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Die Brücke ist zerfallen;
Nun mühen sie sich bang,
Ein Liebeswort zu lallen,
Das nie herüber drang.
In ihrem Schattenleben

Quält Eins sie gar zu sehr:
Ihr Herz will dir vergeben,
Ihr Mund vermag's nicht mehr.
O bleibe treu den Todten,

Die lebend du betrübt;
O bleibe treu den Todten,
Die lebend dich geliebt!

Theodor Storm.

Im stillen Friedhof.

Wenn ich im stillen Friedhof geh',

Wird mir so schwer zu Herzen,
Daß man die treu'ste Menschenbrust,
Die mit getragen Leid und Lust,
So eilig kann verschmerzen.
Gras wächst darüber, ach wie bald!
Das Grab wird selber heiter.

Wie wenn ein Blatt vom Wipfel fällt,
So geht ein Leben aus der Welt -
Die Vögel fingen weiter.

O Menschenherz mit deinem Stolz!

Was flüstern die Cypressen?

„Wir steh'n auf einem schmalen Raum,
Darunter liegt ein Herze kaum,

So ist es schon vergessen.“

Ludwig Pfan.

Die lieben Todten.

Es wird so lau, es wird so linde,

So heimlich plaudern Bach und Quell, So flüsternd sauscht das Schilf im Winde, Es wird so sanft, so hold, so hell! Verklungne Kinderträume tauchen

Aus Nacht und Trümmerschutt empor,
Umgaukeln dein Gemüth, und hauchen
Vergess'ne Laute dir in's Ohr.

Die lieben Todten kommen leise

Mit trautem Gruß an dich heran,
Und reden dich in ihrer Weise
Mit ihren lieben Stimmen an.
Die Rinde schmilzt, die du getragen,
Dein Herz wird wieder kleines Kind,
Und weiß doch selber nicht zu sagen,
Warum so heiß die Thräne rinnt.

Robert Waldmüller.

Einst wirst du schlummern. Ob Nachts auch thränenfeucht dein Pfühl, Und heiß die ruhelosen Lider,

Einst wirst du schlummern sanft und kühl, Und keine Sorge weckt dich wieder. Bergehe nicht in Angst und Qual,

Es eilt die Stunde, dich zu retten;

Vier Bretter nur braucht's dünn und schmal,
Ein müdes Menschenherz zu betten.

Und du auch findest eine Hand,

Die Augen sanft dir zuzudrücken,

Mit einer Blume, einem Band
Dir deinen Sarg noch auszuschmücken.
Der Tod bringt Ruhe deinem Harm,
Die dir das Leben nie vergönnte,
Halt' aus: es ist kein Mensch so arm,
Daß er nicht endlich sterben könnte.

wwww

Gute Stunden.

Albert Traeger.

Zähle nicht die bangen Stunden,
Die des Lebens Nacht entsteigen,
Zähle nur, wenn sie entschwunden,
Wie viel Sterne sie dir zeigen.
Denn aus diesen lichten Sternen,
Die am Abendhimmel leuchten,
Kannst den sichern Troft du lernen,
Daß nie Wolken sie verscheuchten.
Immer, wenn die trüben wieder
In ihr Nichts zurückgesunken,
Blicken klar und mild sie nieder,
Diese goldnen Strahlenfunken.
So des Lebens gute Stunden,
Reich, unzählig, wie die Sterne
Möchten Jedem sie bekunden,
Wie er bange tragen lerne.

Das Blatt im Buche.

Ich hab' eine alte Muhme,
Die ein altes Büchlein hat,
Es liegt in dem alten Buche
Ein altes, dürres Blatt.

Carl Stelter.

So dürr sind wohl auch die Hände,
Die's einst im Lenz ihr gepflückt.
Was mag wohl die Alte haben?
Sie weint, so oft sie's erblickt.

Anaftafius Grün.

Von keinem Leid, so schwer es sei,
Laß stimmen deine Seele trüber.
Geht auch dein Leiden nicht vorbei,
So gehst du doch vorüber.

Morih Hartmann.

Seliger Ausgang.

Das höchste Glück hat keine Lieder,

Der tiefste Schmerz hat keinen Laut,
Sie spiegeln beide still sich wieder
Im Tropfen, der vom Auge thaut.
So einen sich in stummen Zähren
Das höchste Glück, das tiefste Leid,
Bis sie in Liebe sich verklären,
Anbetend in Gottseligkeit.

Julius Sturm.

Einer Todten.

Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr,
Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen:
Die Mutterfreude war für dich zu schwer,
Das Leben war dir gar zu hart gewesen.
Er saß bei dir in letter Liebespflicht;

Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!
Auch die verrann, dann kam das Morgenlicht.
„Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!“

Er hörte still die sanften Worte an,

Wie sie sein Ohr in bangen Parsen trafen:

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„Sorg' für das Kind — ich sterbe, füßer Mann.“ Dann halbverständlich noch: „Nun will ich schlafen.“ Und dann nichts mehr; · du wurdest nimmer wach. Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber; Der Athem Gottes wehte durch's Gemach, Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber.

Hast du Jemand weh gethan

Theodor Storm.

Und du hörst ein frommes Läuten,
Denke, o gedenke d'ran:

Seinen Tod könnt' es bedeuten.

Geh' ihm nach und bitte ab —

Bis du ihm das Herz erweichest,

Daß nicht einst an seinem Grab
Zagend du vorüber schleichest.

Clotilde von Schwarzkoppen.

Stille.

Wie liebe ich die stillen Seelen!
Die Stille ist des Himmels Bild;
Wie hohe Gaben ich mag wählen,
Die Stille nur aus Heil'gem quillt.
Still ist die Einsamkeit, der Friede,

Es weint in Sehnsucht still der Schmerz,
Und waltet stille Gluth im Liede,
Dringt es am tiefsten in das Herz.
Still find Gedanken, Blumentriebe,

Still ist der Schlaf, des Todes Schein,

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