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Erst muß des Baumes Blüthe sterben
Und dann erst stirbt der Blüthenbaum.

Emil Rittershaus.

Der Liebe Dauer.

Olieb', so lang' du lieben kannst!

O lieb', so lang' du lieben magst!

Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Und sorge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
So lang' ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!
Und wer dir seine Brust erschließt,

thu' ihm, was du kannst, zu lieb!
Und mach' ihm jede Stunde froh,
Und mach' ihm keine Stunde trüb!
Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint,
Der Andre aber geht und klagt.
Olieb', so lang' du lieben kannst!

O lieb', so lang' du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
Dann kniest du nieder an der Gruft,
Und birgst die Augen, trüb und naß

Sie sehn den Andern nimmermehr
In's lange, feuchte Kirchhofsgras.
Und sprichst: O schau' auf mich herab,

Der hier an deinem Grabe weint!

Bergib, daß ich gekränkt dich hab'!
O Gott, es war nicht bös gemeint!
Er aber sieht und hört dich nicht,

Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: ich vergab dir längst!
Er that's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Thräne fiel
Um dich und um dein herbes Wort
Doch still- er ruht, er ist am Ziel!
O lieb', so lang' du lieben kannst!
Olieb', so lang' du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du am Grabe stehst und klagst!

Auferstehung.

Ferdinand Freiligrath.

Wenn Einer starb, den du geliebt hienieden,

So trag' hinaus zur Einsamkeit dein Wehe,
Daß ernst und still es sich mit dir ergehe

Im Wald, am Meer, auf Steigen längst gemieden.
Da fühlst du bald, daß Jener, der geschieden,

Lebendig dir im Herzen auferstehe,

In Luft und Schatten spürst du seine Nähe,
Und aus den Thränen blüht ein tiefer Frieden.

Ja, schöner muß der Todte dich begleiten,

Um's Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein, Und treuer denn du hast ihn alle Zeiten. Das Herz hat auch sein Ostern, wo der Stein

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Vom Grabe springt, dem wir den Staub nur weihten;
Und was du ewig liebst, ist ewig dein.

Emanuel Geibel.

Begrabe deine Todten.
Begrabe deine Todten

Tief in dein Herz hinein;
So werden sie dein Leben
Lebend'ge Todte sein.
So werden sie im Herzen

Stets wieder auferstehn,
Als gute, lichte Engel
Mit dir durch's Leben gehn.

Begrab' dein eigen Leben

In Andrer Herz hinein;

So wirst du, und bist du ein Todter,

Ein ewig Lebender sein.

Carl Siebel.

Tren den Todten.

bleibe treu den Todten,
Die lebend du betrübt;
O bleibe tren den Todten,
Die lebend dich geliebt!
Sie starben, doch sie blieben
Auf Erden wesenlos,
Bis allen ihren Lieben
Der Tod die Augen schloß.

Indessen du dich herzlich

In Lebensluft versenkst,
Wie sehnen sie sich schmerzlich,

Daß ihrer du gedenkst!

Sie nahen dir in Liebe,

Allein du fühlst es nicht;

Sie schaun dich an so trübe,
Du aber siehst es nicht.

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