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Die Wolke flieht, der Nebel fällt,

Die Schatten sind hinweg. Ihr Götter, Preis und Wonne!

Es leuchtet mir die wahre Sonne,

Es lebt mir eine schönre Welt;

Das ängstliche Gesicht ist in die Luft zerronnen,

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Ein neues Leben ist's, es ist schon lang begonnen.

Ich sehe hier, wie man nach langer Reise

Im Vaterland sich wieder kennt,

Ein ruhig Volk in stillem Fleiße

Benußen, was Natur an Gaben ihm gegönnt.

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Der Faden eilet von dem Rocken

Des Webers raschem Stuhle zu;

Und Scil und Kübel wird in längrer Ruh

Nicht am verbrochnen Schachte stocken;

Es wird der Trug entdeckt, die Ordnung kehrt zurück, 175 Es folgt Gedeihn und festes irdsches Glück.

So mög, o Fürst, der Winkel deines Landes
Ein Vorbild deiner Tage sein!

Du kennest lang die Pflichten deines Standes
Und schränkest nach und nach die freie Seele ein.
Der kann sich manchen Wunsch gewähren,
Der kalt sich selbst und seinem Willen lebt;
Allein wer Andre wohl zu leiten strebt,
Muß fähig sein, viel zu entbehren.

So wandle du der Lohn ist nicht gering Nicht schwankend hin, wie jener Sämann ging, Daß bald ein Korn, des Zufalls leichtes Spiel, Hier auf den Weg, dort zwischen Dornen fiel;

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Nein! streue klug wie reich, mit männlich steter Hand,

Den Segen aus auf ein geackert Land;

Dann laß es ruhn: die Ernte wird erscheinen.

Und dich beglücken und die Deinen.

12. Zueignung

Der Morgen kam; es scheuchten seine Tritte
Den leisen Schlaf, der mich gelind umfing,
Daß ich, erwacht, aus meiner stillen Hütte
Den Berg hinauf mit frischer Seele ging;
Ich freute mich bei einem jeden Schritte
Der neuen Blume, die voll Tropfen hing;
Der junge Tag erhob sich mit Entzücken,
Und Alles ward erquickt, mich zu erquicken.

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Und wie ich stieg, zog von dem Fluß der Wiesen Ein Nebel sich in Streifen sacht hervor.

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Er wich und wechselte, mich zu umfließen,

Und wuchs geflügelt mir ums Haupt empor:
Des schönen Blicks sollt ich nicht mehr genießen,
Die Gegend deckte mir ein trüber Flor;
Bald sah ich mich von Wolken wie umgossen,

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Und mit mir selbst in Dämmrung eingeschlossen.

Auf einmal schien die Sonne durchzudringen,
Im Nebel ließ sich eine Klarheit sehn.
Hier sank er leise, sich hinabzuschwingen ;
Hier teilt' er steigend sich um Wald und Höhn.
Wie hofft ich, ihr den ersten Gruß zu bringen!
Sie hofft ich nach der Trübe doppelt schön.

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Der luftge Kampf war lange nicht vollendet,
Ein Glanz umgab mich, und ich stand geblendet.

Bald machte mich, die Augen aufzuschlagen,
Ein innrer Trieb des Herzens wieder kühn,
Ich konnt es nur mit schnellen Blicken wagen,
Denn. Alles schien zu brennen und zu glühn.
Da schwebte, mit den Wolken hergetragen,
Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin,
Kein schöner Bild sah ich in meinem Leben,
Sie sah mich an und blieb verweilend schweben.

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„Kennst du mich nicht?" sprach sie mit einem Munde, Dem aller Lieb und Treue Ton entfloß: „Erkennst du mich, die ich in manche Wunde Des Lebens dir den reinsten Balsam goß? Du kennst mich wohl, an die, zu ewgem Bunde, Dein strebend Herz sich fest und fester schloß. Sah ich dich nicht mit heißen Herzensthränen Als Knabe schon nach mir dich eifrig sehnen?"

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"Ja!" rief ich aus, indem ich selig nieder
Zur Erde sank, „lang hab ich dich gefühlt;
Du gabst mir Ruh, wenn durch die jungen Glieder
Die Leidenschaft sich rastlos durchgewühlt;

Du hast mir wie mit himmlischem Gefieder

Am heißen Tag die Stirne sanft gekühlt;

Du schenktest mir der Erde beste Gaben,

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Und jedes Glück will ich durch dich nur haben!

Dich nenn ich nicht. Zwar hör ich dich von Vielen Gar oft genannt, und Jeder heißt dich sein,

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Ein jedes Auge glaubt, auf dich zu zielen,

Fast jedem Auge wird dein Strahl zur Pein.
Ach, da ich irrte, hatt' ich viel Gespielen,
Da ich dich kenne, bin ich fast allein;

Ich muß mein Glück nur mit mir selbst genießen,
Dein holdes Licht verdecken und verschließen.“

Sie lächelte, sie sprach: „Du siehst, wie klug,
Wie nötig war's, euch wenig zu enthüllen!
Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug,
Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,
So glaubst du dich schon Uebermensch genug,
Versäumst, die Pflicht des Mannes zu erfüllen !
Wie viel bist du von Andern unterschieden?
Erkenne dich, leb mit der Welt in Frieden!“

„Verzeih mir," rief ich aus, „ich meint' es gut; Soll ich umsonst die Augen offen haben? Ein froher Wille lebt in meinem Blut,

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Ich kenne ganz den Wert von deinen Gaben!
Für Andre wächst in mir das edle Gut,

Ich kann und will das Pfund nicht mehr vergraben!
Warum sucht' ich den Weg so sehnsuchtsvoll,
Wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen foll?“

Und wie ich sprach, sah mich das hohe Wesen
Mit einem Blick mitleidger Nachsicht an;
Ich konnte mich in ihrem Auge lesen,
Was ich verfehlt, und was ich recht gethan.
Sie lächelte, da war ich schon genesen,
zu neuen Freuden stieg mein Geist heran;
Ich konnte nun mit innigem Vertrauen
Mich zu ihr nahn und ihre Nähe schauen.

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Da recte sie die Hand aus in die Streifen
Der leichten Wolken und des Dufts umher,
Wie sie ihn faßte, ließ er sich ergreifen,
Er ließ sich ziehn, es war kein Nebel mehr.
Mein Auge konnt' im Thale wieder schweifen,
Gen Himmel blickt' ich, er war hell und hehr.
Nur sah ich sie den reinsten Schleier halten,
Er floß um sie und schwoll in tausend Falten.

"Ich kenne dich, ich kenne deine Schwächen, Ich weiß, was Gutes in dir lebt und glimmt!" So sagte sie, ich hör sie ewig sprechen,

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Empfange hier, was ich dir lang bestimmt,
Dem Glücklichen kann es an nichts gebrechen,
Der dies Geschenk mit stiller Seele nimmt:
Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,
Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.

Und wenn es dir und deinen Freunden schwüle
Am Mittag wird, so wirf ihn in die Luft!
Sogleich umsäuselt Abendwindeskühle,
Umhaucht euch Blumenwürzgeruch und Duft.
Es schweigt das Wehen banger Erdgefühle,
Zum Wolkenbette wandelt sich die Gruft,
Besänftiget wird jede Lebenswelle,

Der Tag wird lieblich, und die Nacht wird helle."

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So kommt denn, Freunde, wenn auf euren Wegen 105 Des Lebens Bürde schwer und schwerer drückt,

Wenn eure Bahn ein frischerneuter Segen

Mit Blumen ziert, mit goldnen Früchten schmückt,
Wir gehn vereint dem nächsten Tag entgegen!
So leben wir, so wandeln wir beglückt.

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