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Deines Herzens Sorge wiege
D'rauf die Nacht in süße Ruh'
Und die freie Seele fliege
Liebend den Gestirnen zu!

Friedrich Hölderlin.

Die Sanften Tage.

Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann in der ersten Frühlingszeit
Der Himmel, blaulich aufgeschlagen,
Zur Erde Glanz und Wärme streut;
Die Thäler noch von Eise grauen,
Der Hügel schon sich wonnig hebt,
Die Mädchen sich in's Freie trauen,
Der Kinder Spiel sich neu belebt.
Dann steh' ich auf dem Berge droben
Und seh' es Alles, still erfreut,
Die Brust von leisem Drang gehoben,
Der noch zum Wunsche nicht gedeiht.
Ich bin ein Kind und mit dem Spiele
Der heiteren Natur vergnügt,
In ihre ruhigen Gefühle

Ist ganz die Seele eingewiegt.
Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann ihrer mildbesonnten Flur
Gerührte Greise Abschied sagen;
Dann ist die Feier der Natur.

Sie prangt nicht mehr mit Blüth' und Fülle,
All' ihre regen Kräfte ruhn,

Sie sammelt sich in süße Stille,

Jihre Tiefen schaut sie nun.

Die Seele, jüngst so hoch getragen,
Sie senket ihren stolzen Flug,
Sie lernt ein friedliches Entsagen,
Erinnerung ist ihr genug.

Da ist mir wohl im sanften Schweigen,
Das die Natur der Seele gab;
Es ist mir so, als dürft' ich steigen
Hinunter in mein stilles Grab.

Ludwig Uhland.

Frühlingsblick.

Durch den Wald, den dunklen, geht
Holde Frühlingsmorgenstunde,
Durch den Wald vom Himmel weht
Eine leise Liebeskunde.

Selig lauscht der grüne Baum,
Und er taucht mit allen Zweigen
In den schönen Frühlingstraum,
In den vollen Lebensreigen.
Blüht ein Blümlein irgendwo,

Wird's vom hellen Thau getränket,

Das einsame zittert froh,

Daß der Himmel sein gedenket.

In geheimer Laubesnacht

Wird des Vogels Herz getroffen
Von der großen Liebesmacht,
Und er singt ein füßes Hoffen.

All' das frohe Lenzgeschick

Nicht ein Wort des Himmels kündet;
Nur sein stummer, warmer Blick
Hat die Seligkeit entzündet;

Also in den Winterharm,

Der die Seele hielt bezwungen,

Ist ein Blick mir, still und warm,
Frühlingsmächtig eingedrungen.

Mailied.

Wie herrlich leuchtet

Mir die Natur!

Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüthen
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud' und Wonne
Aus jeder Brust.

Erd'! o Sonne!

Glück! o Lust!

Lieb'! o Liebe!

So golden-schön,

Wie Morgenwolken
Auf jenen Höh'n!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blüthendampfe
Die volle Welt.
Mädchen, Mädchen,
Wie lieb' ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

Nicolans Lenau.

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Weil ich dich liebe

Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud' und Muth

Zu neuen Liedern

Und Tänzen gibst.

Sei ewig glücklich,

Wie du mich liebst!

Morgenfrühe.

Goethe.

Noch sind die Blumen halb geschlossen,
Noch sind die Vöglein schlummermatt,
Der Thau, der sich bei Nacht ergossen,
Fällt leis im Wald von Blatt zu Blatt.
Es zittert durch die grünen Hallen
Des Morgenwindes duft'ger Hauch,
Und wie des Thaues Tropfen fallen,
Fällt von der Bruft die Schwermuth auch.

Und wieder bebt mir durch's Gemüthe

Die Wonne, die mich einst entzückt;

Auf's Neue blüht sie auf, die Blüthe,
Die fast des Lebens Last erdrückt.
Was bei des Tags Gewitterschwüle
Sich um der Seele Flügel spinnt,
Aus meinem Busen treibt's der kühle,
Der frühlingsfrische Morgenwind.

Gesegnet sei, du Morgenfeier!

Schon leuchtet's um der Berge Knauf;
Die Seele hebt den Fittig freier
Und mit den Lerchen steigt sie auf.

Ich möcht' an's Herz den Himmel pressen,
Die Blume küssen, die ich pflück',
O, eine Stunde Schmerzvergessen
Ist schon ein unermeßlich Glück!
Die Nebel auf des Thales Matten
Verscheucht der Sonne goldne Pracht,
Es sind die letzten dunklen Schatten
Von dem Gewand der flücht'gen Nacht,
Empor, empor, ihr Liederschwingen!
Fort, Sorgennebel, dumpf und schwer!
O Gott, wenn doch die Sorgen gingen
Einmal auf Nimmerwiederkehr!

Die Luft so still.

Emil Rittershaus.

Die Luft so still und der Wald so stumm
An dieser bewachsenen Halde,

Ein grüngewölbtes Laubdach ringsum,
Ein Wiesenthal unten am Walde.
Wildblühende Blumen sprießen umher,
Rings fließen süße Düfte,

Ohne Rauschen raget der Bäume Meer
Hoch in die sonnigen Lüfte.

Nur Amselschlag einsam und weit,

Und Falkenschrei aus der Höhe,
Und nichts Lebendiges weit und breit,
Als im Waldthal grasende Rehe.

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