Page images
PDF
EPUB

Dann wirst du mit hohem, mit heil'gem Vertrauen Jn's Auge der Jungfrau, der blühenden, sehu. Schnell werden die rollenden Jahre.entschwinden, Bald bist du ein Jüngling, wir wurden alt, Wir geben die Locke, die graue, den Winden, Du prangst dann in Jugend und Wohlgestalt! Dem Vater wie aus den Augen geschnitten! Ein prächtiger Junge mit hellblondem Haar! Da liegt er auf weißen Linnen, inmitten Der Wiegewie leuchten die Augen ihm klar!

Heinrich Beise.

Die nickende Mutter.

Die Kinder spielen Nachts am Tisch,

Die Mutter strickt;

Der Kinder Augen blicken frisch,

Die Mutter nicht.

Die Aepfel stehn noch auf dem Tisch,

Und jeder blickt

Die Kindlein an verführerisch,
Die Mutter nicht.

Ein purpurstreif'ger, mit Gemisch

Von Gold gestickt,

Lacht einem gar zu zauberisch,

Die Mutter nicht.

Da streckt es nach dem goldnen Fisch

Die Hand geschickt;

„Nehm' ich ihn?“ fragt es schmeichlerisch;
Die Mutter nicht.

Und eines folgt dem andern risch,
Und jedes spickt

Sich seine Taschen räuberisch;
Die Mutter nicht.

Die Vöglein räumen ab den Tisch,
Und Alles pickt

Und fürchtet sich vor keinem Wisch;

Die Mutter nicht.

Der Vater fragt gebieterisch,

Ob das sich schickt;

Die Knaben doch antworten frisch:

„Die Mutter nicht."

Einem Knaben.

Friedrich Rückert.

Was trauerst du, mein schöner Junge,
Du Armer, sprich, was weinst du so?
Daß treulos dir im raschen Schwunge
Dein liebes Vögelein entfloh?

Du blickest bald in deiner Trauer

Hinüber dort nach jenem Baum,
Bald wieder nach dem leeren Bauer
Blickst du in deinem Kindestraum.
Du legst so schlaff die kleinen Hände
An deines Lieblings ödes Haus,
Und prüfest rings die Sprossenwände
Und fragst: „wie kam er nur hinaus ?“

An jenem Baume hörst du singen
Den Fernen, den dein Herz verlor,
Und unaufhaltsam eilig dringen
Die heißen Thränen dir hervor.

Gib acht, gib acht, o lieber Knabe,
Daß du nicht dastehst trauernd einst,
Und um die beste, schönste Habe
Des Menschenlebens bitter weinst!
Daß du die Hand, die sturmerprobte,
Nicht legst, ein Mann, an deine Brust,
Darin so mancher Schmerz dir tobte,
Dir säuselte so manche Luft;*
Daß du die Hand mit wildem Krampfe
Nicht drückest deinem Busen ein,
Aus dem die Unschuld dir im Kampfe
Entflohn, das scheue Vögelein.
Dann hörst du flüstern ihre leisen

Gesänge aus der Ferne her;

Neigst hin dich zu den süßen Weisen,
Das Vöglein aber kehrt nicht mehr.

Nicolaus Lenau.

An mein Söhnchen.

Du prächtig kind, du frisches junges Leben,
Mir geht das Herz auf, wenn dein Auge lacht,
Durch dich zu neuem Sein bin ich erwacht

Dank, Dank dem Himmel, der dich mir gegeben.
Wie dunkle Wolken sah ich's um mich schweben,
Und außer mir und in mir ward es Nacht:
Da gingst du auf in ros'ger Morgenpracht,
In dir verjüngt sah ich mich selber leben.
O möge Gott in Gnaden dich bewahren

Vor allem Weh und Leid, das ich erfahren:
Er segne dich, mein Kind, mit beiden Händen!

Was mir versagt ward, mög' er dir gewähren,
Was in mir trübe war, in dir verklären,
Was in mir Stückwerk blieb, in dir vollenden!
Friedrich Bodenstedt.

Mädchen mit dem Siegesblicke.
Mädchen mit dem Siegesblicke,
Wie das Gold der Morgensonne
Strahlt auf deinem Angesichte
Frühlingspracht und Lebenswonne.
Doch mit tausend Reizen prunkend,
Die dein junges Leben zieren,
Denkst du auch an deine Zukunft
Bei so eitlem Triumphiren?
Thöricht Mädchen, thöricht Mädchen,
Ach, das Alles geht vorüber,
Deine Wangen werden bleicher,
Deine Augen werden trüber.
Nicht den süßen Klang bewahren
Deiner Stimme Silberglocken,
Und nicht reicher mit den Jahren
Werden deine vollen Locken.

Alle, die mit Honigreden

Dein betäubtes Ohr verführen,

Opfern, ach, wer weiß, wie bald schon,

Eine Jüng❜re ihren Schwüren.

Hegst du in der Brust ein Kleinod,

Frage dich mit ernstem Sinne,
Das dir nach verblühtem Lenze
Gute Herzen noch gewinne?

Mädchen, denk an deine Zukunft;
Seelenadel ist alleine

Bürgschaft deines wahren Glückes,
Das nicht fliehet mit dem Scheine.

Die junge Mutter.

Der Knabe weint, die Mutter legt

Julius Hammer.

Den holden Liebling auf die Kiffen,
Doch er, vom Weinen aufgeregt,

Will nichts von Raft und Schlummer wissen.
Da fingt die Mutter Lied um Lied,
Und immer süßer wird die Weise,
Und um das kleine Bettchen zieht
Der Schlummer seine Zauberkreise.
Und wie die Weise sanft verklingt,

Wird immer leiser auch das Weinen,
Bis am geschloff'nen Auge blinkt
Die stumme Thräne nur dem Kleinen.
Bald spiegelt auch ein lichter Traum
Sich in den klaren Zügen wieder,
Die Mutter aber athmet kaum
Und beugt sich zu dem Liebling nieder;

Mit scheuem Finger hüllt sie dicht

Den Schläfer in die warmen Decken,
Sie möcht' ihn küssen, wagt es nicht,
Aus Furcht, ihn mit dem Kuß zu wecken.
Sie blickt ihn lange selig an,

Und geht dann fort, und kehret wieder,
Und thut, was sie nicht lassen kann,
Und neigt sich küssend zu ihm nieder;

« PreviousContinue »