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Und festlich ward an die geschmückten Stufen Die Huldigung der Künste vorgerufen. Da hör' ich schreckhaft mitternächt'ges Läuten,

Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt,
Ist's möglich? Soll es unsern Freund bedeuten,
An den sich jeder Wunsch geklammert hält ?
Den Lebenswürd’gen soll der Tod erbeuten?
Ach! wie verwirrt solch ein Verluft die Welt!
Ach! was zerstört ein solcher Niß den Seinen!
Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?
Denn er war unser! Wie bequem gesellig

Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,
Wie bald sein Ernst, anschließend, wohlgefällig,
Zur Wechselrede heiter sich geneigt,

Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig
Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt

Und fruchtbar sich in Rath und That ergossen:
Das haben wir erfahren und genossen.
Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns, im sichern Port,
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
In's Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine,
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Nun schmückt er sich die schöne Gartenzinne,
Von wannen er der Sterne Wort vernahm,
Das dem gleich ew'gen, gleich lebend’gen Sinne
Geheimnißvoll und klar entgegen kam.
Dort, sich und uns zu köftlichem Gewinne,
Verwechselt er die Zeiten wundersam,

Begegnet so, im Würdigsten beschäftigt,

Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt. Ihm schwollen der Geschichte Fluth auf Fluthen, Verspülend, was getadelt, was gelobt, Der Erdbeherrscher wilde Heeresgluthen, Die in der Welt sich grimmig ausgetobt, Im niedrig Schrecklichsten, im höchsten Guten Nach ihrem Wesen deutlich durchgeprobt. Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne Vom klaren Berg herüber stieg die Sonne. Nun glühte seine Wange roth und röther

Von jener Jugend, die uns nie entfliegt,
Von jenem Muth, der, früher oder später,
Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt,
Von jenem Glauben, der sich stets erhöhter
Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt,
Damit das Gute wirke, wachse, fromme,
Damit der Tag dem Edlen endlich komme.
Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig,

Dies bretterne Gerüste nicht verschmäht;
Hier schildert er das Schicksal, das gewaltig
Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht,
Und manches tiefe Werk hat, reichgestaltig,
Den Werth der Kunst, des Künstlers Werth erhöht.
Er wendete die Blüthe höchsten Strebens,
Das Leben selbst, an dieses Bild des Lebens.

Ihr kanntet ihn, wie er mit Niesenschritte

Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß,
Durch Zeit und Land, der Völker Sinn und Sitte,
Das dunkle Buch mit heiterm Blicke las;
Doch wie er athemlos in unsrer Mitte

In Leiden bangte, kümmerlich genas,

Das haben wir in traurig schönen Jahren,
Denn er war unser, leidend miterfahren.
Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle
Des bittern Schmerzes wieder aufgeblickt,
Ihn haben wir dem lästigen Gefühle
Der Gegenwart, der stockenden, entrückt,
Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele
Den neu belebten edlen Sinn erquickt,
Und noch am Abend vor den letzten Sonnen
Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen.

Er hatte früh das strenge Wort gelesen,

Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut, So schied er nun, wie er so oft genesen: Nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut. Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen Sich hier verklärt, wenn es hernieder schaut. Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt, Es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt. Auch manche Geister, die mit ihm gerungen, Sein groß Verdienst unwillig anerkannt, Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen, In seinem Kreise willig festgebannt: Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen, Mit Allem, was wir schäßen, eng verwandt, So feiert Ihn! Denn was dem Mann das Leben Nur halb ertheilt, soll ganz die Nachwelt geben. So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren Schon zehne sind's! - von uns sich weggekehrt! Wir haben alle segensreich erfahren, Die Welt verdank' ihm, was er sie gelehrt; Schon längst verbreitet sich's in ganze Schaaren, Das Eigenste, was ihm allein gehört.

Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.

Süß

Goethe's Heimgang.

Goethe.

mag das Aug' des Sterbenden sich schließen, Der Freundesthränen auf der Stirne fühlt, Die d'rauf wie eine Todestaufe fließen,

Daß sich der bange Schweiß des Sterbens kühlt! Doch Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden,

Wenn man der Thränen und der Trauer werth!
Wozu soll eine Seele um sie leiden,

Wenn die Vollendung zu den Sternen fährt?
Ja, Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden!
Zu scheiden, wie der Tag im Abendroth!
Er gab uns Wärme, Licht genug und Freuden,
Und zieht dahin, weil seine Zeit gebot!
Zu fallen wie ein Feld voll goldner Aehren,
Die schlank gewallt im grünen Jugendkleid,
Doch nun ihr lastend Haupt zur Erde kehren!
Wer weint darob, daß es nun Erntezeit?
In Nacht zu sinken wie des Meeres Wogen,
D'rauf Sonnenglanz, Goldwimpel, reiche Fracht,
Gesang und Schwäne tagesüber zogen!
Die Zeit ist um, ihr Recht will auch die Nacht!

Und zu zerstäuben wie die flücht'ge Wolke!

Sie hat Gedeihn geregnet auf die Flur,
Den Friedensbogen hell gezeigt dem Volke,
Und löst sich nun in leuchtenden Azur.
So schied auch Er, der nun dahin gegangen,
Der hohe Mann, der kräft'ge Dichtergreis,

Auf dessen Lipp', auf dessen bleichen Wangen. Der Kuß des Glücks noch jetzt verglühet leis. Ein falter, starrer Arm, reglos gebeuget,

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In dem die goldne Leier lichtvoll blizt;
Ein greises Silberhaupt, im Tod geneiget,
D'rauf immergrün der frische Lorbeer sitt!
Sah dies mein Aug', nie konnt' es Thränen thauen!
Nein, stillbefriedigt, ruhig, glanzerhellt

Mußt' unabwendbar d’rauf es niederschauen,
Fürwahr, durch eine Thräne wär's entstellt!

--

Anaftafius Grün.

Am Grabe Chamisso's.

Wo habt ihr mir den Alten hingebettet?

Kommt, führt mich an den eng beschränkten Port,
Darein der Weltumsegler sich gerettet!

Ihr zeigt auf eine dürre Scholle dort,

Wo falbes Herbstlaub rieselnd niederregnet; Dort ruht er, sagt mir euer Trauerwort. Osei, du heilig Dichtergrab, gesegnet;

Du birgst ihn, dem mein Geist viel tausendmal, Mein sterblich Auge nimmermehr begegnet! Ich sah ihn nie: an seiner Blicke Strahl

Hat meine Kraft sich nicht entzünden sollen; Er stand zu hoch, ich ging zu tief im Thal. Doch in der Brust, in der begeistrungsvollen,

Trag' ich sein Bild wohl tiefer und getreuer,
Als sie in Wort und Farb' es malen wollen.
Ich seh' ihn ganz: der Augen dunkles Feuer,

Die lichte Stirn, die Brauen stolz gefchweift,
Und streng der Mund, als seien Worte theuer.

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