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Ich weiß ein Paar Lippen, wie Purpur so roth,
Die oft schon mein Mädchen zum Kusse mir bot,
Und öffnet sich lächelnd das blühende Paar,
So wird man zwei Reihen von Perlen gewahr.
Doch giebt es noch Perlen von reinerem Licht,
Sie haben dort droben das höchste Gewicht,
Sie steigen verkläret zum Himmel empor
O locke nur Thränen der Freude hervor!
August Schnezler.

Hoffnung.

Hoffnung schlummert tief im Herzen,
Wie im Lilienkelch der Thau;
Hoffnung taucht, wie aus den Wolken
Nach dem Sturm des Himmels Blau;
Hoffnung keimt, ein schwaches Hälmchen,
Auch auch nackter Felsenwand;
Hoffnung leuchtet unter Thränen,
Wie im Wasser der Demant.
Schon so tausendfach betrogen,

Armes, schwaches Menschenherz,
Immer wendest du dich wieder
Gläubig trauernd himmelwärts:
Wie Arachne unverdrossen
Täglich neue Neße spannt,
Kreuze auch durch ihre Fäden
Täglich rauh des Schicksals Hand.

Franz Frhr. Gaudy.

Herbstgefühl.

O wär' es blos der Wange Pracht,
Die mit den Jahren flieht!

Doch das ist's, was mich traurig macht,

Daß auch das Herz verblüht;

Daß, wie der Jugend Ruf verhallt

Und wie der Blick sich trübt,

Die Brust, die einst so heiß gewallt,
Vergißt, wie sie geliebt.

Ob von der Lippe dann auch kühn
Sich Wiz und Scherz ergießt,
's ist nur ein heuchlerisches Grün,
Das über Gräbern sprießt.

Die Nacht kommt, mit der Nacht der Schmerz,

Der eitle Flimmer bricht;

Nach Thränen sehnt sich unser Herz,

Und findet Thränen nicht.

Wir sind so arm, wir sind so müd',

Warum, wir wissen's kaum,

Wir fühlen nur, das Herz verblüht,
Und alles Glück ist Traum.

Emanuel Geibel.

Abendmahl der Schöpfung.
Wie liegt verklärt das Berggelände
Im purpurklaren Abendstrahl!
Wie bieten freundlich sich die Hände
Der rauhe Fels, das fanfte Thal!
Zur Linken steigt der Reben Fülle

Hinauf durch Steingeröll und Dorn;

Zur Rechten rauscht in falber Hålle
Schon mählich reifend goldnes Korn.
Ofelig, mitten inne schweifen

Auf engem Pfad durch laue Luft,
Vom Korn die letzten Blüthen streifen
Und saugen Rebenblüthenduft!

Bald wird vom Strahl der Sommersonnen

Dies Korn zum Brot bereitet sein;

Sich selber opfernd in die Tonnen
Gießt bald die Traub' ihr Blut als Wein.
In Ahnung bin ich schon begnadet,
Mein Gottestempel wird die Flur;
Zu ihrem Abendmahle ladet

Mit Brot und Wein mich die Natur.

Gottfried Kinkel.

Etwas wünschen.

Etwas wünschen und verlangen,
Etwas hoffen muß das Herz,
Etwas zu verlieren bangen,
Und um Etwas fühlen Schmerz.

Deine Lust und deine Wonne

Mußt du an was immer sehn,
Soll vergeblich Mond und Sonne
Nicht an dir vorübergehn.
Gleich von unbegrenztem Sehnen,
Wie entfernt von träger Ruh,
Müsse sich mein Leben dehnen,
Wie ein Strom, dem Meere zu.

Friedrich Rückert.

Das Auge.

Die Welt ist eine große Seele
Und jede Seele eine Welt;
Das Auge ist der lichte Spiegel,
Der beider Bild vereinigt hält.
Und, wie sich dir in jedem Auge
Dein eignes Bild entgegenstellt,
So sieht auch jeder seine Seele,
Sein eignes Ich nur in der Welt!

Emil Rittershans.

Der Glaube der Freundschaft.
Wenn eines Menschen Seele du gewonnen,
Und in sein Herz hast tief hineingeschaut,
Und ihn befunden einen klaren Bronnen,
In dessen reiner Fluth der Himmel blaut:
Laß deine Zuversicht dann nichts dir rauben,
Und trage lieber der Enttäuschung Schmerz,.
Als daß du grundlos ihm entziehst den Glauben
Kein größer Glück, als ein vertrauend Herz!
Laß adlermuthig deine Liebe schweifen,

Bis dicht an die Unmöglichkeit hinan:

Kannst du des Freundes Thun nicht mehr begreifen,
So fängt der Freundschaft frommer Glaube an.

Losungswort.

laß des Herzens Zug sich richten
Nach Einem Ziele fort und fort,

Felix Dahn.

Und all dein Denken, Thun und Dichten
Durchglüh' ein mächtig Losungswort;
Es heißt dich, treu im Andern leben,
Es führt dich selbst zum Frieden ein,
Du mußt nur unablässig streben

Ein Mensch, ein ganzer Mensch zu sein.
Wohl oft zerfloß dein Sinn in Wehmuth,
Wenn dir ein Pfand entrissen ward,
Das, hochbegnadet, du in Demuth
Als heilig Erbtheil dir bewahrt:
Du darfst nicht streng die Menschen richten,
Entsagen muß, wer hier gewinnt,

O deine Trauer laß sich schlichten
Im Quell, der mild vom Auge rinnt!
Viel tausend andre Menschenherzen
Verzehren sich in gleichem Gram:
So hilf ein fremdes Leid verschmerzen,
Das einst dich selber überkam.
Es läutern sanft sich deine Triebe
Und deine Seele wird geweiht

Zum Heiligthum der schönsten Liebe,

Die weinend Andern Rosen streut.

Sterben.

Heinrich Uhse.

Es

darf im füßen Traum der Wonne, Wenn dir den Kranz die Freude flicht,

Nicht sinken deine Lebenssonne,
Nicht löschen aus dein Lebenslicht.

Sollst du dir ew'ge Ruh' erwerben,
So stirbt zuvor dein schönster Traum.

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