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Ein Lied, das, kaum geboren,
Auf leisem Hauch entschwebt,
Und doch so unverloren
In treuem Busen lebt —
So lebst du mir in Dauer:
Bist ein verklungnes Lied,
Das durch der Seele Trauer
Mit ew'gem Singen zieht.

Ludwig Pfau.

Auf die Morgenröthe.

Sonett.

Wann die goldne Frühe, neu geboren,

Am Olymp mein matter Blick erschaut, Dann erblass' ich, wein' und seufze laut: Dort im Glanze wohnt, die ich verloren! Grauer Tithon! du empfängst Auroren

Froh auf's Neu', sobald der Abend thaut; Aber ich umarm' erst meine Braut An des Schattenlandes schwarzen Thoren. Tithon! deines Alters Dämmerung

Mildert mit dem Strahl der Nosenstirne Deine Göttin, ewig schön und jung: Aber mir erloschen die Gestirne, Sank der Tag in öde Finsterniß, Als sich Molly dieser Welt entriß.

6. A. Bürger.

Das kranke Mädchen.

Es geht ein krankes Mädchen

Hin durch die Sommernacht;

Ihr Liebster ist gestorben, Das hat sie krank gemacht. Es scheinen Mond und Sterne Vom lichten Himmel her, Und wie sie aufwärts schauet, Da weinet das Mädchen sehr. ,,Ach, könnt' ich doch mich schwingen In den lichten Himmel hinein! Da würd' ich wiederfinden Den Herzallerliebsten mein. Du schöner, lichter Himmel, Erhör' mein füßes Flehn, Senk' dich herab zur Erde, Daß ich hinein kann gehn!“ Und während sie's gesprochen Aus ihres Herzens Grund, Da war sie weiter gegangen, Auf einer Brücke sie stund. Und als sie schaute nieder

In die stille Fluth hinein:
Sieht sie den Himmel drinnen
Und Mond- und Sternenschein.
„Hab' Dank, du lieber Himmel!
Du hast erhört mein Flehn,
Und bist zur Erde kommen,
Daß ich hinein kann gehn.
Es winkt der Mond so freundlich
Und jeder lichte Stern,

Gott, und auch der Liebste
Aus weiter, weiter Fern'!

Ich komme schon, ich komme!
Du Erde, gute Nacht!“

-

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Es

Da haben die stillen Fluthen
Sie in den Himmel gebracht.

Robert Reinick.

Der Wirthin Töchterlein.

zogen drei Bursche wohl über den Rhein, Bei einer Frau Wirthin da kehrten sie ein. „Frau Wirthin, hat Sie gut Bier und Wein? Wo hat Sie Ihr schönes Töchterlein?" „Mein Bier und Wein ist frisch und klar, Mein Töchterlein liegt auf der Todtenbahr.“ Und als sie traten zur Kammer hinein,

"

Da lag sie in einem schwarzen Schrein. Der erste der schlug den Schleier zurück Und schaute sie an mit traurigem Blick: ,,Ach lebtest du noch, du schöne Maid!

Ich würde dich lieben von dieser Zeit.“ Der zweite deckte den Schleier zu,

Und kehrte sich ab und weinte dazu: „Ach daß du liegst auf der Todtenbahr! Ich hab' dich geliebet so manches Jahr.“

Der dritte hub ihn wieder sogleich,

Und füßte sie an den Mund so bleich:

„Dich liebt' ich immer, dich lieb' ich noch heut',

Und werde dich lieben in Ewigkeit.“

Ludwig Uhland.

Ich hab' die Nacht geträumet.

Ich hab' die Nacht geträumet

Wohl einen schweren Traum:
Es wuchs in meinem Garten
Ein Rosmarienbaum.

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