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So steht er da, die Locken weiß bereift,
Und in den Flocken, die die Jahre senden,
Den Lorbeerkranz, zu vollem Grün gereift.
Er selbst ein Fels mit scheitelrechten Wänden,

Salis y Gomez, ragt er aus der Fluth,

Von Wellendrang umbraust an allen Enden, Doch in dem Steine schlägt ein Herz voll Gluth, Ein Herz, das hält die ganze Welt umschlungen, D'ran wie an Vaterbruft die Menschheit ruht. Wer hat ihr Leid so laut wie du gesungen

Und wer wie du gen wild' und zahme Horden In ihrem Dienst sein Dichterschwert geschwungen? Ein Fremdling warst du unserm deutschen Norden, In Sitt' und Sprache andrer Stämme Sohn, Und wer ist heimischer als du ihm worden? Nun schläfst du in der fremden Erde schon,

Und die den Wandernden nicht konnte wiegen, Beut ihm ein Grab mit Lorbeer und mit Mohn. D'rauf soll gekreuzt sein Pilgerstecken liegen.

Und unser Banner, das dem Sängerheer
Voran er trug, zu kämpfen und zu siegen.
Wir aber stehen klagend rings umher,

Denn gönnen wir ihm die verdiente Rast,
So gönnten wir den Führer uns noch mehr.
Zeit der Noth! Es stürzen Stamm und Ast,
Rechts klingt und links die Axt im grünen Wald,
Gefallnes Laub wird wirbelnd aufgefaßt.

Die Wolken haben dräuend sich geballt,
Von Sturmesfurchen ist der See gekräuselt;
Bald hörst du nur den Herbstwind, welcher kalt
Durch kahle Forsten, über Stoppeln säuselt.
Franz Dingelstedt.

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Bei Koblenz.

(Am Grabe Schenkendorf' 8.)

Dorten durch der Brücke Bogen
Eilt die Mosel in den Rhein,
Dorten ragt die Kastorkirche,
Dort der Ehrenbreitenstein.
Um die Berge klimmt die Nebe,

In der Eb'ne wallt das Korn,
Mädchen mit dem Pfeil im Haare
Füllen Krüge sich am Born.
In des Herbstes milder Sonne
Sanft und feiernd liegt die Welt,
Schwalben rüsten sich zur Reise,
Und ich irre durch das Feld,
Irr' auf unbetret'nen Wegen,

Wie der Landmann rauh sie bahnt, Bis zur Einkehr unter Weiden Mich ein Gottesacker mahnt. Gottesacker, Gottesfrieden!

Auf den Gräbern Sonnenstrahl, Und der Jahrszeit letzte Blumen Duften um der Kreuze Zahl. Bunt die Blumen, grau die Kreuze! Eines seh' ich dort erhöht,

D'rauf mit ernsten, schlichten Lettern „Schenkendorf“ geschrieben steht.

Nahe dem geliebten Strome,

Dem es laut in Zorn und Schmerz
Freiheitslieder zugesungen,

Schläft das reine Dichterherz.

Ach, die Freiheit, die du meintest,
Kam noch nicht mit ihrem Schein!
Ach, und wiederum in Fesseln
Zieht dein Felsenkind, dein Rhein!
Was du sangst, wofür du strebteft,
Ach, von Allem nichts erfüllt!
Wohl dir, daß du nicht erlebtest,
Was dein Hügel dir verhüllt!
Ich indeß will ihn bedecken

Mit dem frisch gebroch'nen Strauß,
Will an meinem Wanderstecken
Grollend ziehn zum Land hinaus.
Ob ich je zum Rheine kehre,
Heimathdurftig, wandermatt ?
Ob die Freiheit je, die hehre,
Wache hält auf dieser Statt?
In des Herbstes milder Sonne
Sanft und feiernd ruht das Feld,
Sanft und feiernd ruht dein Hügel
Laß mich! Vor mir liegt die Welt!

Ferdinand Freiligrath.

Lenau's Tod.

Als die Seele ausgezogen

War aus dem Palast, der längst zerfallen,

Kam ein Engelpaar geflogen,

Um auf blauen Aetherwogen

Sie zu tragen in die Himmelshallen.

Doch die lichten Gottesboten

Waren, ach, den Weg umsonst gekommen :

Einen Theil vom Geist des Todten
Hatten sich die lebensrothen

Blumen auf den Feldern schon genommen.
Und die süßen Nachtigallen

Kamen zugesprungen so behende,
Und die Lerchen sah man wallen,
Weil den lieben Vöglein allen
Angehörte eine kleine Spende.
Sich, der Westwind kam gefahren,

Trug sein Theil der Donau in die Wellen,
Um den muthigen Magyaren,

Der Zigeuner braunen Schaaren

Das geweihte Erbe zu bestellen.
Auch der Nordwind blieb nicht sizen

In den Höhlen und erschien mit Brausen,
Nahm sein Theil, es auf den Spizen
Hoher Alpen, in die Nißen

Eilig bringend, wo die Adler hausen.

Und der Erdgeist, still bedenkend

Seines Erbtheils, war herbeigekommen,

In den tiefen Schacht es senkend,

Und damit das Eisen tränkend,

Für den Kampf der Menschheit, der entglommen.

Traurig durch den Aether flogen

Wieder heim die gottentsandten Boten,
Und im Himmel eingezogen,

Meldend, daß man sie betrogen

Um die Seele dieses edlen Todten.

Emil Kuh.

Die Gräber zu Ottensen.

Erstes Grab.

Zu Ottensen auf der Wiese
Ist eine gemeinsame Gruft;
So traurig ist keine wie diese

Wohl unter des Himmels Luft.
Darinnen liegt begraben

Ein ganzes Volksgeschlecht,

Väter, Mütter, Brüder, Töchter, Kinder, Knaben,
Zusammen Herr und Knecht.

Die rufen Weh zum Himmel

Aus ihrer stummen Gruft,
Und werden's rufen zum Himmel,
Wann die Trommet' einst rust.
Wir haben gewohnt in Frieden
Zu Hamburg in der Stadt,
Bis uns daraus vertrieben
Ein fremder Wüthrich hat.

Er hat uns ausgestoßen

Im Winter zur Stadt hinaus,
Die hungernden, nackenden, bloßen;
Wo finden wir Dach und Haus?
Wo finden wir Kost und Kleider,
Wir zwanzigtausend an Zahl? -
Die Andern schleppten sich weiter,
Wir blieben hier zumal.

Die Andern nahmen die Britten
Und Andre die Dänen auf;
Wir brachten mit müden Schritten
Bis hieher unsern Lauf.

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