
Im Azurgleis noch zieht,
Und nur Ein Menschenautlitz
Zu ihm empor noch sieht;
So lang' der Himmel Stürme
Und Donnerkeile hegt,

Und bang' vor ihrem Grimme
Ein Herz noch zitternd schlägt;
So lang' nach Ungewittern
Ein Regenbogen sprüht,
Ein Busen noch dem Frieden
Und der Versöhnung glüht;
So lang' die Nacht den Aether
Mit Sternensaat besät,
Und noch ein Mensch die Züge
Der goldnen Schrift versteht;
So lang' der Mond noch leuchtet,
Ein Herz noch sehnt und fühlt;
So lang' der Wald noch rauschet
Und einen Müden kühlt;

So lang' noch Lenze grünen

Und Rosenlauben blühn,

So lang' noch Wangen lächeln
Und Augen Freude sprühn;
So lang' noch Gräber trauern,
Mit den Cypreffen d'ran,
So lang' ein Aug' noch weinen,
Ein Herz noch brechen kann:
So lange wallt auf Erden
Die Göttin Poesie,

Und mit ihr wandelt jubelnd,
Wem sie die Weihe lich.
Und singend einst und jubelnd
Durch's alte Erdenhaus
Zieht als der letzte Dichter
Der letzte Mensch hinaus.
Noch hält der Herr in Händen
Die Schöpfung, ungelnickt
Wie eine frische Blume,
Auf die er lächelnd blickt.
Wenn diese Riesenblume
Dereinstens abgeblüht
Und Erden, Sonnenbälle
Als Blüthenstaub versprüht:
Erst dann fragt, wenn zu fragen
Die Luft euch noch nicht mied,
Ob endlich ausgesungen

Das alte, ew'ge Lied?

Anaftafius Grün.

Die Minnesänger.

Zu dem Wettgesange schreiten

Minnesänger jetzt herbei;

Ei, das gibt ein seltsam Streiten,
Ein gar seltsames Turnei!
Phantasie, die schäumend wilde,
Ist des Minnesängers Pferd,
Und die Kunst dient ihm zum Schilde
Und das Wort, das ist sein Schwert.
Hübsche Damen schauen munter
Vom beteppichten Balcon',
Doch die rechte ist nicht drunter
Mit der rechten Lorbeerkron'.
Andre Leute, wenn sie springen

In die Schranken, sind gesund;
Doch wir Minnesänger bringen
Dort schon mit die Todeswund'.
Und wem dort am besten dringet
Liederblut aus Herzensgrund,
Der ist Sieger, der erringet
Bestes Lob aus schönstem Mund.

www

Heinr. Heine.

Des Sängers Wiederkehr.

Dort liegt der Sänger auf der Bahre,
Deß bleicher Mund kein Lied beginnt,
Es fränzen Daphne's falbe Haare
Die Stirne, die nichts mehr ersinnt.
Man legt zu ihm in schmucken Rollen
Die letzten Lieder, die er sang;
Die Leier, die so hell erschollen,
Liegt ihm in Armen, sonder Klang.
So schlummert er den tiefen Schlummer,
Sein Lied umweht noch jedes Ohr;

Doch nährt es stets den herben Kummer,
Daß man den Herrlichen verlor.
Wohl Monden, Jahre sind verschwunden,
Cypressen wuchsen um sein Grab;
Die seinen Tod so herb empfunden,
Sie sanken alle selbst hinab.
Doch, wie der Frühling wiederkehret
Mit frischer Kraft und Regsamkeit,
So wandelt jetzt, verjüngt, verkläret,
Der Sänger in der neuen Zeit.
Er ist den Liebenden vereinet,

Vom Hauch des Grabes keine Spur!
Die Vorwelt, die ihn todt geweinet,
Lebt selbst in seinem Liede nur.

Vermächtniß.

Ludwig Uhland.

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen,

Das Ewige regt sich fort in allen:
Am Sein erhalte Dich beglückt!
Das Sein ist ewig, denn Gesetze
Bewahren die lebend'gen Schäße,
Aus welchen sich das All geschmückt.
Das Wahre war schon längst gefunden,
Hat edle Geisterschaft verbunden,
Das alte Wahre faff' es an!

Verdank' es, Erdensohn, dem Weisen,
Der ihr die Sonne zu umkreisen
Und dem Geschwister wies die Bahn.
Sofort nun wende dich nach innen!
Das Centrum findest du da drinnen,
Woran kein Edler zweifeln mag.

« PreviousContinue »