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So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren Schon zehne sind's! von uns sich weggekehrt! Wir haben alle segenreich erfahren,

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Die Welt verdanke ihm, was er sie gelehrt;

Schon längst verbreitet sich's in ganze Scharen,
Das Eigenste, was ihm allein gehört.

Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.

11. Angedenken

Angedenken an das Gute
Hält uns immer frisch bei Mute.

Angedenken an das Schöne
Ist das Heil der Erdensöhne.

Angedenken an das Liebe,
Glücklich! wenns lebendig bliebe.

Angedenken an das Eine
Bleibt das Beste, was ich meine.

12. Fliegentod

Sie saugt mit Gier verrätrisches Getränke
Unabgesezt, vom ersten Zug verführt;

Sie fühlt sich wohl, und längst sind die Gelenke
Der zarten Beinchen schon paralysiert;

Nicht mehr gewandt, die Flügelchen zu pußen,
Nicht mehr geschickt, das Köpfchen aufzustußen-
Das Leben so sich im Genuß verliert.

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Zum Stehen kaum wird noch das Füßchen taugen;
So schlürft sie fort, und mitten unterm Saugen

Umnebelt ihr der Tod die tausend Augen.

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13. Gedichte

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht's auch der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.

Kommt aber nur einmal herein,
Begrüßt die heilige Kapelle!
Da ist's auf einmal farbig helle,
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergözt die Augen!

14. Die Poesie

Gott sandte seinen rohen Kindern
Gesetz und Ordnung, Wissenschaft und Kunst,

Begabte die mit aller Himmelsgunst,
Der Erde grasses Los zu mindern,
Sie kamen nackt vom Himmel an
Und wußten sich nicht zu benehmen;
Die Poesie zog ihnen Kleider an,
Und keine hatte sich zu schämen.

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15. Künstlerlied

Zu erfinden, zu beschließen,
Bleibe, Künstler, oft allein!
Deines Wirkens zu genießen,
Eile freudig zum Verein!
Dort im Ganzen schau, erfahre
Deinen eignen Lebenslauf,
Und die Thaten mancher Jahre
Gehn dir in dem Nachbar auf.

Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das Andre schärfen,
Und am Ende sei's genug!
Wohl erfunden, klug ersonnen,
Schön gebildet, zart vollbracht,
So von jeher hat gewonnen
Künstler kunstreich seine Macht.

Wie Natur im Vielgebilde
Einen Gott nur offenbart,
So im weiten Kunstgefilde
Webt ein Sinn der ewgen Art;
Dieses isi der Sinn der Wahrheit,
Der sich nur mit Schönem schmückt
Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt.

Wie beherzt in Reim und Profe
Redner, Dichter sich ergehn,
Soll des Lebens heitre Rose
Frisch auf Malertafel stehn,

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Mit Geschwistern reich umgeben,
Mit des Herbstes Frucht umlegt,
Daß sie von geheimem Leben
Offenbaren Sinn erregt.

Tausendfach und schön entfließe
Form aus Formen deiner Hand,
Und im Menschenbild genieße,
Daß ein Gott sich hergewandt.
Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet,
Stellet euch als Brüder dar;

Und gesangweis flammt und rauchet
Opfersäule vom Altar.

16. Natur und Kunst

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

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resupace Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! endeavor.

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Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist's mit aller Bildung auch beschaffen;
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muß sich zusammen raffen:
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesez nur kann uns Freiheit geben.

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17. Sprüche

Wie? Wann? Wo? Die Götter bleiben stumm! Du halte dich ans Weil und frage nicht Warum. because

Willst du ins Unendliche schreiten,

Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.

Willst du dich am Ganzen erquicken,

So mußt du das Ganze im Kleinsten erblicken.

Ich wandle auf weiter bunter Flur
Ursprünglicher Natur,

Ein holder Born, in dem ich bade,
Ist Ueberlieferung, ist Gnade.

Die endliche Ruhe wird nur verspürt,
Sobald der Pol den Pol berührt.

Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit,
Daß er die Pole für ewig entzweit.

Magnets Geheimnis, erkläre mir das!

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Kein größer Geheimnis, als Lieb und Haß.

Wirst du deines Gleichen kennen lernen,
So wirst du dich gleich wieder entfernen.

Warum tanzen Bübchen mit Mädchen so gern?
Ungleich dem Gleichen bleibet nicht fern.

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