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Oselig der, dem wohlgeborgen,
Im oft durchfrosteten Gemüth,
Hoch über allen Erdensorgen

So eine süße Blume blüht!

Feodor Löwe.

Der frohe Wandersmann.

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,

Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicet nicht das Morgenroth,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Noth um Brod.
Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt' ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl' und frischer Brust?
Den lieben Gott lass' ich nur walten;

Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd' und Himmel will erhalten,
Hat auch mein' Sach' auf's Best' bestellt!

Joseph Frhr. v. Eichendorff.

Abenddämmerung.

Am blassen Meeresstrande

Saß ich gedankenbekümmert und einsam.
Die Sonne neigte sich tiefer und warf
Glührothe Streifen auf das Wasser,
Und die weißen weiten Wellen,

[graphic][subsumed]

Von der Fluth gedrängt,

Schäumten und rauschten näher und näher
Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen,
Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen,
Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen -
Mir war, als hört' ich verscholl'ne Sagen,
Uralte, liebliche Märchen,

Die ich einst, als Knabe

Von Nachbarskindern vernahm,
Wenn wir am Sommerabend

Auf den Treppensteinen der Hausthür
Zum stillen Erzählen niederkauerten,
Mit kleinen, horchenden Herzen
Und neugierklugen Augen; -
Während die großen Mädchen
Neben duftenden Blumentöpfen
Gegenüber am Fenster saßen,
Rosengesichter,

Lächelnd und mondbeglänzt.

Heinrich Heine.

Herbstlich sonnige Tage.
Herbstlich sonnige Tage,

Mir beschieden zur Lust,
Euch mit leiserem Schlage
Grüßt die athmende Brust.
Owie waltet die Stunde
Nun in seliger Ruh'!
Jede schmerzende Wunde
Schließet leise sich zu.

Nur zu rasten, zu lieben,
Still an sich selber zu bau'n,
Fühlt sich die Seele getrieben
Und mit Liebe zu schau'n.
Und so schreit' ich im Thale,
In den Bergen, am Bach
Jedem fegnenden Strahle,
Jedem verzehrenden nach.
Jedem leisen Verfärben

Lausch' ich mit stillem Bemüh'n,
Jedem Wachsen und Sterben,
Jedem Welken und Blüh’n.
Selig lern' ich es spüren,

Wie die Schöpfung entlang Geist und Welt sich berühren Zu harmonischem Klang. Was da webet im Ringe,

Was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
Ist's dem Schauenden nur.
Jede sproffsende Pflanze,

Die mit Düften sich füllt,
Trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimniß verhüllt.
Schweigend blickt's aus der Klippe,
Spricht im Quellengebraus;

Doch mit heiliger Lippe

Deutet die Mus' es aus.

Emanuel Geibel.

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