Page images
PDF
EPUB

Spenderin aus reichem Horne,
Schöpferin aus vollem Borne,
Wohnerin im Sternenzelt!
Alle Höhn haft du erflügelt,
Alle Tiefen du entsiegelt
Und durchwandelt alle Welt.
Durch der Eichenwälder Bogen
Bist du brausend hingezogen,
Bis der letzte Wipfel barst;
Durch der Fürstenschlösser Prangen
Bist du klingend hergegangen,
Und noch bist du, die du warst.
Stürme, rausche, lispl' und säusle!
Zimmre, glätte, hau' und meisle,
Schaffe fort mit Schöpfergeist!
Dir läßt gern der Stoff sich zwingen,
Und dir muß der Bau gelingen,
Den kein Zeitstrom niederreißt.
Mach' uns start an Geisteshänden,
Daß wir sie zum Rechten wenden,
Einzugreifen in die Neihn.
Biel Gesellen sind gesetzet,
Keiner wird gering geschätzet,
Und wer kann, soll Meister sein.

Muttersprache.

Muttersprache, Mutterlaut!

Friedrich Rückert.

Wie so wonnesam, so traut!
Erstes Wort, das mir erschallet,
Süßes, erstes Liebeswort,

Erster Ton, den ich gelallet,
Klingest ewig in mir fort.
Ach, wie trüb' ist meinem Sinn,
Wenn ich in der Fremde bin,
Wann ich fremde Zungen üben,
Fremde Worte brauchen muß,
Die ich nimmermehr kann lieben,
Die nicht klingen als ein Gruß!
Sprache schön und wunderbar,
Ach wie klingest du so klar!
Will noch tiefer mich vertiefen
In den Reichthum, in die Pracht,
Ist mir's doch, als ob mich riefen
Väter aus des Grabes Nacht.
Klinge, klinge fort und fort!
Heldensprache, Liebeswort,

Steig' empor aus tiefen Grüften,
Längst verscholl'nes altes Lied!

Leb' auf's Neu' in heil'gen Schriften,
Daß dir jedes Herz erglüht.

Ueberall weht Gottes Hauch,

Heilig ist wohl mancher Brauch.

Aber soll ich beten, danken,

Geb' ich meine Liebe kund,

Meine seligsten Gedanken,

Sprech' ich wie der Mutter Mund.

Mar von Schenkendorf.

An Dichter und Leser.

Willst du dichten — sammle dich,
Sammle dich wie zum Gebete,

Daß dein Geist andächtiglich
Vor das Bild der Schönheit trete,
Daß du seine Züge klar,
Seine Fülle tief erschauest,
Und es dann getreu und wahr
Wie in reinen Marmor hauest.
Willst du lesen ein Gedicht

Sammle dich wie zum Gebete,
Daß vor deine Seele licht
Das Gebild des Dichters trete,
Daß durch seine Form hinan
Du den Blick dir aufwärts bahnest
Und, wie's Dichteraugen sah'n,
Selbst der Schönheit Urbild ahnest.

Adolf Stöber.

www

Poesie.

Poesie ist tiefes Schmerzen,

Und es kommt das echte Lied
Einzig aus dem Menschenherzen,
Das ein tiefes Leid durchglüht.
Doch die höchsten Poesien

Schweigen wie der höchste Schmerz,
Nur wie Geisterschatten ziehen
Stumm sie durch's gebroch'ne Herz.

Juftinus Kerner.

Vergebt, daß alle meine Lieder klagen,
Und manche Thräne diesen Blick umflort,
Auch ich, o glaubt mir! habe viel ertragen,

Das Schwert der Schmerzen hat auch mich durchbohrt.

Ihr könnt mich nur nach leichten Worten messen,
In diesen Busen konntet ihr nicht sehn:
Ach, jeder Scherz ist nur ein Selbstvergessen,
Und jedes Lächeln kommt mich hoch zu stehn.

von Platen-Hallermünde.

Wenn du willst im Menschenherzen
Wenn du willst im Menschenherzen
Alle Saiten rühren an,

Stimme du den Ton der Schmerzen,
Nicht den Klang der Freuden an.
Mancher ist wohl, der erfahren
Hat auf Erden keine Luft;
Keiner, der nicht still bewahren
Wird ein Weh in seiner Brust.

In düsterer Beit.

Zu Boden sinkt von meinen Tagen

[ocr errors]

Friedrich Rückert.

Die Lust an allem, Blatt um Blatt,

Ich fühl's mit Schmerz und mag nicht klagen,
Längst bin ich auch der Klage satt.
Verhüllt nur rollt ein innres Drängen,
Ein unerfülltes Zukunftwort,

Ein Strom von heißen Glutgefängen
In meiner Brust unglücklich fort
Unglücklich! Denn es blieb kein Streben,
Selbst meine Seele nicht mehr mein,
Dem späten Herbsttag gleicht mein Leben,
Dem Herbsttag ohne Sonnenschein.

Vielleicht nur kurz bevor es dunkelt,
Daß auch noch mir ein Abend glüht,
Ein müder letzter Strahl, und funkelt
Auf Tage, denen nichts mehr blüht.

Perle und Lied.

Herm. Lingg.

Die Berle wahrend im Gehäuse,
Das seinen Schatz verborgen hält,
So schifft die stille Muschel leise
Durch's tiefe Wogenmeer der Welt.
Der Muschel gleichen meine Lieder:
Von einer Thräne sind sie schwer,
Und leise ziehn sie auf und nieder
Durch meiner Schmerzen tiefes Meer.

Dichterloos.

kennst du jenes stille Leiden,

R. E. Ebert.

Das deines Dichters Wange bleicht?
Ihm hat Apoll die goldnen Saiten,
Doch seinen Nektar nicht gereicht.
Wie schwach will sich's zur Form gestalten,
Was mir im Busen zehrend schafft!
Des Geistes flammende Gewalten
Versengen meines Lebens Kraft.
Von allen Freuden soll ich sagen,
Und künden soll ich allen Schmerz.
Ach, Lust und Leid der Welt zu tragen,
Vermag nur der Kroniden Herz.

« PreviousContinue »