Page images
PDF
EPUB

Natur, in dein Leben still und kühl
Liege ich selig versunken:
Ein süßes Kindermärchengefühl
Macht mir die Sinne trunken.

Liebesfeier.

An ihren bunten Liedern klettert

Die Lerche selig in die Luft;

Wolfgang Müller.

Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde, voller Blüth' und Duft.
Da sind, so weit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,

Und all' die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet

An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.

Einsamkeit.

Nicolaus Lenan.

Hörst du nicht die Quellen gehen
Zwischen Stein und Blumen weit
Nach den stillen Waldesseen,
Wo die Marmorbilder stehen
In der schönen Einsamkeit?
Von den Bergen sacht hernieder,
Weckend die uralten Lieder,
Steigt die wunderbare Nacht,
Und die Gründe glänzen wieder,
Wie du oft im Traum gedacht.

Und die Nachtigallen schlagen,
Und rings hebt es an zu klagen,
Ach, von Liebe todeswund;
Von versunk'nen schönen Tagen
Komm, o komm zum stillen Grund.

Joseph Frhr. v. Eichendorff.

Abendstille.

Nun hat am klaren Frühlingstage
Das Leben reich sich ausgeblüht;
Gleich einer ausgeklungnen Sage,
Im West das Abendroth verglüht.
Des Vogels Haupt ruht unter'm Flügel,
Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort;
Der Landmann führt das Roß am Zügel,
Und Alles ruht an seinem Ort.

Nur fern im Strome noch Bewegung,

Der weit durch's Thal die Fluthen rollt:
Es quillt vom Grunde leise Regung,
Und Silber säumt sein flüssig Gold.
Dort auf dem Strom noch ziehen leise
Die Schiffe zum bekannten Port,
Geführt vom Fluß im sichern Gleise
Sie kommen auch an ihren Ort.
Hoch oben aber eine Wolke

Von Wandervögeln rauscht dahin;
Ein Führer streicht voran dem Volke
Mit Kraft und landeskund’gem Sinn.
Sie kehren aus dem schönen Süden
Mit junger Lust zum heim'schen Nord,
Nichts mag den sichern Flug ermüden
Sie kommen auch an ihren Ort!

Und du, mein Herz! in Abendstille

Dem Kahn bist du, dem Vogel gleich,

Es treibt auch dich ein starker Wille,
An Sehnsuchtsschmerzen bist du reich.
Sei's mit des Kahnes stillem Zuge
Zum Ziel doch geht es immer fort;
Sei's mit des Kranichs raschem Fluge -
Auch du, Herz, kommst an deinen Ort!

Lockung.

Gottfried Kinkel.

Hörst du nicht die Bäume rauschen
Draußen durch die stille Rund'?
Lockt's dich nicht, hinabzulauschen
Von dem Söller in den Grund,
Wo die vielen Bäche gehen
Wunderbar im Mondenschein,
Und die stillen Schlösser sehen
In den Fluß vom hohen Stein?
Kennst du noch die irren Lieder
Aus der alten, schönen Zeit?
Sie erwachen alle wieder
Nachts in Waldeseinsamkeit,
Wenn die Bäume träumend lauschen
Und der Flieder duftet schwül
Und im Fluß die Nixen rauschen
Komm herab, hier ist's so kühl.

Joseph Frhr. v. Eichendorff.

Wald und Wiese.

Blumen des Waldes, so wunderbar eigen; Blumen der Wiese, reicher und bunter, Lieblicher Wechsel der freundlichen Farben, Blumen der Wiese, was seid ihr so munter? Blumen des Waldes, in düsterem Schatten Mußtet ihr einsam und freundlos erblühn. Blumen der Wiese, euch lachte das Schicksal, Rings euch umgebend mit Hoffnungsgrün.

Frühling ohn' Ende.

Nun brechen aller Enden

Die Blumen aus grünem Plan;
Wo ich mich hin mag wenden,
Da hebt ein Klingen an!

Möcht' dir ein Sträußlein binden,
Möcht' dir ein Lied erfinden.
Wo aber fang' ich an?

Hier blühn Mariensterne,

Dort Primeln dicht und bunt;
Bald ruft ein Horn zur Ferne,
Bald rauscht's im kühlen Grund.
Ganz wirr ist mir zu Sinne,
Weiß nicht, was ich beginne;
Mein Herz ist mir verwund't.
Ja, möchtest selbst du kommen,
Da wär's wohl gute Zeit,
All' Leid wär' mir benommen,
Und lauter Seligkeit;

Ernst.

Die Blumen könnten blühen,
Die Klänge weiter ziehen,
Ist doch die Welt so weit.
Wenn sich zwei Augen gefunden,
Wer schaut die Blumen an?
Wenn sich zwei Mündlein runden,
Was braucht's der Lieder dann?
Wenn einig Herz und Hände:
Welch' Frühling ohne Ende
Hebt da zu blühen an!

Im Walde.

Geh' ich einsam durch den Wald,
Durch den grünen, düstern,
Keines Menschen Stimme schallt,
Nur die Bäume flüstern:
O, wie wird mein Herz so weit,
Wie so hell mein Sinn!
Märchen aus der Kinderzeit
Treten vor mich hin.

Ja, ein Zauberwald ist hier:

Was hier lebt und wächst,

Robert Reinid.

Stein und Blume, Baum und Thier,

Alles ist verhert.

Die auf dürren Laubes Gold

Sich hier sonnt und sinnt,

Diese Natter, krausgerollt,
Ist ein Königskind.

Dort in jenen dunklen Teich,

Der die Hindin tränkt,

« PreviousContinue »