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Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,

Entließ sie segnend ihre Lieben,
So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Muth geblieben.
Sie hat gespart und hat gesonnen

Und Flachs gekauft und Nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand;
Die Scheere brauchte sie, die Nadel,
Und nähte sich mit eigner Hand
Ihr Sterbehemde sonder Tadel.
Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
Verwahrt's im Schrein am Ehrenplay;
Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen,
Dann legt sie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh' sie legen.
Und ich, au meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt', ich hätte so gewußt
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt' am Ende gleiche Luft
An meinem Sterbehemde haben.

Adalbert v. Chamisso.

Das höchste Glück.

--

Wer auf des Lebens Grenzgebirgen
In seinem Dasein einmal stand
Und selig, mit des Geistes Blicken,
Erschaute seiner Sehnsucht Land
Wer in den himmlisch-schönen Auen
Die Quelle ew'ger Lieb' gesehn
Und all die Blüthen, deren Düfte
So zaub'risch zu uns niederwehn
Der kehrt zu dieses Lebens Treiben,
Zu dieser Welt nie mehr zurück,
Denn ihm erblüht in jenem Schauen
Ein unaussprechlich hohes Glück;
Ein Glück, das keine Zeit zerstören
Und keine Macht vernichten mag,
Ein Glück, das um so schöner blühet,
Je leiser seines Herzens Schlag;
Ein Glück, das einem Feuer gleichet,
Das Alles rings um sich verzehrt,
Das hell und wärmend seine Krone
Stets nach dem fernen Himmel kehrt
Und alle Leiden, alle Schmerzen
Sind nährend Del der mächt'gen Gluth,
Die läuternd dann für alle Zeiten
In seinem Busen selig ruht.
Wer auf des Lebens Grenzgebirgen
In seinem Dasein einmal stand
Und wonnig, mit des Geistes Blicken,
Erschaute seiner Sehnsucht Land
Wer in den himmlisch-schönen Auen
Die Quelle ew'ger Lieb' gesehn

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Und all' die Blüthen, deren Düfte
So zaub’risch zu uns niederwehn
Der kehrt zu dieses Lebens Treiben,
Zu dieser Welt nie mehr zurück,
Denn ihm erblüht in jenem Schauen
Des Menschengeistes hohes Glück.

Der todte Müller.

Die Sterne über'm Thale stehn,

Heribert Ran.

Das Mühlrad nur man höret.
Zum kranken Müller muß ich gehn,
Er hat den Freund begehret.

Ich steig' hinab den Felsenstein,
Es donnert dumpf die Mühle,
Und eine Glocke tönt darein:
„Die Arbeit ist am Ziele!“
In Müllers Kammer tret' ich nun:
Starr liegt des Greisen Hülle,
Es stockt sein Herz, die Pulse ruhn,
Und draußen auch wird's stille.
Die treuen Lieben weinen sehr,
Still bleibt sein Herz und kühle;
Die Wasser fließen wohl daher,
Still aber steht die Mühle.

Einkehr.

Juftinus Kerner.

Wer durch's Lebensmeer gesucht,

Und ein Gut gefunden

Flüchte sich zur stillen Bucht,
Weit'rer Fahrt entbunden.

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