Page images
PDF
EPUB

Ihr goldenen Saaten im schwellenden Thal,
Dich Rebengebirge im sonnigen Strahl,

Euch Wälder und Schluchten, dich, Felsengestein:
Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein!
Dich grüß' ich, o Leben, mit sehnender Brust,

Beim Liede, beim Weine, beim Tanze die Lust!
Dich grüß' ich, o theures, o wackres Geschlecht,
Die Frauen so wonnig, die Männer so recht!
Eu'r Streben, eu'r Leben, o mög' es gedeihn:
Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein!
Mein Herz ist am Rheine, im heimischen Land!

Mein Herz ist am Rhein, wo die Wiege mir stand,
Wo die Jugend mir liegt, wo die Freunde mir blühn,
Wo die Liebste mein denket mit wonnigem Glühn!
O möget ihr immer dieselben mir sein!

Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Nhein!

Wolfgang Müller.

Warnung vor dem Rhein.

An den Rhein, an den Rhein, zich' nicht an den Rhein,

Mein Sohn, ich rathe dir gut:

Da geht dir das Leben zu lieblich ein,

Da blüht dir zu freudig der Muth.

Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei,

Als wär' es ein adlig Geschlecht:

Gleich bist du mit glühender Seele dabei:

So dünkt es dich billig und recht.

Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön,

Und die Stadt mit dem ewigen Dom,

In den Bergen, wie klimmst du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom.

Und im Strome, da tauchet die Nix aus dem Grund,
Und hast du ihr Lächeln gesehn,

Und sang dir die Lurlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es geschehn:

Dich bezaubert der Laut, dich bethört der Schein,
Entzücken faßt dich und Graus.

Nun singst du immer: „Am Rhein, am Rhein,“
Und kehrst nicht wieder nach Haus.

Am Strande.

Auf hochgeftapelte Ballen blickt
Der Kaufherr mit Ergößen;
Ein armer Fischer daneben flickt
Betrübt an zerriss'nen Netzen.
Manch rüftig stolz bewimpelt Schiff!
Manch morsches Wrack im Sande!
Der Hafen hier, und dort das Niff,
Jetzt Fluth, jetzt Ebb' am Strande.
Hier Sonnenblick, Sturmwolken dort;
Hier Schweigen, dorten Lieder,

Carl Simrock.

Und Heimkehr hier, dort Abschiedswort;
Die Segel auf und nieder!

Zwei Jungfrau'n siten am Meeresstrand;
Die Eine weint in die Fluthen,

Die Andre, mit dem Kranz in der Hand,
Wirft Rosen in die Fluthen.

Die Eine, trüber, Wehmuth Bild,

Stöhnt mit geheimem Beben:

„O Meer, o Meer, so trüb' und wild,
Wie gleichst du so ganz dem Leben!"

Die Andre, lichter Freude Bild,
Jauchzt selig lächelnd daneben:

„O Meer, o Meer, so licht und mild, Wie gleichst du so ganz dem Leben!" Fortbraust das Meer und überklingt

Das Jauchzen wie das Stöhnen;

Fort wogt das Meer und, ach, verschlingt
Die Rosen wie die Thränen.

Strandbild.

Das Fischerdorf ist leer,

Anaftafius Grün.

Am Strande stehn die Frauen,
Die auf's bewegte Meer
Mit trüben Blicken schauen.
Es war ein arger Sturm,

Der sich zur Nacht erhoben,
Die Leuchte auf dem Thurm
Erlosch vor seinem Toben.
Hier Planken an den Strand

Stürmt's aus dem Fluthenreiche,
Daneben ruht im Sand
Wohl manche nasse Leiche.
Das Meer verschlang den Rest,
Froh stießen sie vom Lande,
Jetzt ist's ein Todtenfest -

Nur Wittwen stehn am Strande.

Rudolf Gottschall,

Die Unbesungenen.

gibt Gräber, wo die Klage schweigt,
Und nur das Herz von innen blutet,
Kein Tropfen in die Wimper steigt,
Und doch die Lava drinnen fluthet:
's gibt Gräber, die wie Wetternacht
An unserm Horizonte stehn
Und alles Leben niederhalten,

Und doch, wenn Abendroth erwacht,
Mit ihren goldnen Flügeln wehn,
Wie milde Seraphimgestalten.
Zu heilig sind sie für das Lied,

Und mächt'ge Redner doch vor Allen,
Sie nennen dir, was nimmer schied,
Was nie und nimmer kann zerfallen;
O, wenn dich Zweifel drückt herab,
Und möchtest athmen Aetherluft,
Und möchtest schauen Seraphsflügel,
Dann tritt an deines Vaters Grab;
Dann tritt an deines Bruders Gruft!
Dann tritt an deines Kindes Hügel!

Anette v. Droste-Hülshof.

Der alte Mühlbursch.

Ber Mond ist aufgegangen,

Ich wandre träumend durch's Thal
Und kann den Blick nicht wenden
Von seinem bleichen Strahl.

Der Mond steht über der Mühle,
Mein Blick folgt seinem Lauf,

Es brechen in meinem Herzen
Vernarbte Wunden auf.
Die Räder sind zerfallen,

Zerfallen ist Thür und Dach;
Es plaudert von allen Zeiten
Geschwäßig der glitzernde Bach.
Der Mond ist untergegangen,
Wie weht der Wind so kalt,
Die Müllerin ist gestorben,
Und ich bin grau und alt.

Trener Tod.

Julius Sturm

Der Ritter muß zum blut'gen Kampf hinaus,
Für Freiheit, Ruhm und Vaterland zu streiten,
Da zieht er noch vor seines Liebchens Haus,
Nicht ohne Abschied will er von ihr scheiden.
„O weine nicht die Aeuglein roth,
Als ob nicht Troft und Hoffnung bliebe!
Bleib' ich doch treu bis in den Tod
Dem Vaterland und meiner Liebe."
Und als er ihr das Lebewohl gebracht,
Sprengt er zurück zum Haufen der Getreuen,
Er sammelt sich zu seines Kaisers Macht,
Und muthig blickt er auf der Feinde Reihen.
„Mich schreckt es nicht, was uns bedroht,
Und wenn ich auf der Wahlstatt bliebe!
Denn freudig geh' ich in den Tod
Für's Vaterland und meine Liebe!"

Und furchtbar stürzt er in des Kampfes Gluth,
Und Tausend fallen unter seinen Streichen;

« PreviousContinue »