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Sei all' sein Trost, nur And're zu beglücken;
Dem armen Taucher gleich, wag' er das Leben,
Mit felt'nen Perlen seine Zeit zu schmücken.

Georg Herwegh.

Ich fuhr von St. Goar.

Ich fuhr von Sankt Goar

Den grünen Rhein zu Berge;
Ein Greis im Silberhaar
War meines Nachens Ferge.
Wir plauderten nicht viel;
Die Felsen sah ich gleiten
Dahin im Wellenspiel,
Und dachte vor'ger Zeiten.
Und als wir an der Pfalz
Bei Caub vorüber waren,
Kam hellen Liederschalls
Ein Schiff zu Thal gefahren.
In's weiße Segel schien

Der Abend, daß es glühte;
Studenten saßen drin,

Mit Laub umkränzt die Hüte.
Da ging von Hand zu Hand
Der Kelch von grünem Glaste,
Das schöne Mägdlein stand
In goldnem Haar am Maste.
Sie streute Rosen roth
Hinunter in die Wogen,
Und grüßte, wie im Boot
Wir sacht vorüberzogen.

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Das Singen ich der Andern:
Da war's mein eigen Lied;
Ich sang es einst vom Wandern:
Ich sang's vor manchem Jahr,
Berauscht vom Maienscheine,
Da ich gleich jenen war
Student zu Bonn am Rheine.
Wie seltsam traf's das Ohr
Mir jetzt aus fremdem Munde!
Ein Heimweh zuckt' empor
In meines Herzens Grunde.
Ich lauschte, bis der Klang
Zerfloß im Windesweben;
Doch sah ich d'rauf noch lang'
Das Schifflein glänzend schweben.

Es zog dahin, dahin

Still saß ich, rückwärts lugend ;
Mir war's, als führe d'rin

Von dannen meine Jugend.

Emanuel Geibel.

Wohl weiß ich einen Kranz zu winden. Wohl weiß ich einen Kranz zu winden

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Aus Blumen, die ich einst gepflückt -
Wohl auch das rechte Wort zu finden,
Ob ich betrübt bin, ob beglückt.
So lang' ich meiner Sinne Meistèr,
So lang' ich weiß, was mir gefällt,
Gehorchen dienstbar mir die Geister
Der Blumen und der Feenwelt.

Doch in der heil'gen Gluth des Kusses,
Im Wunderleuchten des Geschicks,
Im Augenblick des Vollgenusses,
Im Vollgenuß des Augenblicks:
Da fehlen mir zum Lied die Töne,
Gleichwie der Nachtigall der Schlag,
Weil wohl der Mensch das höchste Schöne
Genießen, doch nicht singen mag.
Wer kann die helle Sonne malen

In höchster Gluth, im Mittaglicht?
Wer nur sie sehn mit ihren Strahlen
Von Angesicht zu Angesicht?

Troft.

Friedrich Bodenstedt.

Es baben viel Dichter gesungen
Im schönen deutschen Land,
Nun sind ihre Lieder verklungen,
Die Sänger ruhen im Sand.
Aber so lange noch kreisen

Die Stern' um die Erde rund,
Thun Herzen in neuen Weisen
Die alte Schönheit kund.

Im Walde da liegt verfallen
Der alten Helden Haus,

Doch aus den Thoren und Hallen
Bricht jährlich der Frühling aus.
Und wo immer müde Fechter
Sinfen im muthigen Strauß,
Es kommen frische Geschlechter
Und fechten es ehrlich aus.

3. Frhr. von Eichendorff.

Freie Kunst.

Singe, wem Gesang gegeben,
In dem deutschen Dichterwald!
Das ist Freude, das ist Leben,
Wenn's von allen Zweigen schallt.
Nicht an wenig stolze Namen
Ist die Liederkunst gebannt;
Ausgestreuet ist der Samen
Ueber alles deutsche Land.
Deines vollen Herzens Triebe,
Gib sie teck im Klange frei!
Säuselnd wandle deine Liebe,
Donnernd uns dein Zorn vorbei!
Singst du nicht dein ganzes Leben,
Sing' doch in der Jugend Drang!
Nur im Blüthenmond erheben
Nachtigallen ihren Sang.
Kann man's nicht in Bücher binden,
Was die Stunden ihr verleihn;
Gib ein fliegend Blatt den Winden,
Muntre Jugend hascht es ein.
Fahret wohl, geheime Kunden,
Nekromantik, Alchemie!

Formel hält uns nicht gebunden,
Unsre Kunst heißt Poesie.
Heilig achten wir die Geister,

Aber Namen sind uns Dunst;
Würdig ehren wir die Meister,
Aber frei ist uns die Kunst.

Nicht in kalten Marmorsteinen,

Nicht in Tempeln, dumpf und todt:

In den frischen Eichenhainen

Weht und rauscht der deutsche Gott.

Ludwig Uhland.

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er einsam steht im bunten Lebenskreise

Und was das Leben theuer macht, verlor,

Wie bebt sein Herz, trifft

eine liebe Weise

Aus ferner Jugendzeit sein

horchend Ohr.

Willkommne Töne! Eures Hauches Fächeln

Weckt eine schlummernde Gedankenwelt,

Verweinte Augen lernen wieder lächeln, Die düst're Stirn ist plötzlich aufgehellt. Der Zephyr, der in reichen Blüthendüften Des Orients sich hin- und hergewiegt,

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